Fehlende Kinderarzneimittel

Bayern setzt bei Lieferengpässen weiterhin auf Erleichterungen für Apotheken

Berlin - 06.02.2023, 16:45 Uhr

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek will die Engpässe aus der Endlosschleife holen. (Foto: STMGP)

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek will die Engpässe aus der Endlosschleife holen. (Foto: STMGP)


In Bayern will man weiterhin pragmatisch mit Lieferengpässen bei Kinderarzneimitteln umgehen. Die vor Weihnachten mit der „Taskforce Arzneimittelversorgung“ vereinbarten Regelungen sollen bis Ende Juni weitergelten, erklärte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Dazu gehört, dass die Beprobung von Rezepturen in den Apotheken durch die Überwachungsbehörden ausgesetzt bleibt.

Als die Arzneimittel-Lieferengpässe Ende 2022 durch die fehlenden Arzneimittel für Kinder ihren medialen Höhepunkt erreichten, zeigte sich Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) besonders tatkräftig. Ende November rief er die Pharma-Taskforce mit Vertreter:innen der Ärzte- und Apothekerschaft, aus Pharma-Unternehmen und Großhandel sowie den Krankenkassen ins Leben. Bis Weihnachten traf man sich dreimal und verständigte sich auf Sofortmaßnahmen, die die Engpass-Situation „punktuell etwas entspannen konnten“, wie Holetschek vor einer Woche anlässlich einer Videoschalte der Gesundheitsministerkonferenz resümierte.

Die Taskforce hatte sich unter anderem darauf verständigt, dass Ärzte und Ärztinnen bestimmte Wirkstoffe verschreiben und nicht konkrete Arzneimittel, um Apotheken die Auswahl zu erleichtern. Die Krankenkassen hatten bis zum 25. Januar auf Wirtschaftlichkeits- und Abrechnungsprüfungen bei der Abgabe bestimmter Mittel verzichtet. Die pharmazeutischen Großhändler legten vor allem über die Feiertage ein besonderes Augenmerk auf die Belieferung von Notfallapotheken und die Überwachungsbehörden hatten vorübergehend die Beprobung von Rezepturen in den Apotheken ausgesetzt. Zudem versprach man Augenmaß bei der Umsetzung der Apothekenbetriebsordnung – so sollten beispielsweise Krankenhausapotheken Arzneimittel unbürokratisch an öffentliche Apotheken abgeben können.

Am vergangenen Freitag ließ Holetschek per Pressemitteilung wissen, dass „weiterhin pragmatische Regelungen zur Bekämpfung von Engpässen bei Kinder-Arzneimitteln“ im Freistaat gelten. „Wir haben in der Zeit ab Weihnachten erreicht, dass zum Beispiel die Versorgung mit Fiebersäften stabilisiert wurde. Mit Blick auf einen möglichen Anstieg der Atemwegserkrankungen in diesem Winter haben wir jetzt in der ‚Taskforce Arzneimittelversorgung‘ vereinbart, dass bis Ende Juni weiter Erleichterungen gelten.“ Der Minister lobte die konstruktive Zusammenarbeit in der Taskforce: „Alle ziehen an einem Strang, um die Versorgung der Kleinsten weiterhin sicherzustellen.“

Kassen zahlen auch ohne neues Rezept Mehrkosten bei Rezepturen

Konkret würden beispielsweise die Krankenkassen die Mehrkosten übernehmen, wenn Apotheken wegen eines Lieferengpasses Fiebersäfte selbst herstellen müssen, ohne dass ein neues Rezept ausgestellt werden muss. Auch das Aussetzen der Beprobung von Rezepturen in den Apotheken durch die Überwachungsbehörden gilt weiter.

Holetschek hatte in den vergangenen Wochen überdies dafür plädiert, Apotheken zu ermöglichen, selbst (nicht verschreibungspflichtige) Fiebersäfte auf Vorrat ohne vorliegenden Nachweis häufiger ärztlicher Verschreibungen herzustellen. Dafür müsste allerdings das Arzneimittelgesetz geändert werden. 

Holetschek erklärte weiter: „Das langfristige Ziel unserer Taskforce ist es, Vorschläge für eine nachhaltig stabile Arzneimittelversorgung zu machen. Über die Ergebnisse werden wir bei unserem bayerischen Pharmagipfel beraten, der für dieses Frühjahr geplant ist. Wir werden unsere Vorschläge aber auch auf Bundesebene einbringen.“ Ein wiederbelebter Pharmadialog des Bundes wäre dafür aus seiner Sicht das ideale Forum. „Ich befürchte, wir sind sonst in einer Endlosschleife der Engpässe gefangen. Deshalb muss der Bundesgesundheitsminister schnellstmöglich alle Akteure an einen Tisch holen und gemeinsam Lösungen entwickeln.“

Was genau hat die Task-Force vereinbart? 

Dazu erklärt das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege:

Im Rahmen der Taskforce Arzneimittelversorgung haben sich die Beteiligten überwiegend grundsätzlich zu einem Vorgehen entsprechend der Vereinbarung des vdek mit dem Deutschen Apothekerverband bereit erklärt und wohlwollende Prüfung zugesagt. 

Voraussetzung ist danach  

  1. ein bestehender Versorgungsengpass, d. h. eine bedarfsgerechte Versorgung unter den vertraglichen Bedingungen des Arzneiversorgungsvertrages, des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V und der SARS-CoV-2-Arzneiversorgungsverordnung ist nicht möglich.
  2. Von einem Versorgungsengpass ist auszugehen,
    • wenn das Bundesministerium für Gesundheit einen Versorgungsmangel gemäß § 79 Abs. 5 AMG bekannt macht oder
    • wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von den Regelungen der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) Gebrauch gemacht hat und entsprechende Bescheide für eine Versorgung abweichend von den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes veröffentlicht hat oder
    • eine vergleichbare Situation vorliegt.

Maßgeblich sind die Erkenntnisse des Beirats nach § 52b Abs. 3b AMG.

Sofern ein Versorgungsengpass bzw. eine vergleichbare Situation vorliegt, wird überwiegend grundsätzlich Kostenübernahme zugesagt, wenn:

  1. mit Arzneimitteln oberhalb des Festbetrages versorgt wird,
  2. Versicherte mit gestatteter Ware gemäß MedBVSV versorgt werden,
  3. bei einem verordneten Fertigarzneimittel nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin eine Rezeptur abgegeben und abgerechnet wird, ohne dass eine Ausstellung einer neuen Verordnung erforderlich ist. Die Rücksprache ist durch die Apotheke auf der Verordnung zu dokumentieren bzw. im Abgabedatensatz zu erfassen und qualifiziert elektronisch zu signieren.
  4. Einzelimporte gemäß § 73 AMG ohne Vorabgenehmigung abgeben werden.

Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Lieferengpässe

von Martin Straulino am 07.02.2023 um 15:12 Uhr

Ein paar kleine Definitionen aus dem Wortschatz der Politik:
Taskforce = man erweckt den Anschein, wirklich etwas tun zu wollen. Das bedeutet noch lange nicht, dass es ein vernünftiges Ergebnis geben wird.
Eckpunktepapier: man schreibt einfach mal auf, wie man sich etwas vorstellt, auch wenn man fachlich eigentlich gar keine Ahnung davon hat und es absehbar ist, dass nichts Gutes daraus wird.
Zu den Lieferengpässen:
Einfache, schnelle, praktikable Lösungen zum Wohle der Patienten (andere Stärke oder Packungsgröße oder Darreichungsform etc. – natürlich immer mit ausführlicher und damit kostenintensiver Beratung) machen wir schon lange – i.d.R. auf eigenes Risiko, weil wir hoffen, dass unsere Begründungen auf dem Rezept „wohlwollend“ akzeptiert werden. Natürlich kann es sein, dass die Kassen noch retaxieren – noch sind uns unsere Kunden das Risiko wert. Immerhin sind es meist niedrige Rezeptwerte …
Zur den geplanten Maßnahmen: auf ein weiteres Bürokratiemonster (Erleichterung gilt nicht für alle Kassen, gilt nur bis zum Zeitpunkt XY, Paracetamol-Saft über 5.-€ wird nur bei Vollmond bezahlt … also ein unüberschaubarer Mix an angeblichen Erleichterungen) habe ich wirklich keine Lust.
Die Daten für den Mehraufwand (z.B. Sonder-PZN wenn beim GH nicht lieferbar; die Abfragen werden ja gespeichert) sind übrigens bereits vorhanden – sie müssten lediglich vergütet werden!!!
Wahrscheinlich ist es zu naiv, hier (erstmal) auf Einsicht, Vernunft und eine gerechte Entlohnung zu hoffen. ABDA quo vadis???

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 06.02.2023 um 17:20 Uhr

Bayern könnte den Apotheken auch den erhöhten Kassenabschlag ersetzen. Wie wärs? Einfach mal zeigen, dass man wirklich hinter der Vor Ort Apotheke steht.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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