Erste klinische Ergebnisse aus Phase-I/IIa-Studie

Kann Ropinirol ALS bremsen?

Stuttgart - 05.06.2023, 12:15 Uhr

Bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) kommt es im Verlauf zu Muskelschwund und Funktionseinschränkungen. (Foto: herraez/AdobeStock)

Bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) kommt es im Verlauf zu Muskelschwund und Funktionseinschränkungen. (Foto: herraez/AdobeStock)


Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) kann bisher nur begrenzt behandelt werden – neue Therapieoptionen werden also dringend benötigt. Japanische Forscher haben nun in einer Phase-I/IIa-Studie untersucht, wie sich der bei Parkinson eingesetzte Wirkstoff Ropinirol gegen ALS schlägt. Erste Ergebnisse liegen jetzt vor, doch Experten betonen, es sei noch zu früh, um die Wirksamkeit zu bewerten.

Die chronisch, fortschreitende Motoneuronerkrankung amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist je nach Verlaufsform und Erkrankungsdauer unter anderem gekennzeichnet durch Muskelschwäche, -schwund, -zuckungen, Sprech- und Schluckstörungen und/oder Atemschwierigkeiten. In seltenen Fällen ist die Erkrankung familiär bedingt, am häufigsten tritt sie sporadisch, also ohne erkennbare Ursache auf. 

Es existieren bereits zugelassene ALS-Therapeutika, deren Wirkung allerdings begrenzt ist. An neuen Therapieoptionen wird geforscht. Dabei kommen auch bereits zugelassene Wirkstoffe aus anderen Indikationsgebieten infrage (drug repurposing). So auch in der aktuellen japanischen Studie, in der das Parkinson-Therapeutikum Ropinirol bei Patienten mit sporadischer ALS untersucht wurde. Der Wirkstoff war mithilfe von Versuchen an induzierten pluripotenten Stammzellen als potenzieller Therapiekandidat identifiziert worden.   

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Über eine 24-wöchige doppelblinde Phase erhielten 20 ALS-Patienten entweder Ropinirol (n = 13) oder Placebo (n = 7). In dieser Phase konnten zwar die Muskelkraft und tägliche Aktivität erhalten werden, dennoch verschlechterte sich in beiden Gruppen gleichermaßen der funktionelle Status der Patienten, gemessen an der Revised Amyotrophic Lateral Sclerosis Functional Rating Scale 
(ALSFRS-R). 

An diese Phase schloss sich eine offene Verlängerungsphase von vier bis 24 Wochen an, in der alle Teilnehmer Ropinirol erhielten. Erst nach beiden Phasen wurde sichtbar, dass sich die Verschlechterung des ALSFRS-R-Scores durch Ropinirol bremsen ließ: Über den gesamten Studienzeitraum nahm er um -7,64 bei den Patienten ab, die während der gesamten Studiendauer Ropinirol erhalten hatten, im Vergleich zu -17,51 bei den Patienten, die erst mit Placebo und dann mit Ropinirol behandelt wurden. Ropinirol verlangsamte die Rate des funktionellen Verfalls um 21 bis 60 Prozent. Patienten in der Verumgruppe erlebten ein um 27,9 Wochen verlängertes progressionsfreies Überleben.

Vor allem gastrointestinale Nebenwirkungen unter Ropinirol

Primärer Endpunkt war eine Sicherheitsanalyse mit Fokus auf die Nebenwirkungen. Bei zwölf von 13 Teilnehmern (92,3 Prozent) in der Verum- und sechs von sieben Teilnehmern in der Placebogruppe (85,7 Prozent) trat mindestens eine Nebenwirkung auf. Gastrointestinale Beschwerden kamen unter Ropinirol häufiger vor (76,9 Prozent) als unter Placebo (14,3 Prozent). Ein Patient der Placebogruppe verstarb an seiner fortschreitenden Erkrankung.

Das sagen Experten zu Ropinirol gegen ALS

Das Science Media Center hat Experten um ihre Einschätzung der Studienergebnisse gebeten. Prof. Dr. Markus Weber, Leiter des Muskelzentrums/ALS Clinic, Kantonsspital St. Gallen und Professor für Neurologie, Universität Basel, merkte an, dass es noch viel zu früh sei, um auf eine Wirksamkeit von Ropinirol bei der Behandlung von ALS zu schließen. Es gebe zahlreiche Beispiele mit positiven Phase-II-Studien, wie etwa Dexpramipexol und Edaravon, die sich dann in Phase-III-Studien nicht bestätigen ließen.

Dieser Meinung ist auch Prof. Dr. Paul Lingor, Oberarzt der Klinik für Neurologie, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM), und Leiter der Spezialambulanz für Motoneuron- und Parkinsonerkrankungen. Die Limitationen der Studie erläuterte er wie folgt: „Die geringe Anzahl der Probanden ist in keiner Weise aussagekräftig. Auch wurden viele Probanden im Verlauf der Studie ausgeschlossen und die Krankheitsdauer in beiden Gruppen unterschied sich bereits zu Beginn der Studie. Bei einer ausgeglichenen Allokation und größeren Patientenzahlen könnte das Fazit schon wieder ganz anders aussehen. Um eine Aussage treffen zu können – der primäre Endpunkt in dieser Studie ist ja erst einmal die Sicherheit und Verträglichkeit – bedarf es deutlich mehr Probanden.“

Auch die Studienautoren sind sich der Limitationen ihrer Studie und der Notwendigkeit weiterer Untersuchungen bewusst.


Desiree Aberle, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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