Top 10 der Weihnachtsgerüche

„Weihnachtsduft in jedem Raum“ – was riecht da eigentlich?

Düsseldorf - 24.12.2022, 09:00 Uhr

(Foto: Igor Normann / AdobeStock)

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Mit Weihnachten verbinden wir nicht nur Geschenke, Festbeleuchtung, Weihnachtsbäume und nach der Geschenkekaufhektik auch irgendwann besinnliche Stimmung. Besonders Düfte rufen für viele Menschen erst die richtige Weihnachtsstimmung hervor – und viele davon lassen sich auf ganz bestimmte Duftstoffe zurückführen. Wir stellen die Top 10 der Weihnachtsduft-Chemie vor.

„Fröhliche Weihnacht überall! tönet durch die Lüfte froher Schall. Weihnachtston, Weihnachtsbaum, Weihnachtsduft in jedem Raum!“, so heißt es im Lied „Fröhliche Weihnacht überall“. Und daraus lässt sich bereits erkennen, dass neben Weihnachtsliedern und Weihnachtsbäumen insbesondere auch die Gerüche eine ganz wichtige Rolle für unsere Weihnachtsstimmung haben. Welche Gerüche sind das, die wir mit Weihnachten verbinden – und was steckt chemisch betrachtet eigentlich hinter dieser besonderen jahreszeitlich geprägten Sinneswahrnehmung, genannt „Weihnachtsduft“? Hier eine – subjektive – Top 10 der Weihnachtsgerüche und ihre „Verursacher“:

10. Myrrhe – Furanosesquiterpene

Da wäre zunächst Myrre zu nennen – ein überliefertes Geschenk der heiligen drei Könige (neben Weihrauch und Gold). Vielleicht führt dieses Weihnachtsaroma ein wenig ein Schattendasein – es ist aber in Räucherwerk und Parfums recht häufig zu finden. Myrre ist das getrocknete Harz des Myrrhenstrauchs, das auch unverbrannt bereits gut riecht.

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Medizinisch ist es interessant und fand besonders in der Antike und im Mittelalter Anwendung, etwa zur Behandlung von Wunden. Heute verwendet man es bei Entzündungen der Mundschleimhaut.

Charakteristisch als Aromastoffe sind dabei Furanosesquiterpene. Sesquiterpene gehören zur großen Gruppe sekundärer Pflanzenstoffe der Isoprenoide. Lindestren und Furanoeudesma-1,3-dien sind dabei in der Myrrhe die Hauptbestandteile. Furanoeudesma-1,3-dien hat eine nachgewiesen analgetische Wirkung. Insgesamt haben die Substanzen mindestens hemmende Wirkung auf Bakterien.

9. Weihrauch – Incensolacetat

Eher für Kirchgänger – oder auch wenn man Räuchermännchen mag, ist Weihrauch ein typischer Weihnachtsgeruch. In den meisten Fällen handelt es sich tatsächlich um das Harz des Weihrauchbaums – so wie es bereits der Bibel nach die heiligen drei Könige als eines ihrer Geschenke überreichten. Beim Verbrennen werden verschiedene flüchtige Aromastoffe frei. Terpenoide wie Octylacetat (Essigsäureoctylester) gehören dazu, der auch in der Parfümerie verwendet wird. Charakteristisch ist ansonsten das Diterpen Incensol.

Incensol beziehungsweise Incensolacetat hat eine psychoaktive Wirkung. Es wirkt angstlösend und antidepressiv.

8. Kerzenduft – Paraffin

In Zeiten von LED-Kerzen wird dieser Geruch zwar seltener zu Weihnachten. Dennoch gehört der Geruch brennender und noch viel mehr ausgeblasener Kerzen zu Weihnachten dazu – besonders, wenn man etwa an Heiligabend eine Kirche aufsucht. Eine Mischung aus Paraffin und Ruß bildete dabei die Basis dieses Geruchs. Paraffin beschreibt dabei eine Mischung von Kohlenwasserstoffen, die ein bei Zimmertemperatur festes Wachs bilden. Ruß ist der amorphe Kohlenstoff, der als unverbrannter Kohlenstoffanteil bei der Verbrennung in der Kerzenflamme zurückbleibt.

7. Weihnachtsbaum – Nadelholzduft

Unverkennbar weihnachtlich ist auch der Geruch der frisch geschlagenen Weihnachtstanne. Eine ganze Reihe von hauptsächlich Terpenen sorgen dabei für den Geruch – je nach Art in unterschiedlichen Zusammensetzungen. Nur der künstliche Baum bedarf dabei eventuell der Nachhilfe aus der Duftdose.

Zu den Aromastoffen gehört dabei unter anderem Limonen. Ein weiterer charakteristischer Aromastoff sind die Isomere von Pinen, alpha- und beta-Pinen. Diese sind leicht flüchtig – typisch für Geruchsstoffe –, aber auch sehr brennbar. Gemeinsam mit dem Harzanteil sorgen sie für die gute Brennbarkeit von Tannenbäumen und Adventsgestecken, vor denen die Feuerwehr alljährlich warnt. Die Flammpunkte von alpha- und beta-Pinen liegen bei nur 32 und 33 Grad Celsius.

Reines Pinen findet auch Verwendung als Aromastoff in der Lebensmittelindustrie. In der Natur findet sich Pinen außer in Nadelbäumen auch etwa in Fenchel, Eukalyptus, schwarzem Pfeffer und Lorbeer.

Bornylacetat, ein Essigsäureester des Terpens Borneol, ist ein weiterer typischer Aromastoff von Tannen. 1,7,7-Trimethylbicyclo[2.2.1]hept-2-yl-3-methylbutanoat findet sich auch etwa in Mönchspfeffer und Rosmarin und findet Verwendung zum Beispiel in Geruchssprays, als Backzutat oder auch als Arzneimittel (etwa in einer Tinktur zur Muskelentspannung).

6. Citrusfrüchte – Limonen

Orangen, Mandarinen und ihre verwandten Zuchtformen sind seit langer Zeit und mit langer Überlieferung typisch weihnachtlich. Sie gehören als Füllung zum Nikolausstiefel oder finden sich auf Weihnachtstellern – abgesehen davon, dass sie ein importiertes Winterobst sind.

Im Glühwein findet sich ihr Aroma natürlich auch – oder als Orangeat etwa im Weihnachtsstollen. Der charakteristische Aromastoff der Citrusfrüchte, der für Duft und Geschmack wesentlich verantwortlich ist, ist dabei das Limonen, außerdem etwa Citronellal und Citral.

Das Terpen Limonen  kommt in der Natur überhaupt sehr oft vor – es ist das am häufigsten vorkommenden Monoterpen und findet sich unter anderem in Sellerie, Muskatnuss und Minze. Es gehört aber auch zum Aroma von Nadelhölzern (siehe Top 7). Als Nebenprodukt bei der Orangensaft-Produktion gewinnt man es aus den Schalen durch Wasserdampfdestillation in reiner Form (als R(+)-Form, da es stereoisomer ist).

Citronellal ist ebenfalls ein Terpen. Es wirkt abstoßend auf Insekten, weshalb es in manchen Repellents enthalten ist. Außerdem dient es als Ausgangsstoff für die Synthese von Menthol.

Als Citral wiederrum bezeichnet man ein racemisches Gemisch der Stereoisomere Geranial und Neral. Es gehört ebenfalls zu den Terpenen und sorgt unter anderem für die angenehm frische Zitrusnote im Geruch.

5. Schokolade – 3-Methylbutanal

Schokolade gehört für viele in den verschiedenen Formen wohl ebenfalls ganz selbstverständlich zu Weihnachten dazu. Neben einer Vielzahl von Komponenten gehören das bereits bekannte Vanillin sowie 3-Methylbutanal und verschiedene Pyrazine zu den wichtigsten Aromastoffen.

3-Methylbutanal trägt auch den Namen Isovaleraldehyd und findet sich auch im Alarmpheromon der Wespe. Außerdem gehört es zu den am meisten hergestellten chemischen Grundstoffen – für Arzneimittel, Vitamine, Pestizide, Lösungsmittel, Weichmacher und mehr. Sein Anteil in der Schokolade stammt aber aus natürlichem Ursprung. Es leitet sich unter anderem von der Aminosäure Leucin ab und ist damit auch eine malzige Geschmacks- und Geruchskomponente von Bier, Käse, Kaffee, Hühnchen, Fisch, Olivenöl oder Tee.

Pyrazine schließlich finden sich in vielen erhitzten Lebensmitteln. Neben Schokolade auch etwa in gerösteten Erdnüssen – oder gebrannten Mandeln, womit wir wieder auf dem Weihnachtsmarkt wären.

4. Marzipan – Bittermandel

Der charakteristische Geruch von Marzipan beruht überwiegend auf Bittermandelöl, welches man aus den Kernen von Bittermandeln, aber auch Pfirsichen, Aprikosen, Kirschen oder Pflaumen gewinnt. Hauptbestandteil und damit auch der Hauptaromastoff in Geruch und Geschmack ist darin Benzaldehyd. Dieses einfachste aromatische Aldehyd, das sich vom Benzol ableitet, ist auch sonst eine wichtige Grundchemikalie.

Als Aromastoff nimmt man es nur in geringen Mengen zu sich – in größeren wäre es gesundheitsschädlich. Es gehört auch zum typischen Aroma von Wein.

Das Bittermandelaroma, das man beispielsweise zum Backen dem Teig zutropfen kann, ist in der Regel reines Benzaldehyd. Und wie diese Chemikalie im Labor neigt sie geöffnet und Tageslicht ausgesetzt ebenfalls dazu, Peroxide zu bilden, die auch die Aromafläschchen explodieren lassen können, wenn sie schon etwas älter sind.

3. Glühwein – Zimt und Nelken

Zu Weihnachten und den obligatorischen Weihnachtsmärkten gehört als Duft (und Geschmack) für viele auch Glühwein. Neben dem Duft heißen Rotweins prägen diesen vor allem die Gewürze Zimt und Gewürznelke. Deren Bestandteile Zimtaldehyd und Eugenol finden sich auch im Spekulatius.

Übrigens sollte man Glühwein wegen dieser Bestandteile nicht über 70 Grad Celsius erhitzen – sie oxidieren schnell und lassen dann bitter schmeckende Reaktionsprodukte entstehen.

2. Spekulatius und Lebkuchen – Nelken, Zimt, Kardamom, Sternanis, Anis und Muskat

Natürlich riechen die meisten Kuchen und Plätzchen nach Vanille – bei einigem fast nur zu Weihnachten Gebackenem kommen neben dem Vanillin aber noch einige weitere typische Aromen hinzu. Gemeint sind etwa Spekulatius und Lebkuchen sowie Printen und weiteres Weihnachtsgebäck, das zusätzlich eine ausgeprägte Note von verschiedensten Gewürzen hat.

(Gewürz-)Nelkenaroma gehört dazu, das hauptsächlich auf dem Stoff Eugenol basiert. Dieses ist chemisch 4-Allyl-2-methoxyphenol und ist außer in Gewürznelken auch etwa in Zimt, Basilikum, Piment, Banane und Muskat enthalten. Es gehört zur großen Gruppe sekundärer Pflanzenstoffe der Phenylpropanoide. In reiner Form gewinnt man es vor allem durch Ausfällen aus Nelkenöl mit 5-prozentiger Kaliumhydroxidlösung. Dann hat Eugenol auch etwa in der Parfumindustrie Bedeutung.

Zimt ist eine weitere Hauptzutat (auch in Zimtsternen). Natürlich gewinnt man Zimt aus der Rinde des Zimtbaums. Der Aromastoff ist dabei das Zimtaldehyd. Dieses trans-3-Phenyl-2-propenal gehört ebenfalls zur Gruppe der Phenylpropanoide und lässt sich außer durch Wasserdampfdestillation von Zimtrinde auch technisch etwa aus Benzaldehyd oder aus Styrol gewinnen. Genau wie Eugenol hat übrigens auch Zimtaldehyd antimikrobielle Eigenschaften.

Kardamom ist auch recht typisch für Weihnachten. Dieses Gewürz ist ein Hauptbestandteil von Spekulatius und findet sich sonst eher selten in der europäischen Küche. Dafür ist die Frucht dieses Ingwergewäches aber oft in der arabischen und asiatischen Küche vertreten – es gehört etwa in ein gutes Curry. Aromastoff ist das Alpha-Terpineol. Es gibt verschiedene isomere Terpineole, die allesamt charakteristische Gerüche haben. Außerdem riechen die Stereoisomere sogar unterschiedlich. So hat die R(+)-Form von Alpha-Terpineol einen Geruch nach Flieder, die S(-)-Form riecht koniferenartig.

Mit Weihnachten verbindet man auch Sternanis – und Anis. Denn dies sind zwei verschiedene Gewürze. Sternanis sind die Früchte eines immergrünen Baums, während Anis ein krautiges Doldenblütengewächs ist. Beide enthalten aber als Hauptaroma und Geruchsstoff die Phenylpropanoide cis- und trans-Anethol. 1-(4-Methoxyphenyl)-1-propen kommt auch in Fenchel und Estragon vor und dient auch etwa zum Aromatisieren von Ouzo und Raki. Daneben wirkt es unter anderem schleimlösend, antibakteriell und krampflösend.

Und schließlich gehört auch Muskat zum Aromenspektrum von Lebkuchen und Spekulatius. Hier ist neben Eugenol vor allem Terpineol-4 und Safrol enthalten. Terpineol-4 heißt auch 1-p-Menthen-4-ol und ist ein Terpen-Alkohol, der auch etwa in Eukalyptus oder Lavendel vorkommt. Safrol (3,4-Methylendioxy-allylbenzol) gehört ebenfalls zu den Phenylpropanoiden und gibt auch etwa dem amerikanischen Root Beer seinen typischen Geschmack. Allerdings ist es giftig und wahrscheinlich krebserregend. Es wird als Ausgangsstoff für Piperonylbutoxyd verwendet, welches die Wirkung von Insektiziden verstärkt. Auch die Drogen MDMA, MDA und MDEA ließen sich daraus gewinnen, weshalb es in Reinform nicht für die Lebensmittelindustrie gewonnen wird.

1. Weihnachtsplätzchen – Vanille

Natürlich hat jeder eine andere Gewichtung der Top-Weihnachtsdüfte. Aber der Geruch nach frisch gebackenen Weihnachtsplätzchen gehört definitiv dazu. Die meisten dieser kleinen gebackenen Köstlichkeiten verdanken dabei ihren Duft dem Vanillearoma, dem Vanillin. Es ist schließlich auch der bedeutendsten Aromastoff der Welt. Das künstliche Vanillearoma ist der nach Menge meisthergestellte Aromastoff der Welt und eigentlich fast überall zu finden. Im Weihnachtsplätzchen ist es entweder in Form echter Vanille – als ausgekratztes Mark der Vanilleschoten oder getrocknet und zermahlen – enthalten oder wohl öfter in Form des „Vanillezuckers“. Doch Vorsicht!: Es gibt nämlich „Vanillezucker“ und  „Vanillinzucker“. Im Vanillezucker steckt echte Vanille, im Vanillinzucker „nur“ der Aromastoff.

In jedem Fall aber ist es chemisch betrachtet das Vanillin, welches für den Duft und das Aroma sorgt – sowohl künstlich hergestellt als auch als Hauptbestandteil der Vanilleschote. Künstliches Vanillin ist ein „naturidentischer Aromastoff“. Chemisch heißt er eigentlich 4-Hydroxy-3-methoxybenzaldehyd und gehört damit zur Gruppe der Benzaldehyde. Bereits seit 1874 lässt sich Vanillin aus verschiedenen anderen Naturprodukten durch chemische Behandlung herstellen.

Heute produziert man Vanillin oft aus den Abfällen, die bei der Produktion von Zellstoff anfallen. Die Ligninsulfonsäure, die sich vom „Holzkleber“ Lignin ableitet, wird dabei unter anderem oxidiert und basisch behandelt. Nach Aufreinigung gewinnt man so bis zu 25 Prozent Ausbeute. Andere Verfahren sind eine Umwandlung des Nelkenaromastoffs Eugenol oder einer synthetischen Behandlung des Naturstoffs Guajacol, einem sekundären Pflanzenstoff aus Guajak-Bäumen.

Auch biotechnologisch aus Bakterien oder Hefen lässt sich Vanillin darstellen. Anders als synthetisches Vanillin, das „naturidentisch“ heißen muss, darf biotechnologisch gewonnenes Vanillin „natürliches“ Vanillin heißen.


Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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