Rote-Hand-Brief

Leberversagen mit Todesfolge unter Zolgensma

Stuttgart - 16.02.2023, 12:15 Uhr

Eine Behandlung mit Zolgensma ist für Betroffene und deren Bezugspersonen mit großen Hoffnungen, allerdings auch mit Risiken verbunden. (Foto: oasisamuel / Adobe Stock)

Eine Behandlung mit Zolgensma ist für Betroffene und deren Bezugspersonen mit großen Hoffnungen, allerdings auch mit Risiken verbunden. (Foto: oasisamuel / Adobe Stock)


Unter der Therapie mit Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma) sind zwei Fälle von akutem Leberversagen mit Todesfolge aufgetreten. Ein jetzt veröffentlichter Rote-Hand-Brief informiert über Sicherheitsmaßnahmen, die bei der Anwendung des Gentherapeutikums zu beachten sind.

Bei Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma®) handelt es sich um ein Gentherapeutikum, das für die Anwendung bei spinaler Muskelatrophie mit biallelischer Mutation im survival of motor neuron (SMN)-1-Gen zugelassen ist. Letztere führt zu einem fortschreitenden Verlust von Motorneuronen, der mit nachlassender Bewegungsfähigkeit bis hin zum Versagen der Atmung einhergeht. Unbehandelt ist die Lebenserwartung betroffener Kinder stark eingeschränkt.

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Für die Behandlung der Erkrankung zugelassen sind Spinraza® (Wirkstoff: Nusinersen, Antisense-Oligonukleotid-Medikament), Evrysdi® (Wirkstoff: Risdiplam, small molecule) und Zolgensma®. Während erstere beide Arzneimittel durch Eingriff in den Spleißing-Prozess dazu führen, dass mehr funktionale SMN-Proteine gebildet werden, verfolgt Zolgensma einen anderen Therapieansatz: Auf einem Adeno-assoziierten Virus-9(AAV9)-Vektor enthält das Gentherapeutikum gesunde Arbeitskopien des SMN-1-Gens, die nach der einmaligen Infusion des Therapeutikums eine Produktion des funktionstüchtigen SMN-1-Proteins ermöglichen. 

Zolgensma ist seit 2020 in der EU zugelassen. In die Schlagzeilen schaffte es das Medikament nicht zuletzt wegen seines Preises von 2 Millionen US-Dollar pro Dosis. Mittlerweile haben bereits etwa 3.000 Patient:innen das Therapeutikum erhalten.

Nebenwirkung Lebertoxizität häufig

Wenngleich innovativ, ist dieser Therapieansatz nicht nebenwirkungsfrei. Als „häufig“ werden in der Fachinformation (Stand November 2022) Thrombozytopenie, Erbrechen, Fieber und Lebertoxizität angegeben. In Bezug auf Letztere ist hierzu ausgeführt: „Nach der Anwendung von Onasemnogen-Abeparvovec wird eine Immunreaktion gegen das Kapsid des AAV9 erfolgen […]. Dies kann zu einer Erhöhung der Leberaminotransferasen, Erhöhungen der Troponin I-Spiegel oder einer Verminderung der Thrombozytenzahlen führen […]. Zur Abschwächung der Immunantwort wird eine Immunmodulation mit Kortikosteroiden empfohlen.“

Um die Lebertoxizität für die kleinen Patient:innen so gering wie möglich zu halten, sind daher begleitende Maßnahmen erforderlich: Vor Therapiebeginn sollten verschiedene Laborwerte erhoben werden, unter anderem der AAV9-Antikörperstatus und Leberenzymwerte. Eine Gabe von 1 mg Prednisolonäquivalent pro kg Körpergewicht und Tag soll 24 Stunden vor der Infusion angesetzt und über mindestens 30 Tage nach der Infusion fortgesetzt werden. Liegt dann eine normale Leberfunktion vor, kann das Steroid ausgeschlichen werden, andernfalls ist die Steroidbehandlung zu verlängern. Eine regelmäßige Kontrolle der Leberwerte ist in den ersten drei Monaten angezeigt.

Zolgensma und die Rote Hand

Bereits 2021 hatte es einen Rote-Hand-Brief zu Zolgensma gegeben. In diesem war auf das Risiko für thrombotische Mikroangiopathien hingewiesen worden. Als Sicherheitsmaßnahme wurden damals zusätzliche Laboruntersuchungen vor sowie nach der Infusion empfohlen. In dem nun aktuellen, zweiten Rote-Hand-Brief steht die Lebertoxizität im Fokus. Auslöser waren zwei Todesfälle durch akutes Leberversagen nach einer Zolgensma-Behandlung. Bei beiden betroffenen Kindern war innerhalb der ersten beiden Wochen nach der Infusion eine asymptomatische Erhöhung der Leberaminotransferasen beobachtet worden, der durch eine Erhöhung der Prednisolondosis begegnet wurde. Fünf bis sechs Wochen nach der Infusion, also ein bis zwei Wochen nach Beginn des Ausschleichens des Steroides, wiesen Erbrechen, Schwäche und ein erneuter Anstieg der Leberwerte auf eine akute Leberschädigung hin. Durch die rasche Verschlechterung der Leberfunktion kam es zu einer hepatischen Enzephalopathie und einem Multiorganversagen, das in der Woche sechs beziehungsweise sieben nach der Infusion zum Tod der vier und 28 Monate alten Kinder führte.

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Auf dieser Grundlage weist der am 16. Februar 2023 veröffentlichte Rote-Hand-Brief erneut auf die Relevanz der regelmäßigen Kontrolle der Leberfunktion hin. Diese solle während des ersten Monats und der Ausschleichphase des Kortikoids wöchentlich, danach zweiwöchentlich für insgesamt mindestens drei Monate erfolgen. Werden in diesen Untersuchungen oder durch andere Symptome Anzeichen einer Leberfunktionsstörung festgestellt, sollen die Patient:innen unverzüglich untersucht und in Absprache mit einem pädiatrischen Gastroenterologen oder Hepatologen eine Anpassung der Steroidtherapie besprochen werden. Ein Ausschleichen Letzterer darf erst erfolgen, wenn die Leberfunktionstests unauffällig sind. Patient:innen beziehungsweise deren Betreuungspersonen sollen auf das Risiko der schweren Leberschäden hingewiesen werden. Apotheker:innen können zusätzlich auch auf das Blaue-Hand-Informationsmaterial für Patient:innen hinwiesen, das im Fall von Zolgensma zur Verfügung steht.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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