Uneinigkeit um Studien zum Nutzennachweis

Brustkrebs-App aktuell nicht mehr als DiGa gelistet

Stuttgart - 26.05.2023, 09:15 Uhr

Die App Cankado Pro-React Onco soll Patient:innen mit Brustkrebs unterstützen. Aktuell ist sie nicht mehr erstattungsfähig. (Foto: AdobeStock / Enrique Micaelo)

Die App Cankado Pro-React Onco soll Patient:innen mit Brustkrebs unterstützen. Aktuell ist sie nicht mehr erstattungsfähig. (Foto: AdobeStock / Enrique Micaelo)


2021 wurde die App Cankado Pro-React Onco zur therapiebegleitenden Anwendung bei Brustkrebs vorläufig in das DiGa-Verzeichnis aufgenommen. Am 21. April wurde sie aus selbigem nun gestrichen, da der Nutzen in der Erprobungsstudie nicht gezeigt wurde. Anbieter Cankado plant aber bereits einen neuen Antrag auf Basis einer bereits zuvor gestarteten Studie.

Seit Herbst 2020 sind digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) im Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgelistet. Seitdem gab es hier viel Bewegung: Zahlreiche Apps wurden neu aufgenommen, es mussten sich aber auch einige Anwendungen wieder aus dem Verzeichnis verabschieden.

Da die vorübergehende Aufnahme auf zwölf bis maximal 24 Monate befristet ist, war damit zu rechnen, dass weitere Streichungen folgen werden. Nun hat es mit „Cankado PRO-React Onco“ eine Anwendung für den Indikationsbereich Brustkrebs erwischt.

Wie kommt die App ins DiGA-Verzeichnis?

Um in das DiGA-Verzeichnis zu gelangen, müssen die jeweiligen Apps als Medizinprodukt zertifiziert sein und dadurch ihre Sicherheit und Funktionstauglichkeit nachweisen. Ferner müssen Qualität, Datenschutz und Informationssicherheit belegt und ein positiver Effekt auf die Patientenversorgung nachgewiesen werden.

Liegt dieser Nutzennachweis bei der Antragstellung noch nicht vor, können die Anwendungen auch „vorläufig“ in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen werden. In der dann folgenden Erprobungsphase von maximal zwei × zwölf Monaten muss der Nutzennachweis (in Form von Studien) erbracht werden. Gelingt dies, erfolgt die dauerhafte Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis. Wird der Nachweis hingegen nicht erbracht, werden die Anwendungen wieder aus dem Verzeichnis gestrichen.

App unterstützt beim Nebenwirkungsmanagement

Cankado Pro-React Onco soll dabei helfen, die während der Brustkrebs-Therapie auftretenden Beschwerden zu erfassen und individuell abzuwägen, wie dringend eine ärztliche Rücksprache ist. Dazu umfasst die Anwendung insgesamt 91 Fragen – davon 89 Symptomfragen, die geschlechtsspezifisch ausgewählt werden. Gleichzeitig soll die regelmäßige Erfassung des Gesundheitszustands dazu beitragen, dass das betreuende Fachpersonal sich besser auf den jeweiligen Patienten sowie seine Situation einstellen kann.

Gut zu wissen: Datenschutzlücken entdeckt

Im Juni 2022 machte Cankado Pro-React Onco Schlagzeilen, als das Handelsblatt über Datenschutzlücken bei DiGA berichtete. Ein wesentliches Manko dabei war, dass zum Zeitpunkt der Tests die Anwendung keine Zweifaktor-Authentifizierung aufwies. Zudem war es Sicherheitsexperten gelungen, auf Tagebuchdaten, Diagnosen sowie Arztberichte zuzugreifen.

Nutzen nicht nachgewiesen?

Als Begründung für die Streichung aus dem DiGA-Verzeichnis ist auf der BfArM-Website zu lesen, dass für Cankado Pro-React Onco „kein positiver Versorgungseffekt nachgewiesen werden“ konnte.

Der Anbieter Cankado selbst führt auf seiner Website hingegen aus, dass das BfArM die Anwendung „aus rein formalen Gründen“ vorerst aus dem DiGA-Verzeichnis gestrichen habe. Man könne die positiven Versorgungseffekte mit einer anderen als der im Antrag genannten Studie „ohne Weiteres darlegen und beweisen“, doch lehne das BfArM die Betrachtung dieser Studienergebnisse ab.

Welche Studie zählt?

Wie das Unternehmen weiter erklärt, ging man zunächst davon aus, dass die im Jahr 2017 gestartete ursprüngliche Studie „PreCycle“ nicht rechtzeitig abgeschlossen werden könne. 2021 wurde deshalb als Erprobungsstudie stattdessen die „AIPEC“-Studie („About the Impact on Patient-Empowerment through Cankado PRO-React Onco“) beim BfArM eingereicht.

Allerdings konnte die PreCycle-Studie offenbar doch zum Abschluss gebracht werden, was das Unternehmen dazu bewog, den positiven Versorgungseffekt letztlich anhand dieser Studie nachweisen zu wollen:


In unserem Antrag auf endgültige Aufnahme von PRO-React Onco in das DiGA-Verzeichnis im Jahr 2023 entschieden wir uns, aufgrund der sehr guten Ergebnisse, den positiven Versorgungseffekt auf Basis der finalen Ergebnisse der PreCycle-Studie einzureichen.

Stellungnahme von Cankado 


Doch das BfArM bestand darauf, dass die positiven Versorgungseffekte nur aus der 2021 eingereichten AIPEC-Studie abgeleitet werden dürfen – was dem Unternehmen scheinbar nicht gelang. Ob die AIPEC-Studie dabei rechtzeitig abgeschlossen werden konnte bzw. zu welchen Ergebnissen sie kam, ist weder aus der Website des Anbieters noch dem DiGA-Verzeichnis ersichtlich.

Neuer Antrag erwartet

Cankado kündigt auf seiner Website an, auf Basis der PreCycle-Studie einen neuen Antrag vornehmen zu wollen. Vorübergehend werde „PRO-React Onco bis Ende Juli gebührenfrei zur Verfügung“ gestellt. Mit dem Aktivierungscode „ASCO23“ könne in dieser Zeit jeder Arzt bis zu 100 seiner Patienten die Anwendung dauerhaft anbieten.

Wie das BfArM mit dem neuen Antrag umgehen wird und ob die PreCycle-Studie die Behörde überzeugen kann, bleibt abzuwarten.


Nadine Sprecher, Apothekerin, Redakteurin PTAheute.de
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.