Orale Therapie von Tumorerkrankungen

Arzneimittelkompetenz: Forschungsprojekt prüft Patienten-Knowhow

Düsseldorf - 02.03.2023, 17:50 Uhr

Das AMIKO-Projekt zielt konkret auf die orale Therapie von Tumorerkrankungen; von den Ergebnissen könnten jedoch auch Menschen mit anderen Erkrankungen profitieren. (Bild: losmostachos / AdobeStock)

Das AMIKO-Projekt zielt konkret auf die orale Therapie von Tumorerkrankungen; von den Ergebnissen könnten jedoch auch Menschen mit anderen Erkrankungen profitieren. (Bild: losmostachos / AdobeStock)


Forscher aus Bonn, Köln und Berlin gehen im Kooperationsprojekt AMIKO der Frage nach, wie gut Patienten mit Arzneimitteln gegen Krebserkrankungen zurechtkommen, die sie regelmäßig selber einnehmen müssen. Am Ende des Projektes soll ein Tool verfügbar sein, mit dem sich Arzneimittelkompetenz messen lässt.

Selbst das beste Arzneimittel kann nur helfen, wenn es richtig eingenommen wird – oder überhaupt genommen wird. Bei den Krebstherapeutika, die Patientinnen und Patienten selber einnehmen müssen, gilt das ganz besonders. Verunsicherungen und diffuse Ängste, beispielsweise vor unerwünschten Wirkungen, können zu einer schlechten Adhärenz führen und damit den Erfolg der Therapie massiv gefährden. Hier gilt es, die Arzneimittelkompetenz der betroffenen Patienten zu fördern.

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Ein für die kommenden drei Jahre neu aufgelegtes und mit 330.000 Euro durch die Deutsche Krebshilfe gefördertes Forschungsprojekt der Universitäten Bonn und Köln gemeinsam mit dem Medizinischen Versorgungszentrum am Oskar-Helene-Heim in Berlin soll nun der Frage nachgehen, wie Patientinnen und Patienten mit den zahlreichen Informationen über Arzneimittel, die sie nehmen müssen, zurechtkommen. Ganz konkret geht es dabei um die orale Therapie von Tumorerkrankungen. Das Projekt trägt daher den Namen „AMIKO“, was für „Arzneimittelkompetenz bei Patientinnen und Patienten mit oraler Tumortherapie“ steht.

Vielzahl von Herausforderungen für Betroffene

Besonders zu Beginn der Therapie stünden die Betroffenen vor einer Vielzahl von Herausforderungen, schreiben die Forscher. Verschiedene Informationen zur Einnahme, zu Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der Arzneimittel seien etwa zu beachten. Die Forschenden wollen dabei Fragen klären wie „Wie gut können die Erkrankten diese Informationsflut bewältigen? Und auf welche Verständnisprobleme müssen die Behandelnden besonders eingehen?“.

Zunächst geht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Leitung von Professor Dr. Ulrich Jaehde vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn dabei um die Messung der Arzneimittelkompetenz: „Das AMIKO-Projekt fokussiert sich in erster Linie auf die Entwicklung eines Fragebogens zur Messung von Arzneimittelkompetenz. Die Erarbeitung weiterer praktischer Anwendungen könnte sich an dieses Projekt anschließen oder bereits in einer späteren Projektphase aufgegriffen werden“, sagt Jaehde. Als Arzneimittelkompetenz verstehen die Forschenden dabei die Fähigkeit, „Informationen über Arzneimittel zu verstehen und auf dieser Grundlage informierte Entscheidungen im Alltag zu treffen“. 

Apothekerinnen und Apotheker am Projekt beteiligt

Bei der Entwicklung des Fragebogens setzt der Pharmazeut auch auf die Kompetenz von Apothekerinnen und Apothekern: „Apothekerinnen und Apotheker spielen in unserem Projekt eine wichtige Rolle. So sind sie nicht nur im Projektteam vertreten, sondern unterstützen uns auch als Expertinnen und Experten bei der Erstellung und Formulierung der einzelnen Fragen.“

Später könne der Fragebogen neben anderen Berufsgruppen auch von Apothekerinnen und Apothekern verwendet werden, um einzuschätzen, wie leicht es dem Betroffenen fällt, mit Arzneimittelinformationen umzugehen. „So gehen einige der bisher entwickelten Fragen spezifisch auf die Apotheke ein. Sobald der Fragebogen validiert ist, könnte man damit zum Beispiel den Effekt einer erweiterten Medikationsberatung in der Apotheke auf die Arzneimittelkompetenz der Patientinnen und Patienten untersuchen“, sagt der Forscher.

Bei der Erstellung des Fragebogens, der später als Messinstrument für Arzneimittelkompetenz fungieren soll, sei es außerdem wichtig, verschiedene Blickwinkel zu berücksichtigen, meinen die Forschenden. „Wir planen daher auch dreißig Interviews mit Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen“, sagt Jaehde. So will man sowohl Behandelnde als auch Behandelte zu Wort kommen lassen. „Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass die Arzneimittelkompetenz nicht nur von den Patientinnen und Patienten selbst, sondern auch von deren Umgebung abhängig ist“, sagt die am Projekt beteiligte Versorgungsforscherin Professorin Dr. Nicole Ernstmann vom Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) an der Universität zu Köln. In den Interviews geht es daher auch um die Beziehung der Patientinnen und Patienten zu ihren Behandelnden.

Einflussfaktoren wie Selbsthilfegruppen und Co. mitberücksichtigt

„Wir werden in unserem Projekt auch ausgewählte Einflussfaktoren auf die Arzneimittelkompetenz näher beleuchten. So untersuchen wir beispielsweise, welchen Effekt die Mitgliedschaft in einer Selbsthilfeorganisation und der Besuch von Pflegesprechstunden auf die Arzneimittelkompetenz von Patientinnen und Patienten mit einer oralen Tumortherapie hat“, sagt Jaehde.

Zwar fokussiert sich das Projekt konkret auf die orale Therapie von Tumorerkrankungen, Jaehde schließt aber nicht aus, dass sich die Ergebnisse grundsätzlich generalisieren lassen könnten. „Inwiefern sich diese Ergebnisse auf die Arzneimittelkompetenz anderer Patientengruppen beziehungsweise der breiten Bevölkerung übertragen lassen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. So stehen Patienten mit einer oralen Tumortherapie oft vor besonderen Herausforderungen, die sich nicht immer auf andere Patientengruppen übertragen lassen“, sagt er.

Studie mit 300 Teilnehmenden zur Validierung des Fragebogens

Um den vorläufigen Fragebogen zu validieren, soll er anschließend in einer Studie mit dreihundert Teilnehmenden aus verschiedenen onkologischen Praxen analysiert werden. „Ziel dieser Patientenbefragung ist es, alle Punkte des Fragebogens noch einmal kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen“, sagt der am Projekt ebenfalls beteiligte Onkologe Privatdozent Dr. Markus Schuler vom Medizinischen Versorgungszentrum am Oskar-Helene-Heim in Berlin.

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Außerdem solle mithilfe des Fragebogens der Einfluss der Arzneimittelkompetenz auf andere therapierelevante Parameter untersucht werden, wie etwa die Therapietreue, sagt Schuler. 

„Interessant wären vor allem Studien zum Zusammenhang zwischen Arzneimittelkompetenz und Adhärenz. Man könnte vermuten, dass eine niedrige Arzneimittelkompetenz mit einer geringeren Adhärenz assoziiert ist. Studien zu diesem Thema gibt es vor allem aus den USA und China. Die Ergebnisse zeigen jedoch noch kein einheitliches Bild. Hier besteht also noch großer Forschungsbedarf, auch und vor allem in Deutschland“, sagt Jaehde über künftige weitere Forschung dazu.

Am Ende des dreijährigen AMIKO-Projekts soll der Fragebogen als nutzbares Instrument schließlich helfen, Erkrankte zu erkennen, die besonders von zusätzlichen Beratungs- und Informationsangeboten zu ihren Arzneimitteln profitieren würden, erklären die Forschenden.


Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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