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SARS-CoV-2 und Co.
Mit Viren infizierte Zellen rufen um Hilfe – ein Ansatz für die Wirkstoff-Forschung
Die Frankfurter Virologie-Professorin Sandra Ciesek nimmt als nächstes Forschungsprojekt einen Immunmechanismus genauer in Augenschein, den Viren wie SARS-CoV-2 manipulieren. Um die Grundlagenforschung schneller in angewandte Therapien überführen zu können, kooperiert ihr Team mit Forschern des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP in Frankfurt und Hamburg.
Das Immunsystem besitzt einen Mechanismus, mit dem von Viren infizierte Zellen sozusagen um Hilfe rufen. Krankheitserreger wie SARS-CoV-2 aber haben Methoden entwickelt, diesen Immunmechanismus zu unterlaufen. „Es handelt sich um einen Teil der angeborenen Immunantwort des Wirtes: Virale Proteine werden durch Mono-ADP-Ribosylierung oder Poly-ADP-Ribosylierung modifiziert und inaktiviert. Diese Reaktion wird durch sogenannte Poly-ADP-Ribose-Polymerasen – PARPs – katalysiert. Allerdings besitzen einige Viren, darunter SARS-CoV-2, Enzyme wie die ADP-Ribosyl-Hydrolasen, die diese Modifikationen rückgängig machen und damit diese Immunantwort der Wirtszelle – quasi ihren Hilferuf – wieder abschalten“, erklärt die Professorin für Virologie an der Goethe-Universität Dr. Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt.
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Die im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die COVID-19-Pandemie der breiten Öffentlichkeit bekannt gewordene Forscherin will nun gemeinsam mit ihrem Team und Kooperationspartnern aus der Universität Frankfurt und dem Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP in Frankfurt und Hamburg an dieser Stelle ansetzen und nach neuen Wirkstoffen gegen SARS-CoV-2 und andere Viren forschen.
Verteidigung der Wirtszellen soll reaktiviert werden
„Im Projekt geht es darum, diese ADP-Ribosyl-Hydrolase-Aktivität, die auf einer sogenannten viralen Makrodomäne lokalisiert ist, zu hemmen und damit die Verteidigung der Wirtszelle gegen virale Infektionen wieder zu reaktivieren. Man weiß bereits, dass Mutationen in dieser Makrodomäne, die zu einem Verlust der enzymatischen Aktivität führen, mit einer deutlich verringerten Virenlast verbunden sind. Auch gibt es für die SARS-CoV-2-Makrodomäne bereits erste Substanzen, die die enzymatische Aktivität hemmen und als Tools verwendet werden können, um diesen Mechanismus eingehender zu untersuchen. Das Ziel unseres Projektes ist es vor allem, diesen Abwehrmechanismus für ein breiteres Spektrum von Viren nutzbar zu machen“, erklärt die Virologin.
Außerdem sollen Wirkstoffe gefunden werden, die diese Immunantwort noch verstärken können. Gemeinsam mit dem Team um den Chemie-Professor Dr. Eugen Proschak von der Uni Frankfurt und Dr. Aimo Kannt sowie Dr. Philip Gribbon vom Fraunhofer-Institut sollen die gefundenen Ergebnisse dann auch möglichst schnell in anwendbare Therapien umgesetzt werden können.
Bereits geprüfte und zugelassenen Wirkstoffe für neue Nutzung im Fokus
„Zum einen nutzen wir relevante Testsysteme – Makrodomänen verschiedener Viren und humaner Zellen, die mit den realen Viren infiziert werden, um zu prüfen, ob Testsubstanzen die Infektion oder die Vermehrung des Virus in der Wirtszelle verhindern können“, erklärt Ciesek. „Gleichzeitig verfolgen wir parallel den Ansatz des sogenannten Drug Repurposing, das heißt die Nutzung von klinisch geprüften oder bereits für andere Indikationen zugelassenen Wirkstoffen. Über diese Substanzen gibt es bereits viele Daten zu Sicherheit und Verträglichkeit im Menschen, was eine Translation in die klinische Entwicklung deutlich beschleunigen würde“, sagt sie.
Gefördert wird das Forschungsprojekt dabei mit bis zu 697.400 Euro in den kommenden drei Jahren von der VolkswagenStiftung. Die Kooperation erfüllt die Ausschreibung der VolkswagenStiftung, die innovative Ansätze fördert, um Therapeutika gegen wenig erforschte oder noch unbekannte Viren zu entwickeln. „Diese praktische Verwertbarkeit der Ergebnisse und eine translationale Perspektive sollten von Anfang an berücksichtigt werden“, sagt Dr. Georg Schütte, Generalsekretär der VolkswagenStiftung.
Noch ein langer Weg bis zur klinischen Entwicklung
Wann genau man allerdings mit konkreten Ergebnissen rechnen könne, sei nicht leicht zu sagen. „Das ist wirklich sehr schwer abzuschätzen. Wie bei allen Wirkstofffindungsprojekten braucht man einen langen Atem. Darüber hinaus handelt es sich um einen bisher wenig erforschten Mechanismus. Mit viel Glück könnte man es schaffen, in 3 bis 5 Jahren eine Substanz in die klinische Entwicklung zu bringen, ein längerer Zeitraum ist aber vermutlich realistischer“, erklärt Ciesek. In jedem Fall werde man mögliche neue Arzneimittel, die an diesem Mechanismus wirken, aber wohl nicht nur gegen SARS-CoV-2, sondern auch gegen weitere RNA-Viren einsetzen können, vermutet die Wissenschaftlerin.
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