Stellungnahme: Große Apotheken sind genauso unterfinanziert wie kleine!
Es gab zahlreiche Reaktionen auf den Artikel „Die Gießkanne hat ausgedient“ im AWA 13/2023.
Eine Kritik davon wurde für das Interview im AWA exemplarisch herausgegriffen, weil sie durchaus repräsentativ für viele große, umsatzstarke Apotheke hierzulande sein dürfte.
So schrieb Dr. Christian Fehske, Inhaber der Rathaus-Apotheke in Hagen, am 10. Juli 2023:
„Mit meiner Apotheke gehöre ich laut ABDA-Apotheken-Wirtschaftsbericht 2023 zu den 230 Apotheken in Deutschland (1,3 %) mit Jahresumsätzen über 10 Mio. €. Zunächst will ich auf die Herausgeber des ABDA-Wirtschaftsberichts verweisen, die deutlich machen, wie wenig aussagekräftig Umsatzzahlen sind, dass Absatzzahlen bzw. Roherträge aber nicht vorliegen. Woraus daher die Vermutung abgeleitet werden mag, dass 11 % der Apotheken bis zu 30 % des Gesamtgewinns aller Apotheken erlösen könnten, bleibt für mich bislang unklar. Daher empfinde ich die daraus abgeleiteten Vorschläge zu einer Umverteilung des Apothekenhonorars nicht nur politisch unglücklich, weil sie gängige Neid-Klischees bedienen – sondern auch inhaltlich unzutreffend begründet und damit riskant, weil sie das Vorhandensein jener mythischen Effizienzreserven suggerieren, die von der ABDA-Präsidentin entschieden zum „Unwort des Jahres 2022“ erklärt worden waren.
Anders als in Ihrem Artikel dargestellt, haben Apotheken mit hohen Jahresumsätzen niedrigere Ertrags-Spannen und höhere Kosten als kleine Apotheken – und das aus mehreren Gründen:
Trotz des für alle Apotheken bestehenden Kontrahierungszwangs dürfte der Anteil an Hochpreisern in großen Apotheken höher liegen als in kleinen, bei denen der Preis für eine Packung bereits den monatlichen Gewinn übersteigen und damit sogar existenzgefährdend sein kann.
Im Marktdurchschnitt lag der Umsatzanteil hochpreisiger Arzneimittel 2021 laut PHAGRO bei 35 % – in meiner Apotheke liegt dieser Anteil aktuell bei gut 46 % des Rx-Umsatzes. Bei einer Apothekenspanne von lediglich 3 % (!) wird damit die Gesamtmarge deutlich gesenkt.
Früher haben sich größere Apotheken vielleicht über Wachstum durch Schließungen von Nachbarapotheken gefreut, über diesen Punkt sind wir inzwischen längst hinweg: Jede geschlossene Apotheke bedeutet zum einen mehr eigene Notdienste – vor allem aber lässt sich auch in großen Apotheken mit neuester Automatisierung und guten Abläufen die Abgabegeschwindigkeit von Packungen nicht unbegrenzt steigern – zumindest solange man seiner Beratungsverpflichtung nach § 20 ApBetrO nachkommt.
Die ABDA-Analyse beschreibt eine Verlagerung von weniger ertragreichen Öffnungszeiten und arbeitsintensiven, ertragsschwachen Randsegmenten von kleineren auf größere Apotheken. Das betrifft u. a. Hilfsmittelversorgungen sowie aufwendige Rezepturen. Diese arbeitsintensiven Randsegmente sowie die weniger ertragreichen Randöffnungszeiten erhöhen in größeren Apotheken den größten Kostenblock aller Betriebe: die Personalkosten.
Insofern beginnen sich die Leistungsspektren größerer und kleinerer Apotheken immer weiter zu unterscheiden. In einer sicherlich angebrachten Honorar-Verteilungs-Debatte wäre es deshalb vollkommen unangebracht, aus einer hohen Packungsabgabe-Zahl oder hohen Umsätzen abzuleiten, dass große Apotheken von der aktuellen Unterfinanzierung aller Apotheken weniger stark betroffen wären als kleinere!
Abschließend noch ein Satz zu dem politischen Mantra „Mehr Geld nur für mehr Leistung“: Von jedem Politiker und jeder Politikerin, die das unerbittlich fordern, wüsste ich zunächst mal gern, welche zusätzlichen Leistungen der Öffentliche Dienst inklusive der Minister und ihrer Mitarbeitenden ab sofort erbringen, um in den Genuss von 5,5 % mehr Gehalt und 3.000 € Inflationsausgleich zu kommen.“
8 Kommentare
Unterfinanzierung
von Uwe Hansmann am 09.08.2023 um 10:42 Uhr
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Triggerwarnung: Beitrag könnte Polemik enthalten!
von Holger am 09.08.2023 um 8:47 Uhr
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AW: Triggerwarnung: Beitrag könnte Polemik
von Ka El am 09.08.2023 um 10:20 Uhr
AW: Korrektur
von Holger am 09.08.2023 um 10:54 Uhr
AW: Daneben
von Stefan Haydn am 09.08.2023 um 12:39 Uhr
AW: Triggerwarnung: Beitrag könnte Polemik
von Ka El am 09.08.2023 um 13:10 Uhr
AW: Triggerwarnung: Beitrag könnte Polemik
von pille62 am 10.08.2023 um 8:50 Uhr
Geisehaft by Design or Desaster
von Dr. House am 09.08.2023 um 7:27 Uhr
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