Hyperhidrose

So ein Schweiß!

Stuttgart - 30.06.2023, 10:45 Uhr

Bei der primären Hyperhidrose sind insbesondere die Handflächen, Fußsohlen, Kopf und/oder Achseln betroffen. (Foto: leungchopan / AdobeStock)

Bei der primären Hyperhidrose sind insbesondere die Handflächen, Fußsohlen, Kopf und/oder Achseln betroffen. (Foto: leungchopan / AdobeStock)


Auch wenn er oft als lästig empfunden wird: Schweiß ist ein Bestandteil der menschlichen Thermoregulation und hat somit eine wichtige physiologische Funktion. Wird er hingegen im Übermaß gebildet, ist dies sehr belastend für die Betroffenen. Der erste Therapieversuch bei der Hyperhidrose wird in der Regel mit topischen Arzneimitteln unternommen. Welche stehen hier zur Verfügung und was ist zu beachten?

Die aktuell sommerlichen Temperaturen lassen es uns regelmäßig am eigenen Körper erfahren: Wird es warm, beginnen die kleinen Schweißdrüsen mit der Schweißproduktion, um den Körper mittels Verdunstungskälte vor dem Überhitzen zu schützen. Gesteuert wird der Prozess vegetativ über den Sympathikus.

Schweißdrüsen – wo der Schweiß herkommt

Am menschlichen Körper gibt es zwei Arten von Schweißdrüsen. Die kleinen, cholinerg innervierten Schweißdrüsen (auch merokrine Schweißdrüsen genannt) sind über die gesamte Körperoberfläche verteilt und dienen der Thermoregulation. Die großen, adrenerg innervierten Schweißdrüsen (auch apokrine Schweißdrüsen) werden erst während der Pubertät aktiv. Sie sitzen beispielsweise in den Achselhöhlen und bestimmen den Körpergeruch [1].

Bilden die kleinen Schweißdrüsen mehr Schweiß als zur Thermoregulation erforderlich ist, spricht man von einer Hyperhidrose. Da die physiologisch erforderliche Schweißmenge von zahlreichen Faktoren abhängig ist (Temperatur, körperliche Aktivität, Größe, …) genügt eine Messung der produzierten Schweißmenge als alleiniges Kriterium für die Diagnosestellung nicht. Wichtig ist auch, ob und wie stark die Lebensqualität durch das übermäßige Schwitzen beeinträchtigt ist [2].

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In einigen Fällen kann die übermäßige Schweißproduktion einer Grunderkrankung zugeordnet werden, es liegt dann eine sogenannte sekundäre Hyperhidrose vor. Hierzu gehören beispielsweise Diabetes mellitus und Parkinson. Auch im Rahmen des Eintritts in die Menopause, kann es zur Hyperhidrose kommen. Weiterhin sollten Drogen und Medikamente als mögliche Auslöser einer sekundären Hyperhidrose beachtet werden. So ist die Nebenwirkung Hyperhidrose etwa bei Antidepressiva (SSRI, SNRI) und Parasympathomimetika beschrieben worden. 

Während die sekundäre Hyperhidrose den ganzen Körper betreffen kann (generalisiert), zeigt die primäre Hyperhidrose in der Regel eine lokal begrenzte (fokale) Ausprägung. Bei dieser Form, der kein ersichtlicher Auslöser zugrunde liegt, sind am häufigsten Achseln, Handflächen, Fußsohlen und der Kopf betroffen [3].

Therapie der primären Hyperhidrose

Während bei der sekundären Hyperhidrose die Behandlung der Grunderkrankung bzw. die Beseitigung des Auslösers im Vordergrund steht, richtet sich die Behandlung der primären Hyperhidrose nach der Lokalisation und dem Schweregrad der Erkrankung. Die derzeit in der Überarbeitung befindliche S1-Leitlinie Hyperhidrose aus dem Jahr 2017 nennt verschiedene Therapieoptionen, darunter:

  • Injektionstherapie mit Botulinumtoxin A: Hierbei blockiert das Nervengift die sympathischen Fasern, die die Schweißdrüsen innervieren.
  • Behandlung mit Radiofrequenz, Mikrowellen oder Ultraschall: Hierbei kommt es zu einer thermischen Schädigung der Schweißdrüsen.
  • Leitungswasseriontophorese: Der Wirkmechanismus der Gleichstrombehandlung ist noch nicht geklärt.
  • Chirurgische Verfahren: Etwa die Entfernung von Schweißdrüsen oder das Durchtrennen einzelner Sympathikus-Ganglien.
  • Systemische Arzneimittelgabe: Etwa von Anticholinergika wie Methantheliniumbromid [2].

Begonnen wird jedoch in der Regel mit einer topischen Behandlung, die dann eskaliert oder mit anderen Verfahren kombiniert werden kann. Etabliert ist hier die Anwendung von Aluminiumsalzen, die die Schweißdrüsen verschließen [2]. Weiterhin lokal einsetzbar ist Methenamin (Antihydral®), welches in Kontakt mit saurem Schweiß Formaldehyd freisetzt. Letzteres fällt die im Schweiß enthaltenen Proteine aus und verstopft so die Schweißdrüsen [4]. Erwähnung in der Leitlinie von 2017 findet das 1996 zugelassene Präparat nicht. Seit 2022 ist mit Axhidrox® (Wirkstoff Glycopyrroniumbromid) auch ein topisches Anticholinergikum auf dem Markt, allerdings umfasst die Zulassung ausschließlich die Anwendung in der Achselhöhle [5]. Forschung gibt es auch zur topischen Anwendung anderer Anticholinergika wie Sofpironium oder Oxybutynin [6], zugelassene Präparate gibt es in Deutschland jedoch derzeit nicht. Ein weiterer Ansatz aus der Forschung ist die topische Anwendung von Botulinumneurotoxin, beispielsweise in Form von Liposomen [7].

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Bei der Abgabe von zugelassenen topischen Therapeutika gegen die Hyperhidrose, können Apothekenteams den Kund:innen folgende Hinweise mitgeben: Solange keine nächtliche Hyperhidrose vorliegt, empfiehlt es sich, das Topikum abends aufzutragen, damit es möglichst lange auf der Haut verbleibt. Bis zum Wirkeintritt kann es je nach Präparat einige Tage dauern – es ist also Geduld gefragt. Und zu guter Letzt sollten die Patient:innen die behandelten Hautareale im Blick behalten, um mögliche Hautreizungen oder Unverträglichkeiten frühzeitig zu erkennen.

Hypo- oder Anhidrose – zu wenig statt zu viel

Ebenso wie vermehrtes Schwitzen kann auch vermindertes (Hypohidrose) oder fehlendes Schwitzen (Anhidrose) einen Krankheitswert haben. Als Ursachen kommen beispielsweise Schäden an den Schweißdrüsen oder am Sympathikus infrage. Auch im Rahmen von Hautalterungsprozessen kann es zu einer Abnahme der Schweißmenge kommen. Patient:innen mit Hypo- oder Anhidrose laufen an heißen Tagen Gefahr, Fieber zu erleiden oder einen Hitzeschlag zu bekommen.

Literatur

[1] Hodge BD, Sanvictores T, Brodell RT. Anatomy, Skin Sweat Glands. StatPearls. Stand: 10. Oktober 2022. www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK482278/

[2] Rzany B, Bechara FG, Feise K et al. S1-Leitlinie 013-079: Definition und Therapie der primären Hyperhidrose. Stand 11/2017. register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-059

[3] McConaghy JR, Fosselman D. Hyperhidrosis: Management Options. Am Fam Physician 2018;97(11):729-734

[4] Kahle C. Methenamin. Gelbe Liste Stand 29.06.2016. www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Methenamin_288

[5] Winterhagen I. Gegen das Schwitzen. DAZ 2022, Nr. 30, S. 24, 28.07.2022

[6] Henning MAS, Bouazzi D, Jemec GBE. Treatment of Hyperhidrosis: An Update. Am J Clin Dermatol 2022;23:635–646 doi.org/10.1007/s40257-022-00707-x

[7] Lueangarun S, Sermsilp C, Tempark T. Topical Botulinum Toxin Type A Liposomal Cream for Primary Axillary Hyperhidrosis: A Double-Blind, Randomized, Split-Site, Vehicle-Controlled Study. Dermatol Surg 2018;44(8):1094-1101. doi: 10.1097/DSS.0000000000001532


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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