„Shorter is better“

Kürzere Antibiose verringert Resistenzgefahr

Berlin - 18.04.2023, 17:50 Uhr

Wie lange sollten Antibiotika gegeben werden, damit möglichst keine resistenten „Superbugs“ entstehen? (Foto; borzywoj / AdobeStock)

Wie lange sollten Antibiotika gegeben werden, damit möglichst keine resistenten „Superbugs“ entstehen? (Foto; borzywoj / AdobeStock)


Die Anwendung von Antibiotika ist immer mit der Gefahr verbunden, dass sich früher oder später Resistenzen entwickeln. Um dieses Risiko zu verringern, waren Infektiologen bislang der Überzeugung, dass eine ausreichend lange Behandlung notwendig sei – selbst wenn die Symptome des Patienten bereits abgeklungen sind. Auch die WHO propagiert derzeit diese Regel. Doch mittlerweile vertreten viele Wissenschaftler die Meinung „shorter is better“, und dieser Ansatz wird inzwischen auch durch zahlreiche Studien unterstützt.

In einer 2016 im Fachjournal „JAMA Internal Medicine“ erschienenen Publikation wies Brad Spellberg von der University of Southern California (USA) darauf hin, dass es keine Evidenz für ein geringeres Resistenzrisiko gibt, wenn die Antibiotika-Behandlung nach dem Abklingen der Symptome fortgeführt wird [1]. Ein Jahr später sprach sich auch eine Gruppe von Infektiologen um Martin Llewelyn von der Brighton and Sussex Medical School (UK) im „British Medical Journal“ dafür aus, die Empfehlungen zur Dauer der Antibiotikatherapie dringend zu überarbeiten. Antibiotika sollten nicht nach einem Standardschema (z. B. über sieben oder 14 Tage), sondern nur so lange verabreicht werden, bis es dem Patienten wieder besser geht und sein Immunsystem die noch vorhandenen Krankheitserreger selbst bekämpfen kann. Das Problem dabei war: Es gab zu dieser Zeit nicht genug Studien, die bei verschiedenen Indikationen eine kürzere Behandlungsdauer mit dem Standardschema verglichen hatten [2].

Bessere Studienlage

Inzwischen hat sich die Studienlage deutlich verbessert. Auf dem 33. European Congress of Clinical Microbiology & Infectious Diseases (ECCMID), der derzeit (15.-18.4.) in Kopenhagen stattfindet, griff John D. Turnidge von der University of Adelaide (Australien) in einem Vortrag dieses Thema erneut auf. Er berichtete, dass mittlerweile mehr als 120 randomisierte kontrollierte Studien in 17 infektiologischen Indikationen gezeigt haben, dass kürzere Therapien längeren Behandlungen nicht unterlegen sind. 

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Weitere Vorteile: die Antibiotika-Nebenwirkungen reduzieren sich und der Resistenzdruck nimmt ab. Natürlich gebe es auch Studien, in denen sich eine Verkürzung der Behandlungsdauer als nicht sinnvoll erwiesen habe, zum Beispiel bei Otitis media bei Kindern unter zwei Jahren oder bei Gelenkprothesen-Infektionen. Auch eine Tuberkulose muss nach wie vor sehr lange behandelt werden, da sich die Erreger langsam vermehren und außerdem über lange Zeiträume in einem nicht-replikativen Zustand verharren.

Überführung in die Praxis

Doch wie können die neuen Erkenntnisse in die Praxis überführt werden? „Es ist schwierig, Ärzte dazu zu bewegen, keine Antibiotika zu verschreiben. Es könnte aber leichter sein sie davon zu überzeugen, den Behandlungszeitraum zu verkürzen“, sagte Turnidge. Der Mythos, dass kürzere Antibiosen zu mehr Resistenzen führen, müsse verschwinden, denn das Gegenteil sei der Fall. Und vielleicht werde es eines Tages in der Antibiotikatherapie sogar den neuen, evidenzbasierten Grundsatz „shortest is best” geben, schloss Turnidge.

 

Quellen:

1. Spellberg B The new antibiotic mantra - “shorter is better”. JAMA Intern Med. 2016;176:1254–1255

2. Llewelyn MJ et al. The antibiotic course has had its day. BMJ 2017;358:j3418


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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