Kurzinterview mit der neuen BVVA-Vorsitzenden Heike Gnekow

„Wer glaubt, dass alles so bleiben kann, wie es ist, verschließt die Augen“

Berlin - 26.06.2023, 07:00 Uhr

Heike Gnekow hier beim Vortrag auf der Heimversorgung KOMPAKT. (Foto: Moritz Hahn)

Heike Gnekow hier beim Vortrag auf der Heimversorgung KOMPAKT. (Foto: Moritz Hahn)


Gibt es den „richtigen“ Zeitpunkt für ein Ehrenamt? Und braucht es alternative Betriebsformen für Apotheken, um die Nachwuchsprobleme der Apothekerschaft zu lösen? Was sie darüber denkt, ließ Apothekeninhaberin und 1. Vorsitzende des Bundesverbands der Versorgungsapotheker Heike Gnekow die DAZ im Interview wissen. 

Heike Gnekow betreibt in Hamburg zusammen mit ihrem Vater Holger Gnekow die Privilegierte Adler Apotheke als OHG. Die Apotheke blickt auf eine lange Familientradition zurück – und ist zugleich hochmodern aufgestellt. Ihr Spezialgebiet ist die Heimversorgung mitsamt Verblisterung. Im Mai wurde Heike Gnekow zur neuen 1. Vorsitzenden des Bundesverbands der Versorgungsapotheker (BVVA) gewählt – sie löste Klaus Peterseim ab, der dem Verband 20 Jahre lang vorstand. Die DAZ sprach mit Heike Gnekow über ihre Motivation, ihre Ziele – und darüber, warum der BVVA die Diskussion über eine „Apotheken GmbH“ gestartet hat.

DAZ: Frau Gnekow, seit Mai sind Sie die neue Vorsitzende des BVVA. Was motivierte Sie, dieses Amt zu übernehmen?

Gnekow: Ich komme aus einer Apotheke mit einer großen Heimversorgung und wir sind schon seit mehreren Jahren im BVVA Mitglied. Vor fünf Jahren bin ich in den Beirat berufen worden – und dort hat mir die Arbeit von Anfang an sehr viel Spaß gemacht. Mir gefällt die effiziente Arbeit des Verbandes mit seiner Geschäftsstelle und seinen externen Beratern. Bei vielen Gesetzesvorhaben konnten unsere Anliegen platziert werden. Denn nicht immer hat die ABDA die Anliegen der Spezialversorger im Blick. Da ist es unsere Aufgabe, Akzente zu setzen – und das gelingt auch oft. Zuletzt konnten wir beispielsweise beim Entwurf für das ALBVVG (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz) eine Entschärfung bei den Bevorratungspflichten für krankenhausversorgende Apotheken erreichen.

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Die Apotheken-GmbH als neue Gesellschaftsform?

Den „richtigen“ Zeitpunkt für ein Ehrenamt gibt es vermutlich nie – doch die Themen, die der BVVA bearbeitet, liegen mir einfach am Herzen und ich arbeite sehr gern mit meinen Kollegen im Verband zusammen. Daher habe ich mich entschieden, mich für das Amt zur Wahl zu stellen. Auch wenn ich jetzt der „Kopf“ des BVVA bin: Wir haben im Vorstand unsere Aufgabengebiete klar aufgeteilt, denn ich kenne mich zwar in der Heimversorgung aus, bin aber nicht die Expertin für alle Spezialversorgungsbereiche.

Was sind für Sie die nächsten wichtigsten Ziele in der Verbandsarbeit?

Aus meiner Sicht als Heimversorgerin müssen wir jetzt Wegbereiter für die pharmazeutischen Dienstleistungen in den Heimen sein. Zudem haben verblisternde Heimversorger noch ein riesiges Problem mit der Chargenübermittlung beim E-Rezept. Was hier derzeit gefordert wird, können wir nicht leisten. Sollten Apotheken nun aus Unsicherheit das Verblistern aufgeben, wird das in meinen Augen die Patientenversorgung in Heimen gefährden. Dafür brauchen wir eine Lösung. Und ein weiteres großes Ziel ist natürlich die Abschaffung von Nullretaxationen. Es kann einfach nicht sein, dass man für eine Leistung, die man definitiv erbracht hat, gar nicht bezahlt wird. In einigen Fällen werden Nullretaxationen durch das ALBVVG nun ausgeschlossen. Das kann aber nur ein Anfang sein. Die Risiken, die mit der Belieferung von hochpreisigen Arzneimitteln einhergehen, sind nicht mehr überschaubar. Das ist ein Problem.

Stichwort „überschaubare Risiken“ – das ist auch der Ansatz für die vom BVVA angestoßene Diskussion über eine Apotheken-GmbH. Dieser Vorstoß löst bei vielen Befürchtungen aus. Warum unternehmen Sie ihn dennoch?

Unsere Motivation ist nicht, das Apothekenwesen zu revolutionieren. An den Grundpfeilern des Apothekenrechts, wie dem Fremd- und Mehrbesitzverbot und der persönlichen Leitung durch einen Apotheker oder eine Apothekerin wollen wir nicht rütteln. Aber wir machen uns Gedanken über die Apotheke der Zukunft und möchten dazu eine Diskussion im Berufsstand anstoßen – für eine zusätzliche Betriebsform neben dem e. K und der OHG.  Denn wir glauben, dass das System so auf Dauer nicht mehr funktionieren wird. Als das Apothekengesetz geschaffen wurde, waren die pharmazeutischen Aufgaben noch sehr viel überschaubarer und die Betriebe viel kleiner. Jetzt gibt es ständig neue Entwicklungen und zugleich steigende Risiken. Eine Apotheken-GmbH, in der Form, wie Frau Dr. Constanze Püschel sie bei der BVVA-Jahrestagung im Mai vorgestellt hat, könnte eine Antwort auf unsere Nachwuchssorgen sein. Momentan gibt es für Approbierte nur ein Alles-oder-Nichts-Szenario: Wenn man sich selbstständig machen möchte, hat man von heute auf morgen 100 Prozent Verantwortung. Da hilft auch die Möglichkeit einer OHG nicht. Auch wenn man hier einen kleineren Anteil an der Apotheke besitzt, bleibt es beim vollen Risiko. In einer GmbH-Struktur könnte man dagegen langsam in die Verantwortung hineinwachsen. So könnte man etwa anfangen, Filialleiterinnen oder Abteilungsleiter mit kleinen Anteilen von fünf oder zehn Prozent mit an Bord zu nehmen. Auch in ländlichen Bereichen könnten solche GmbH-Konstrukte helfen, die Strukturen zu erhalten. Nur weil wir sagen, das Thema ist uns zu heikel und wir wollen die „Büchse der Pandora“ nicht öffnen, hören andere Player doch nicht auf, darüber zu reden. Ich bin überzeugt: Wer glaubt, dass alles so bleiben kann, wie es ist, verschließt die Augen. Es muss sich etwas verändern. Und wir haben jetzt die Möglichkeit, die Diskussion selbst zu gestalten.

Vielen Dank für das Gespräch!


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

GmbH auch politisch interessant

von Rainer W. am 28.06.2023 um 15:18 Uhr

Wenn in der GmbH das Inhabergehalt vor der Berechnung des Gewinns abgezogen wird sieht man, wie es um die Apotheken tatsächlich gestellt ist. Wenn dann 40% eine schwarze Null oder schlechter auf dem Papier haben hat die hetzerische Berichterstattung gegen Apothekeninhaber die mehr verdienen als ein Angestelltengehalt vielleicht ein Ende.

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