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Reaktionen auf das Sparpaket
„Wir werden das nicht vergessen, Herr Lauterbach!“
Ob Opposition, Krankenkassen, Pharmaindustrie, Ärzte- oder Apothekerschaft: Von allen Seiten hagelt es Kritik für das gestern verabschiedete Sparpaket aus dem Hause Lauterbach. In den sozialen Medien und gegenüber der DAZ machen auch die Apothekerinnen und Apotheker an der Basis ihrer Wut und Enttäuschung Luft.
Der Bund bittet die Apotheken zur Kasse: Mit dem am gestrigen Donnerstag beschlossenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz steht nun fest, dass der Kassenabschlag für zwei Jahre von derzeit 1,77 Euro auf 2 Euro steigt. Pro Apotheke gehen damit jährlich im Durchschnitt 6.500 Euro Gewinn flöten – hartes Brot in Zeiten explodierender Kosten und steigender Tariflöhne.
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GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
Bundestag beschließt höheren Kassenabschlag
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betont in einer Pressemitteilung aus seinem Haus, dass mit dem Sparpaket Leistungskürzungen für gesetzlich Versicherte abgewendet werden: „Das Versprechen der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt auch in Krisenzeiten erhalten“, so der Minister. „Trotz eines historisch großen Defizits haben wir Leistungskürzungen verhindert und lassen die Zusatzbeiträge nur begrenzt steigen. Vor weiteren Strukturreformen im kommenden Jahr nutzen wir alle Effizienzreserven im System.“
Die Opposition sieht das Gesetz hingegen kritisch – dagegen gestimmt hatte unter anderem die Unionsfraktion im Bundestag. Deren gesundheitspolitischer Sprecher Tino Sorge (CDU) kritisiert auf Twitter: „Mit dem #GKV #Finanzstabilisierungsgesetz spart die #Ampel am falschen Ende & zulasten der #Patienten: bei #Apotheken, #Arzt-Terminen & der #Gesundheitswirtschaft. Strukturelle Probleme verschiebt sie. Auch #Kliniken warten weiter auf Hilfe. Als @cducsubt lehnen wir das Gesetz ab.“
Mit dem #GKV #Finanzstabilisierungsgesetz spart die #Ampel am falschen Ende & zulasten der #Patienten: bei #Apotheken, #Arzt-Terminen & der #Gesundheitswirtschaft. Strukturelle Probleme verschiebt sie. Auch #Kliniken warten weiter auf Hilfe. Als @cducsubt lehnen wir das Gesetz ab pic.twitter.com/8U6zTt4NbI
— Tino Sorge (@TinoSorge) October 20, 2022
Die ABDA verurteilte die massive Mehrbelastung der Apotheken bereits gestern in einer Pressemitteilung. „Dies ist ein schwarzer Tag für die Apotheken in Deutschland“, kommentiert ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening die Honorarkürzung. „Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren der Politik geholfen, die Pandemie zu meistern. Als Dank dafür wird ausgerechnet jetzt, wo die Apotheken wegen Inflation und Energiekrise selbst Hilfe und Entlastung bräuchten, die Vergütung gekürzt. Dabei gab es bis zuletzt finanzielle Spielräume bei der Gestaltung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, die Bundesregierung und Parlament einfach nicht für die Apotheken vor Ort nutzen wollten. Um es noch einmal klipp und klar zu sagen: Die Apotheken sind keine Kostentreiber. Unser Anteil an den jährlichen GKV-Ausgaben liegt bei 1,9 Prozent. Seit 2005 ist die Tendenz sinkend. Das sind Fakten, die neben der Politik auch der GKV-Spitzenverband endlich anerkennen muss.“
Mit Blick auf die drohende Strukturreform warnt Overwiening: „Die Politik ist in der falschen Richtung unterwegs. Sie muss umkehren und Apotheken entlasten. Dafür werden wir kämpfen. Dass wir das können, haben wir in dieser Woche eindrucksvoll mit den Schwerpunktstreiks in vier Bundesländern gezeigt, an denen sich enorm viele Apotheken beteiligt haben.“
Cranz (BAH): Gesetz schadet therapeutischem Fortschritt im Land
Die Pharmaindustrie kann dem Sparpaket ebenfalls wenig abgewinnen. „Die Krisen sind allgegenwärtig, umso wichtiger wäre es gewesen, für die Unternehmen keine zusätzlichen Belastungen in Höhe von 3,5 Mrd. Euro zu beschließen“, bemängelt Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Insbesondere die vom Gesetzgeber angestrebten sogenannten AMNOG-Leitplanken werden dem therapeutischen Fortschritt in diesem Land nachhaltig schaden, sagt der Verband voraus. „Die Hürden für Innovationen werden so hochgeschraubt, dass weniger Neueinführungen in der Versorgung ankommen werden. Erste Unternehmen haben bereits Konsequenzen gezogen und Markteinführungen innovativer Arzneimittel zurückgestellt“, so Cranz.
Hinzu kommt für die Hersteller die Erhöhung des Herstellerabschlags ab dem kommenden Jahr von 7 auf dann 12 Prozent. Zudem soll das Preismoratorium für Arzneimittel bis Ende 2026 verlängert werden. „Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat der Gesetzgeber den falschen Weg eingeschlagen“, glaubt Cranz. Anstatt weiter die Grundlagen von Wachstum und Wohlstand zu beeinträchtigen, sei es dringend an der Zeit, langfristig ausgerichtete Strukturreformen anzugehen. „Zur Sicherung der Versorgung insbesondere mit generischen Arzneimitteln muss der nächste, dringendste Schritt ein angemessener Inflationsausgleich sein.“
Verärgert ist auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung: Obwohl die Ärzteschaft auf den letzten Metern noch einige Verbesserungen für sich herausschlagen konnte, schmerze der Verlust der Neupatientenregelung. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen, die aktuell mit immensen Kostensteigerungen zu kämpfen haben, sind frustriert und maßlos enttäuscht von diesem Beschluss“, konstatiert KBV-Chef Andreas Gassen. „Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Wochen zu weiteren Protesten gegen die Streichung der Neupatientenregelung und die damit verbundenen Folgen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten kommen wird.“
DAK-Chef Storm: Strukturreform muss kommen
Zugeständnisse konnten kurz vor knapp auch die Krankenkassen noch verbuchen. Der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm, begrüßt, dass Lauterbach den Bedenken der Kassen Rechnung getragen und die Pläne für den Rücklagenabbau bei den Krankenkassen deutlich verändert hat. Insgesamt sieht er das Gesetz jedoch kritisch: „Der überwiegende Teil der Finanzierungslücke in der Gesetzlichen Krankenversicherung wird durch die Beitragszahlerinnen und Betragszahler geschlossen“, sagt er. „Diese weit überproportionale Belastung der Beitragszahlenden halte ich in Zeiten ohnehin steigender Kosten für falsch.“
Aus Storms Sicht kann das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz daher nur ein erster Schritt sein. „Strukturreformen müssen folgen – also ein Finanzstabilisierungsgesetz, das diesen Namen verdient, weil es über 2023 hinaus wirkt“, sagt der Kassenchef. „Spätestens mit diesem Gesetz müssen dann auch auskömmliche Bundesmittel für ALG-2-Beziehende und eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel kommen, um die Krankenkassen ausgabenseitig endlich zu entlasten.“
Wut und Enttäuschung an der Basis
Doch nicht nur die Interessenvertretungen in Berlin hadern mit dem Gesetz – auch der Frust der Apothekerinnen und Apotheker entlädt sich im Internet. „Wir haben die letzten 2 1/2 Jahre vielen Leuten und vielen Institutionen den Hintern gerettet“, kommentiert ein Apotheker auf DAZ.online. „Wir haben Aufgaben übernommen, weil kein anderer sie hätte machen wollen oder hätte können. Und dies ist der Dank, während Unmengen an Millionen mehr in der Gematik verschwinden. Wenn in 2 Jahren doch noch genügend Apotheken überlebt haben, ist dies dann nur der klare Beweis für die Politik und die Kassen, dass man noch stärker auspressen kann.“ Und ein anderer Kollege schreibt auf der DAZ-Facebookseite: „Wir werden das nicht vergessen, Herr Lauterbach!“
Den #Kassenabschlag erhöhen #NurDreiWorte
— ???☣️Pharmahexx (@pharmahexx) October 20, 2022
Ich bin so unfassbar wütend!
Die Apotheken werden wie Scheiße behandelt, in den ersten zwei Coronajahren mussten wir immer wieder einspringen und nun werden wir abgeschossen! https://t.co/prlKxlYsqy
Auf Twitter reagiert eine Apothekerin emotional auf einen Tweet von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der unter dem Hashtag #NurDreiWorte „Die Mitte entlasten“ schreibt. „Ich bin so unfassbar wütend!“, antwortet sie. „Die Apotheken werden wie Scheiße behandelt, in den ersten zwei Coronajahren mussten wir immer wieder einspringen und nun werden wir abgeschossen!“ Ebenfalls unter #NurDreiWorte postet ein weiterer Kollege: „Apotheken sterben leise.“
Apotheken sterben leise.#NurDreiWorte
— ApothekerNuernberg (@ApothekerNue) October 20, 2022
Auch Apothekerin Kendra Schröder aus Hamburg hat kein Verständnis dafür, dass sich der Bund jetzt einen Teil des Honorars zurückholen will, das die Apotheken in der Pandemie verdient haben. „Das Geld ist doch längst weg“, sagt Schröder, die in der Apotheke ihrer Mutter arbeitet, im Gespräch mit der DAZ. Nicht nur, dass die Teams bis zur Erschöpfung gekämpft hätten, um die zusätzlichen Aufgaben bewältigen zu können – mit der Vergütung etwa für die Ausgabe der Schutzmasken mussten die Betriebe auch Ausfälle im Kerngeschäft kompensieren. „Ohne diese Mittel hätten viele von uns schon während der Pandemie schließen müssen“, betont die Apothekerin. Denn wie bereits die Kollegin Christiane Patzelt im DAZ-Videointerview erläuterte, seien während der Pandemie etwa die Erkältungswellen ausgefallen. „Keine Infekte, keine Läuse, kaum Rx- und OTC-Geschäft – das tat finanziell weh“, so Schröder.
Wem es trotz allem gelungen sei, einen Überschuss zu erwirtschaften, der habe das Geld in den Betrieb investiert. „Wir haben zum Beispiel unsere alte Klimaanlage gegen eine neue, besonders umweltfreundliche ausgetauscht“, berichtet Schröder. Und nicht zuletzt hätten viele den unermüdlichen Einsatz ihrer Mitarbeitenden honoriert und Corona-Boni gezahlt. Von der Politik fühlt sie sich vor den Kopf gestoßen. „Hätten wir von der Vergütung etwas zurücklegen sollen, hätte man uns das sagen müssen.“
11 Kommentare
GKV Spargesetz ....
von Hans Gerhard Christoph am 03.11.2022 um 12:23 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wer die Wahl hat, hat die Qual.
von Ufffff am 31.10.2022 um 19:41 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Wer die Wahl hat, hat die Qual
von uffff am 31.10.2022 um 19:47 Uhr
AW: Wer die Wahl hat ? , hat die Qual....
von Hans Gerhard Christoph am 04.11.2022 um 10:49 Uhr
Streik 2 €
von Sven Larisch am 24.10.2022 um 9:08 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: Streik 2...
von Hans Gerhard Christoph am 07.11.2022 um 13:23 Uhr
AW: Streik 2
von Sven Larisch am 07.11.2022 um 13:53 Uhr
AW: halbherziger Streik 2
von Hans Gerhard Christoph am 07.11.2022 um 16:48 Uhr
Jetzt laut zu werden ist zu spät, liebe ABDA
von Lila am 23.10.2022 um 8:55 Uhr
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wie den Applaus
von Dr. House am 22.10.2022 um 14:24 Uhr
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AW: wie den Applaus.......
von Hans Gerhard Christoph am 07.11.2022 um 13:27 Uhr
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