Bioäquivalenz – ein Problem (mit) der Statistik?
Seit der Einführung des Bioäquivalenzkonzeptes werden immer wieder die Akzeptanzgrenzen von 80 bis 125 % als Maß für die maximal tolerierten (theoretischen) Abweichungen zwischen Test- und Referenzpräparat kritisiert. Diese werden als ungeeignet – da zu wenig restriktiv – eingestuft, um zwischen den Produkten tatsächlich therapeutische Äquivalenz sicherstellen zu können. Ein Argument, das von forschenden Pharmaunternehmen bei Patentablauf und Einführung der Generika zur Verteidigung ihrer Produkte gegen die generische Konkurrenz bisweilen vorgebracht wird.
Diese Kritik erscheint bei oberflächlicher Betrachtung einleuchtend. Der Vorschlag, die Bioäquivalenzentscheidung durch Berechnung der 90%-Konfidenzintervalle für den intraindividuellen Vergleich zu begründen und für die Berechnung Akzeptanzgrenzen von 80 bis 125 % anzuwenden, wurde 1972 von dem amerikanischen Mathematiker J. W. Westlake ohne eine medizinische Grundlage eingebracht. Trotzdem wurde dieses Konzept weltweit in alle relevanten Guidelines aufgenommen und hat sich für die Zulassung von Generika bewährt.
Warum ist das so? Zunächst einmal ist wichtig, dass durch diese Grenzwerte nicht etwa Abweichungen von bis zu 45 % (entsprechend der Spanne zwischen 80 % und 125 %) in der Bioverfügbarkeit zwischen den Präparaten akzeptiert würden. Diese Limits gelten vielmehr für die 90%-Vertrauensbereiche, deren Ausdehnung vor allem durch die intraindividuelle Variabilität der betrachteten Parameter – hier AUC und Cmax – bestimmt wird. Die Konfidenzintervalle markieren dann den Bereich, in dem mit 90%iger Wahrscheinlichkeit der „wahre“ Wert liegt. Diese Wahrscheinlichkeit ist in der Mitte des Intervalls am größten und sinkt zu dessen Grenzen signifikant.
Und noch ein weiterer Aspekt ist zur richtigen Einordnung möglicher therapeutischer Konsequenzen wichtig: Bei den meisten Arzneistoffen wird im oberen, flachen Teil der sigmoidalen Dosis-Effekt-Beziehung therapiert. Hier aber wirken sich dann gewisse Abweichungen in der Bioverfügbarkeit (und damit der de facto „wirksamen“ Dosis) nur eher marginal auf den erreichten therapeutischen Effekt aus.
Dies gilt natürlich nicht für Arzneimittel mit enger therapeutischer Breite, bei denen die erforderliche Dosierung im steilen Bereich der Dosis-Effekt-Beziehung liegt und daher sich bereits kleinere Unterschiede in der Bioverfügbarkeit erheblich auf die therapeutischen Effekte auswirken würden. Daher wird für solche Präparate ein engerer Akzeptanzbereich (z. B. 90 bis 111 %) für den Bioäquivalenzbeleg festgelegt.
Für viele Arzneistoffe bzw. verschiedene Indikationsgruppen wurde mithilfe systematischer Untersuchungen die therapeutische Vergleichbarkeit von Generika und den jeweiligen Originalprodukten gezeigt, z. B. für Statine [1], Antipsychotika und Antidepressiva [2|, kardiovaskuläre Arzneimittel [3, 4] oder in einer Übersichtsarbeit ohne Indikationsbeschränkung [5].
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