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Chronischer Hypoparathyreoidismus
Unüberbrückbare Herstellungsprobleme bei Takeda – Hoffnung bei Ascendis Pharma
Aktuell informiert ein Rote-Hand-Brief über die Einstellung der Produktion des einzigen Parathyroidhormon-Präparates, das bei chronischem Hypoparathyreoidismus indiziert ist. Es geht um Natpar von Takeda und „unüberbrückbare Herstellungsprobleme“, die schon jetzt zu Lieferengpässen führen. Was steckt dahinter? Schon bald könnte ein Natpar-Nachfolger einer anderen Firma in Europa zugelassen werden.
Vergangenen Dienstag verkündete die Firma Takeda über die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), die Produktion ihres Parathyroidhormon-Präparates Natpar® bis zum Ende des Jahres 2024 weltweit einzustellen. Der Grund seien „unüberbrückbare Herstellungsprobleme“. Diese Nachricht ist für manche Patient:innen mit chronischem Hypoparathyreoidismus sicherlich eine böse Überraschung. Denn Natpar® wurde erst 2017 mit dem Orphan-Drug-Status als erste Hormonersatztherapie der Nebenschilddrüsen-Unterfunktion bedingt zugelassen. Die Indikation lautet: „Als Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit chronischem Hypoparathyreoidismus, deren Erkrankung sich durch die Standardtherapie allein nicht hinreichend kontrollieren lässt.“ Mit der Standardtherapie ist die Einnahme von Vitamin D und Calcium gemeint.
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Zwar sollen bereits seit Mai 2022 keine Patient:innen mehr auf Natpar® eingestellt werden, weil seitdem ein Lieferengpass besteht. Dass das Präparat schließlich ganz vom Markt genommen werden würde, war im Mai jedoch noch nicht angedeutet worden. Grund waren jedoch schon damals Probleme bei der Herstellung. Patient:innen, die bereits 100 Mikrogramm einmal täglich erhielten, sollten Ärzt:innen auf ein alternatives Dosierungsschema nach eigenem klinischen Ermessen umstellen.
Doch auch diese Patient:innen müssen nun also um ihre Versorgung bangen, wenn Natpar® Ende 2024 vom Markt genommen wird. Zudem soll bis dahin der Lieferengpass weiterbestehen. Immerhin sollen aber über 2024 hinaus, die noch verfügbaren Bestände so lange ausgeliefert werden, bis diese aufgebraucht bzw. abgelaufen sind. Zum genaueren Vorgehen bei der Medikationsanpassung bis 2024 informiert derzeit ein neuer Rote-Hand-Brief von Takeda.
Was steckt hinter den unüberbrückbaren Herstellungsproblemen bei Natpar von Takeda?
Auf Anfrage der DAZ schrieb Takeda: „Wir haben großes Verständnis dafür, wie enttäuschend diese Nachricht für die weltweite Hypoparathyreoidismus-Gemeinschaft ist.“ Doch der Herstellungsprozess sei „besonders komplex, da es sich dabei um ein Molekül handelt, das extrem empfindlich auf die Belastungen während der Herstellung reagiert“. Die Zahl der Produktchargen, die den „strengen Standards für Proteinpartikel, die in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden festgelegt wurden, nicht erfüllen“, habe zugenommen, sodass diese Chargen nicht freigegeben werden können. So erklärt Takeda die bereits bestehenden Lieferengpässe.
Doch warum sind diese Probleme „unüberwindbar“? Speziell dafür aufgestellte wissenschaftlich-technische Teams sollen über verschiedenste Ansätze versucht haben, das Problem der Bildung von Proteinpartikeln bei der Herstellung von Natpar® zu lösen. „Zu den konkreten Maßnahmen gehörten unter anderem eine gezielte Ursachenanalyse, Computermodellierung, Bewertung und Umsetzung von Änderungen im Herstellungsprozess sowie Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten hinsichtlich einer Neuformulierung“, heißt es. Doch Takeda habe festgestellt, „dass trotz dieser Anstrengungen keine Aussicht auf eine nachhaltige oder praktikable Vorgehensweise besteht“. Man bedaure zutiefst, dass man das Problem nicht lösen konnte.
Gibt es eine Natpar-Alternative?
Allerdings gibt es einen Hoffnungsschimmer, warum der Verlust von Natpar® 2024 schließlich doch nicht so groß werden könnte, wie befürchtet. Denn das Biopharma-Unternehmen „Ascendis Pharma“, das sich selbst vor allem mit der „TransCon“-Technologie bewirbt, plant ein mögliches Ersatzpräparat bereits Ende 2022 bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA zur Zulassung einzureichen. „TransCon“ stehe dabei für „transiente Konjugation“, wobei ein vorübergehend inerter Träger mit einem Arzneistoff verbunden werde. Je nach verwendetem Träger könnten so Prodrugs konzipiert werden. Ein solches Prodrug scheint „Ascendis Pharma“ nun für das Parathyroidhormon zur Marktreife gebracht zu haben. Ende August verkündete die Firma, den Zulassungsantrag bereits bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA eingereicht zu haben. Im vierten Quartal dieses Jahres wolle Ascendis Pharma auch bei der EMA einen Zulassungsantrag einreichen.
PTH-1-Rezeptor-Agonist in der Entwicklung
Und „Ascendis Pharma“ ist offenbar nicht das einzige Pharmaunternehmen, das an der Behandlung des chronischen Hypoparathyreoidismus forscht. „Amolyt Pharma“ beispielsweise hat erst vergangenen Mittwoch positive Ergebnisse einer klinischen Phase-II-Studie ihres Wirkstoffkandidats AZP-3601 bekannt gegeben. 93 Prozent der Patient:innen in der Studie sollen unter der Therapie auf die Einnahme von Vitamin D und Calcium verzichtet haben können. Nächstes Jahr soll die Phase-III-Studie beginnen.
„Amolyt Pharma“ hat sich nach eigenen Angaben auf die Entwicklung therapeutischer Peptide seltener hormoneller Erkrankungen spezialisiert. Bei AZP-3601 handle es sich um einen PTH-1-Rezeptor-Agonisten.
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Natpar® enthält Parathyroidhormon rekombiniert aus E.coli. Rekombinantes Parathormon (rPTH, Preotact®) war bereits von 2008 bis 2013 auf dem deutschen Markt verfügbar, allerdings für die Behandlung der Osteoporose. Es war identisch mit dem 84 Aminosäuren langen, endogen gebildeten Peptidhormon. Schon seit 2003 ist mit Teriparatid (Forsteo®) außerdem „eine verkürzte, aber voll wirksame Form des Parathormons im Handel“. Auch Teriparatid wird gentechnisch in Escherichia coli produziert und besteht aus den ersten 34 N-terminalen Aminosäuren der humanen Sequenz. Es bindet wie endogenes Parathormon an PTH-1-Rezeptoren auf Osteoblasten.
Als 2017 Natpar® zugelassen wurde, schrieb das Ärzteblatt dazu übrigens: „Seit einigen Jahren könnte die Störung auch ‚Off-label‘ durch Teriparatid behandelt werden, das zur Behandlung der Osteoporose zugelassen ist. [...] Sicherheit und Effektivität von Teriparatid beim Parathormonmangel wurden jedoch bisher nicht untersucht.“ Die Leitlinie „Hypoparathyreoidismus und Pseudohypoparathyreoidismus“ wurde erst im Juni 2022 aktualisiert und soll bis 2027 gelten. Teriparatid findet darin keine Erwähnung. Wie die Hormonersatztherapie der Nebenschilddrüsen-Unterfunktion künftig erfolgt, bleibt also zunächst offen.
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