ABDA und Pharmaverbände skeptisch

Was bringt die Festbetragsaussetzung für Kinderarzneimittel?

Berlin - 10.01.2023, 17:00 Uhr

ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening fordert kurzfristig mehr Entscheidungsspielräume für die Apotheken – etwa bei der eigenen Herstellung von Medikamenten für Kinder. (Foto: ABDA)

ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening fordert kurzfristig mehr Entscheidungsspielräume für die Apotheken – etwa bei der eigenen Herstellung von Medikamenten für Kinder. (Foto: ABDA)


ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat Zweifel, ob der Beschluss des GKV-Spitzenverbands, die Festbeträge für bestimmte Kinderarzneimittel temporär aufzuheben, die Liefersituation entspannen kann. Auch die Pharmaverbände zeigen sich skeptisch.

Wie heute bekannt wurde, hat der GKV-Spitzenverband am gestrigen Montag beschlossen, die Festbeträge in zehn Festbetragsgruppen vom 1. Februar 2023 bis zum 30. April 2023 auszusetzen. Dabei geht es um Festbetragsgruppen für Arzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen, Paracetamol und für bestimmte Antibiotika, die als Zäpfchen oder in flüssiger Anwendungsform vorliegen. So sollen angesichts der aktuell angespannten Versorgungslage mit diesen Arzneimitteln bei Kindern kurzfristig Aufzahlungen vermieden werden.

Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht der Beschluss des GKV-Spitzenverbandes auf eine vor Weihnachten erfolgte Absprache des Bundesgesundheitsministers mit den Krankenkassen zurück. „Damit wird die Zeit überbrückt, bis das angekündigte Arzneimittelgesetz greift, das weit über das Aussetzen von Festbeträgen hinaus greift“, erklärte eine BMG-Sprecherin gegenüber der DAZ. Erst damit könnten die strukturellen Ursachen für Lieferengpässe wirkungsvoll bekämpft werden. Geplant sei, den Referentenentwurf Ende des Monats vorzulegen.

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwienig erklärte dazu gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Die Lieferengpässe bei Kinderfiebersäften, Antibiotika und anderen Arzneimitteln halten leider weiterhin an“. Ob sich die Liefersituation durch die geplante Preislockerung spürbar entspanne, sei fraglich, da es oft nur wenige Hersteller gebe und somit das Angebot dieser Arzneimittel insgesamt begrenzt sei. Overwiening forderte kurzfristig mehr Entscheidungsspielräume für die Apotheken – etwa bei der eigenen Herstellung von Medikamenten.

Geste, aber keine kurzfristige Lösung

Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) reagierte zurückhaltend. Ob die Aussetzung der Festbeträge kurzfristig tatsächlich zu einer besseren Verfügbarkeit von Produkten auf dem deutschen Markt führe, bleibe abzuwarten, sagte der BPI-Vorsitzende Hans-Georg Feldmeier der dpa. Systeme, die über lange Zeit kaputtgespart worden seien, könnten nicht per Schnellschuss geheilt werden. Der Verband verwies auf Kostendruck und forderte Erleichterungen im Festbetragssystem, nicht nur bei Kindermedikamenten.

Auch der Geschäftsführer des Pharmaverbands Pro Generika, Bork Bretthauer, zeigte sich skeptisch: Die Aussetzung der Festbeträge sei eine Geste, werde aber das Problem der Engpässe kurzfristig nicht lösen, sagte er dem „Handelsblatt“. „Woher sollen die Fiebersäfte plötzlich kommen?“. Die Unternehmen produzierten rund um die Uhr. Es gebe keine Ware, die kurzfristig auf den Markt kommen könne, nur weil sich der Preis für drei Monate erhöhe.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) Hubertus Cranz betont, dass der BAH immer wieder darauf hingewiesen habe, dass Reformen beim Festbetragssystem nötig sind. „Insbesondere der Kellertreppeneffekt hat dazu geführt, dass der GKV-Spitzenverband die Festbeträge in den vergangenen Jahren immer weiter abgesenkt hat; mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung“. Dass der GKV-Spitzenverband nun zahlreiche Festbetragsgruppen aussetze, zeige „wie reformbedürftig das ganze System ist“.


Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Klarnamen

von Tora Semid am 11.01.2023 um 11:24 Uhr

Ist hier die Klarnamenpflicht aufgehoben?

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Vorsicht

von Hubert Kaps am 11.01.2023 um 10:50 Uhr

Moment, alles irgendwie richtig, aber doch von Grund auf falsch gedacht. Die KKs müssten nach meinem Verständnis am dringlichsten daran interessiert sein, dass alle Versicherten Ihre benötigten Medikamente bekommen. Warum geben Sie diesen Institutionen durch ihre Argumentation Deckung. Warum entlassen sie diese Leute aus ihrer Verantwortung, langfristig über Lieferketten, Produktionsstandorte, Preise nachzudenken? Es wäre deren Pflicht gewesen, darauf hinzuweisen, dass es eine europäische Produktion braucht, es wäre deren Pflicht gewesen, dies durch spezifische Ausschreibungen zu fördern.
Es entsetzt mich, mit welcher Kaltblütigkeit die KKs jede Verantwortung an den Problemen von sich weisen.

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Geiz ist geil

von Dr. Radman am 10.01.2023 um 19:23 Uhr

Die jetzige prekäre Situation haben die KK durch ihren Gier und Geiz ist geil Mentalität verursacht. Jetzt versucht die GKV den schwarzen Peter die Pharmaindustrie zuzuschieben. Weder 3 Monate noch 3 Jahre werden reichen, die AM Produktion nach Deutschland zurückzuholen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Geiz ist geil

von Tim Olol am 11.01.2023 um 6:34 Uhr

Das stimmt so definitiv nicht.
Wenn man endlich begreift, dass das Problem deutlich vielschichtiger ist als "die KK durch ihre Gier und Geiz ist geil Mentalität", dann lassen sich auch Lieferengpässe lösen.

Wer gibt eigentlich die Instrumente zur Senkung der AM-Ausgaben vor und legt ein Wirtschaftlichkeitsgebot fest?
Richtig, die Politik um die Beiträge für GKV-Versicherte niedrig zu halten.
Für die Pharmaindustrie geht es um Gewinn, eine logische Konsequenz, wenn man AM-Produktion der Marktwirtschaft überlässt. Kann wirklich jemand ernsthaft glauben, dass durch Abschaffung von Festbeträgen und Rabattverträgen die Produktion nach Europa zurück kommt?
Die Industrie geht so oder so nach Indien, China oder Mexiko. Die Produktionskosten sind einfach niedriger und damit die Gewinne. Ohne Festbeträge steigt einfach der Gewinn und darum geht es der Pharmaindustrie am Ende.
Erstaunlich wie blauäugig weite Teile der Apothekerschaft auf die Pharmaindustrie als "Heilsbringer" schauen.

AW: Geiz ist geil

von Michael Mischer am 11.01.2023 um 9:09 Uhr

Ich möchte Tim Olol ausdrücklich zustimmen.

Als Vergleich nehme man den Smartphone Markt. Für die Top-Modelle, egal ob iphone, Samsung, ... zahlen wir Konsumenten vierstellige Beträge. Preisdruck ist da nicht feststellbar, im Gegenteil, man zahlt für die Marke. Die Produktion findet dennoch in Südostasien statt.
Dasselbe gilt für jede beliebige Modemarke, auch die 120 € T-Shirts kommen aus Bangladesh und nicht aus Bayern.

Daneben:
Der Festbetrag ist ja nicht willkürlich festgelegt, sondern bildet in seiner Höhe den Markt ab:
"Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten."
Das ist die gesetzliche Vorgabe für den Preiskorridor und das bedeutet auch, dass die Unternehmen selbst durch ihre Preissetzung im Wettbewerb den Festbetrag dahin gebracht haben, wo er heute liegt. Ebenso würde sich der Festbetrag erhöhen, wenn die Preise wieder steigen.
Wenn ich dann noch in meiner Taxe sehe, wie viele Festbeträge irrelevant sind, weil es Rabattverträge gibt, die im Preis nochmal darunter liegen, dann frage ich mich schon, warum nur die Krankenkassen schuld sein sollen.
Ist auch nur der Verbraucher Schuld, dass Fleisch in Deutschland so billig ist?

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