Was macht die Konkurrenz im Netz?

Preise und Verfügbarkeiten von OTC-Arzneimitteln bei Versendern

Stuttgart - 19.12.2022, 17:31 Uhr

Auch in Zeiten von Inflation und Lieferengpässen halten die Versender den Wettbewerbsdruck auf die Vor-Ort-Apotheken aufrecht. (Bild: Andrey Popov / AdobeStock)

Auch in Zeiten von Inflation und Lieferengpässen halten die Versender den Wettbewerbsdruck auf die Vor-Ort-Apotheken aufrecht. (Bild: Andrey Popov / AdobeStock)


Neben dem Personalmangel haben die Vor-Ort-Apotheken aktuell vor allem mit den Lieferengpässen bei Arzneimitteln zu kämpfen, auch bei gängigen OTC-Präparaten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie steht es eigentlich um die Verfügbarkeit bei den Versandhändlern? Bisher haben Apothekenkunden beim Online-Kauf vor allem von hohen Rabatten profitiert. Gibt es nun mit besserer Lieferfähigkeit etwa einen weiteren Grund, zu einem Versender zu wechseln?

Die DAZ hatte Anfang November eine Umfrage gestartet, bei der rund 60 Prozent der Teilnehmenden angegeben hatten, dass sie mehrmals am Tag eine konkrete OTC-Arzneimittelanfrage von Kunden wegen eines Lieferengpasses nicht erfüllen können oder eine Alternative suchen müssen. Bei mehr als einem Drittel der Antwortenden tritt so eine Situation sogar mehrmals pro Stunde auf. Die Umfrageergebnisse weisen darauf hin, dass die Zielgruppe der DAZ, also die Teams in den Vor-Ort-Apotheken, mitunter erhebliche Probleme mit der Verfügbarkeit von OTC-Arzneimitteln haben. Daraus resultiert die Frage, wie es eigentlich um die Verfügbarkeit von OTC-Arzneimitteln bei den Arzneimittelversendern steht. Bisher profitierten deren Kunden vor allem von hohen Rabatten. Verfügen die Versender etwa auch über die bessere Lieferfähigkeit?

Um diese Fragen zu beantworten, haben wir 30 Tage lang täglich die Preise und die Verfügbarkeit für die PZN der OTC Top-200-Artikel nach IQVIA-Daten (Absatzzahlen im Jahr 2021) in den Online-Shops der zehn umsatzstärksten Versandhändler mit unserem ApoWi-Preismonitor beobachtet. Abbildung 1 zeigt diese zehn größten Versender und ihre Umsätze im Jahr 2021.

Abb. 1: Die Top-10-Online-Apotheken in Deutschland.

Neben den Online-Shops der zehn umsatzstärksten Versender haben wir die Preise und die Verfügbarkeit der OTC Top-200-Artikel auch in der Arzneimittel-Preissuchmaschine Medizinfuchs beobachtet. Diese Preissuchmaschine wurde als Referenz gewählt, da sie im Vergleich zu anderen Suchmaschinen, wie etwa Apomio, Billiger.de und MediPreis, deutlich mehr Apotheken erfasst. Im Beobachtungszeitraum waren auf Medizinfuchs die Preise und Verfügbarkeiten von insgesamt 115 Apotheken gelistet, mit Ausnahme von Apotal sind neun der zehn beobachteten umsatzstärksten Arzneimittel-Versandhändler hier vertreten.

Mit diesen Informationen können wir folgende Fragen beantworten:

1. Wie hoch ist die Verfügbarkeit der OTC Top 200 in den Online-Shops der Top-10-Versender?

2. Wie hoch fallen die Rabatte auf die OTC Top 200 aus, die die Top-10-Versender in ihren Online-Shops gewähren?

3. Unterscheiden sich die Rabatte, die die Top-10-Versender in ihren eigenen Online-Shops gewähren, von denen, die Apothekenkunden erhalten, wenn sie den jeweiligen Online-Shop über eine Preissuchmaschine wie Medizinfuchs ansteuern?

4. Wie hoch fallen die Rabatte der Top-10-Versender im Vergleich zu den übrigen auf Medizinfuchs gelisteten Versandhändlern aus?

Die Antworten auf diese Fragen klären auch, wie stark der Konkurrenzdruck durch die Versender auf die Vor-Ort-Apotheke ausfällt. Eine konstant hohe Verfügbarkeit gepaart mit der Gewährung von hohen Rabatten würde bedeuten, dass der Konkurrenzdruck auch in diesen schwierigen Zeiten nicht nachlässt bzw. sich sogar noch erhöht.

Verfügbarkeit der OTC Top 200

Abbildung 2 zeigt die durchschnittliche Verfügbarkeit der 200 PZN im Beobachtungszeitraum bei den untersuchten Versendern.

Abb. 2: Verfügbarkeit der OTC Top 200 in den TOP-10-Versandapotheken.

Dazu ein Lesebeispiel: Über alle Messzeitpunkte hinweg waren beim Versender Apotal im Durchschnitt 89,7 Prozent der 200 PZN als sofort lieferbar angezeigt.

Mit einer Ausnahme – Eurapon – liegt die durchschnittliche Verfügbarkeit der OTC-Artikel bei den Versendern zwischen gut 80 Prozent und knapp 90 Prozent. Auffällig ist auch, dass mit Apotal und Mycare eher umsatzschwache Versender an der Spitze der Verfügbarkeitsliste stehen, während Platzhirsche wie DocMorris und Shop Apotheke hier eher im Mittelfeld rangieren.

Einige OTC-Artikel sind im gesamten Beobachtungszeitraum in den zehn großen Versendern nicht oder so gut wie nicht, das heißt bei weniger als 10 von 300 Möglichkeiten [10 Apotheken mal 30 Tage], verfügbar gewesen (Tab. 1).

Tab. 1: Liste der OTC-Dauer-Defekte im gesamten Beobachtungszeitraum bei den Top-10-Versandapotheken.

PZNArtikelbezeichnung
999854Nasenspray-Ratio. 45 mg KDR 10 ml
3515911Posiformin 2% Augensalbe 5 g
3953580Paracetamol-Ratio. Supp. 125 mg SGL 10
9731722Ibuflam Susp. KDR 100 mg / 5 ml 100 ml
14190197Paracetamol D.APO.H. Tabl. 500 mg 20
11038193Ibuprofen Eleac IL / Filmtabl. 400 mg 20

Insbesondere die Defekte bei Paracetamol Nasenspray (999854) und Zäpfchen (3953580) sowie Ibuflam Kindersaft (9731722) dürften vielen Apothekern bekannt vorkommen. Diese Präparate sind im Beobachtungszeitraum auch nur selten bei einzelnen der auf Medizinfuchs gelisteten Versendern verfügbar gewesen.

Dr. Frank Diener

20 – 20 – 20

eda | Seit fast 20 Jahren existiert der Arzneimittelversand­handel in Deutschland. Beim Blick auf das OTC-Segment stellt man fest, dass die Versender inzwischen über rund 20 Prozent Marktanteil verfügen. Als größter Antrieb für diese Entwicklung muss man wohl die im Durchschnitt 20-prozentige Preisdifferenz ansehen, die Kunden bei ihrem Online-Einkauf angeboten werden. Diesen Zusammenhang präsentierte Dr. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover Steuerberatungsgesellschaft, bei der Delegiertenversammlung der Apothekerkammer Nordrhein am 16. November 2022 in Neuss.

Diener gilt als ausgewiesener Experte der Arzneimittelbranche und begleitet die Apotheken seit mehr als 30 Jahren. Für die Vor-Ort-Apotheken sei es praktisch unmöglich, „verlorene“ OTC-Kunden zurückzugewinnen. Immerhin habe auch die Branche der Versender inzwischen ihre Schwierigkeiten, neue OTC-Kunden zu gewinnen.

Für die Analyse des Ist-Zustands und für die Prognose der weiteren Marktentwicklung rät Diener, „Versand-OTC“ getrennt von „Offizin-OTC“ zu betrachten. Man dürfe diese Sparten beim Vergleich längst nicht mehr in einen Topf werfen. Zu groß seien die Unterschiede bei den Einkaufskonditionen, den Bezugsquellen sowie in der Zielgruppe.

Daraus ableitend weist Diener auch darauf hin, dass seiner Ansicht nach der Preiszusammenhang aus Kundensicht zwischen „Versand-OTC“ und „Offizin-OTC“ viel schwächer wahrgenommen wird, als viele Vor-Ort-Apotheker denken. Die Menschen legten sich bei Arzneimitteln vielmehr aus Gewohnheit auf einen Bezugsweg fest und zögen weniger Preisvergleiche als angenommen. Davon ausgehend formuliert Diener die Empfehlung an die Apotheken, ihre OTC-Preisspielräume zu überprüfen. Notwendig sei ein strukturiertes, individuelles Preiskonzept in Frei- und Sichtwahl. Statt einer – „leider sehr häufigen“ – unreflektierten, automatisierten Listenpreisübernahme sollten die Verkaufspreise betriebswirtschaftlich sinnvoll kalkuliert werden, um die steigenden Kosten decken zu können.

Weniger dynamisch zeigt sich im Rückblick die Entwicklung des Rx-Geschäfts bei den Versendern. Trotz Gewährung von Boni liegt der Marktanteil seit vielen Jahren um oder zeitweise sogar unter 1 Prozent. Große Erwartungen bestehen in der Versandhandelsbranche bekanntlich im Hinblick auf die flächendeckende Einführung des E-Rezepts. Weil diese sich in der vergangenen Zeit immer wieder verschob, herrscht eine gewisse Unruhe in der Branche: Als zum Jahresende 2021 das neu formierte Bundesgesundheitsministerium ankündigte, die eigentlich für den 1. Januar 2022 vorgesehene Einführung des E-Rezepts auf unbestimmte Zeit zu verschieben und stattdessen weiter zu testen, gingen die Aktien der Zur Rose Group und von Shop Apotheke in einen monatelangen Sinkflug über.

Rabatte auf die OTC Top 200

Neben der Verfügbarkeit ist der Preis des Präparats ein häufig entscheidender Faktor für die Kaufentscheidung der Apothekenkunden. Die Vor-Ort-Apotheken sehen sich hier seitens der Versandapotheken einem starken Preis- bzw. Rabattdruck ausgesetzt. Wie stark dieser ausfällt, illustriert Abbildung 3.

Abb. 3: Rabatte der großen Versender auf die OTC Top 200 im eigenen Shop und auf Medizinfuchs (Apotal und Medikamente-per-Klick sind nicht mit Produkten auf Medizinfuchs vertreten)

Sie zeigt den durchschnittlichen Rabatt, den die Versender für die OTC Top 200 in ihrem eigenen Online-Shop auf den Apothekenverkaufspreis (AVP) gewähren, sowie den entsprechenden durchschnittlichen Rabatt, den der Kunde auf den AVP erhält, wenn er über Medizinfuchs bei dieser Versandapotheke bestellt.

Die gestrichelten vertikalen Linien zeigen zum Vergleich den durchschnittlichen AVP-Rabatt, den die jeweils anderen Versender auf Medizinfuchs im Durchschnitt auf die OTC Top 200 anbieten (grün) und den durchschnittlichen AVP-Rabatt der jeweils zehn günstigsten Versender auf Medizinfuchs (blau).

Hierzu ein Lesebeispiel: DocMorris bietet in seinem Online-Shop auf die OTC-Top-200-Artikel im Durchschnitt einen Rabatt in Höhe von 31,1 Prozent auf den AVP. Wählt der Kunde den Weg über Medizinfuchs zu DocMorris, dann erhält er auf die entsprechenden Artikel im Durchschnitt einen AVP-Rabatt in Höhe von 36,3 Prozent.

Folgende Punkte macht Abbildung 3 deutlich:

  • Es gibt eine große Spannbreite zwischen den von den Versendern im Durchschnitt gewährten Rabatten. Medpex und Apodiscounter bieten in ihren eigenen Online-Shops etwas mehr als 20 Prozent, während Medikamente-per-Klick einen AVP-Rabatt in Höhe von 43 Prozent anzeigt. Die beiden großen Anbieter DocMorris und Shop Apotheke gehören nicht zu den Versendern, die den höchsten AVP-Rabatt gewähren.
  • Die Preisstrategie im Hinblick auf die Rabattgewährung über die Preissuchmaschine unterscheidet sich zwischen den Versendern teilweise erheblich. Eurapon, Aponeo und mit deutlichen Abstrichen DocMorris und Shop Apotheke bieten Kunden, die über Medizinfuchs zu ihnen gelangen, einen höheren Rabatt als Kunden, die das Präparat direkt über den eigenen Online-Shop in den Warenkorb legen. Eine solche Rabattdifferenzierung findet sich dagegen bei Mycare überhaupt nicht, bei Apodiscounter und Sanicare so gut wie nicht.
  • Keiner der zehn umsatzstärksten Versender reicht mit der Höhe seines durchschnittlichen AVP-Rabatts, ob nun im eigenen Online-Shop oder via Medizinfuchs, an den entsprechenden Rabatt der jeweils zehn günstigsten auf Medizinfuchs gelisteten Versender heran.

Fazit

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Versender auch in dieser aufgrund von Inflation und Lieferengpässen schwierigen Zeit den Wettbewerbsdruck auf die Vor-Ort-Apotheken aufrechterhalten. Sowohl die Verfügbarkeit der OTC-Arzneimittel als auch die darauf gewährten Rabatte fallen weiterhin hoch aus.

Man könnte nun argumentieren, dass manche Arzneimittel, die von Versendern als „sofort lieferbar“ gekennzeichnet sind, von diesen auch erst ad hoc bestellt werden müssen und dass sie hierbei ähnlich wie die Vor-Ort-Apotheken mehrere Versuche bei unterschiedlichen Großhändlern unternehmen müssen. Die dafür aufgewendete Zeit spielt aber für den Kunden keine Rolle, wenn er für die Bestellung und den Versand eine längere Abwicklungszeit erwartet beziehungsweise in Kauf zu nehmen bereit ist als bei einer Vor-Ort-Apotheke. Dafür wird er mit hohen Rabatten entschädigt.


Dr. Christian Knobloch, leitet den Bereich Data & Analytics bei der RST Steuerberatungsgesellschaft mbH in Essen und die Forschungsstelle für Apothekenwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.
redaktion@daz.online


Univ.-Prof. Dr. Hendrik Schröder, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Handel der Universität Duisburg-Essen.Forschungsschwerpunkt: Apothekenmarkt in Deutschland
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