Apothekertag: Geschäftsordnung der Hauptversammlung

Wie funktioniert die Antragsdebatte beim Apothekertag?

Süsel - 25.09.2023, 07:00 Uhr

Antragsdebatte beim Deutschen Apothekertag 2022 (Foto: DAZ/Schelbert)

Antragsdebatte beim Deutschen Apothekertag 2022 (Foto: DAZ/Schelbert)


In der Hauptversammlung beim Deutschen Apothekertag stehen viele Anträge rund um die Apotheke zur Diskussion. Dafür gibt es ein bewährtes Regelwerk, aber wie funktioniert das? Wir stellen die Geschäftsordnung für die Hauptversammlung vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Geschäftsordnungsanträge, mit denen die Delegierten das Schicksal der Anträge steuern können.

Der umfangreichste Punkt der Tagesordnung für die Hauptversammlung beim Deutschen Apothekertag ist stets die Antragsdebatte. Dort wird über die zahlreichen Anträge diskutiert und entschieden, die von den Mitgliedsorganisationen, einzelnen Delegierten oder dem Geschäftsführenden ABDA-Vorstand eingebracht wurden. Wie diese Debatte abläuft, regelt die Geschäftsordnung für die Hauptversammlung – und der Umgang mit diesen Regeln beeinflusst den Sitzungsverlauf. Darum erläutern wir hier einige Regeln, als Hintergrund für Beobachter und (nicht nur) für neue Delegierte.

Die Anträge stehen schon lange vor dem Apothekertag fest. Sie werden von einer Antragskommission thematisch geordnet. Inhaltlich zusammenhängende Anträge werden jeweils zu einem Leitantrag zusammengefasst. Die Hauptversammlung stimmt dann nur über den Leitantrag ab und spart damit Zeit. Allerdings können gemäß § 2 Absatz 6 der Geschäftsordnung jederzeit zusätzliche Anträge gestellt werden, die sich aus der Diskussion über Beratungsgegenstände ergeben. Sie werden als Adhoc-Anträge bezeichnet. Dabei gibt es manchmal Zweifel, ob sich ein solcher Antrag auf die Diskussion bezieht. Doch auch zu anderen Themen sind noch beim Apothekertag Anträge nach § 2 Absatz 5 möglich. Dafür liegt die Hürde aber hoch. Denn in diesem Fall muss die Hauptversammlung erst mit Drei-Viertel-Mehrheit beschließen, dass sie überhaupt über diesen Antrag beraten will.

Wie werden Anträge geändert?

In der Diskussion ergeben sich manchmal Änderungen der vorliegenden Anträge. Diese reichen vom Ersetzen einzelner Wörter, die vielleicht nicht treffend gewählt waren, bis zum Streichen oder Ergänzen größerer Abschnitte, die den Anträgen eine ganz neue Richtung geben können. Formal sind das Änderungsanträge gemäß § 2 Absatz 7. Dann wird zunächst über den Änderungsantrag abgestimmt. Wird er mit Mehrheit angenommen, hat sich der ursprüngliche Antrag damit erledigt. Wird er abgelehnt, folgt eine Abstimmung über den ursprünglichen Antrag.

Dabei kann es vorkommen, dass zu einem Antrag mehrere Änderungsanträge vorliegen. Dann kann es für das Ergebnis entscheidend sein, in welcher Reihenfolge darüber abgestimmt wird. Dazu schreibt § 8 Absatz 4 der Geschäftsordnung vor, zuerst über den weitergehenden Antrag abzustimmen. Über einen Änderungsantrag, der einen umfassenden Maßnahmenkatalog zu einem Problem vorschlägt, würde also vor einem anderen Änderungsantrag abgestimmt, der nur eine dieser Maßnahmen vorsieht. Sobald ein Antrag in einer solchen Kaskade angenommen wird, erübrigen sich die weiteren Anträge.

Geschäftsordnungsanträge: 9 Optionen

Es gibt also einige Möglichkeiten, wie die Diskussion durch zusätzliche Anträge ergänzt und damit ausgedehnt werden kann. Mindestens ebenso wichtig für den Verlauf der Antragsdebatte ist jedoch die Frage, wie sich die Diskussion zu einem Antrag beenden lässt. Dafür kann es viele Gründe geben, und für die meisten Fälle sieht die Geschäftsordnung Hilfe vor. Denn gemäß § 5 Absatz 1 der Geschäftsordnung können Geschäftsordnungsanträge außerhalb der Rednerliste gestellt werden. Das kann also auch geschehen, wenn noch angemeldete Redner auf einer Liste stehen. Dafür melden sich die Delegierten mit beiden Armen. Wer sich so meldet, erhält das Rederecht für einen Geschäftsordnungsantrag und soll diesen begründen, darf dann aber nicht mehr zum Diskussionsgegenstand sprechen. Danach erhält höchstens ein Delegierter das Recht, eine Gegenrede zum Geschäftsordnungsantrag zu halten. Es geht dann nicht inhaltlich um das Diskussionsthema, sondern beispielsweise um die Frage, warum ein Antrag in einem Ausschuss besser beraten werden kann. Dann wird sofort über den Geschäftsordnungsantrag abgestimmt. Falls dieser angenommen wird, hängt es von diesem Geschäftsordnungsantrag ab, ob und wie die Debatte weitergeht.

Eine Debatte begrenzen

In § 9 Absatz 1 sind neun Fälle von Geschäftsordnungsanträgen vorgesehen, die mit den Buchstaben a bis i bezeichnet werden. Der Fall a, der Antrag „auf Begrenzung der Redezeit“ wird kaum genutzt und bringt wohl auch wenig. Denn die Redezeit für jeden einzelnen Beitrag ist ohnehin gemäß § 6 Absatz 1 auf fünf Minuten begrenzt, und eine ausufernde Debatte lässt sich besser über die Zulassung von Redebeiträgen als über die Zeit begrenzen. Wenn eine lange Debatte ermüdend wird, das Gefühl entsteht, dass eigentlich alles gesagt ist, und auch noch eine lange Liste weiterer Anträge zu bearbeiten ist, kann der Wunsch entstehen, die Debatte zu beenden. Ein vergleichsweise mildes Mittel dazu ist der Fall b, der Antrag „auf Schluss der Rednerliste“. Wenn die Delegierten diesen Antrag annehmen, dürfen zu dem gerade diskutierten Antrag keine weiteren Redebeiträge mehr angemeldet werden. Die bereits auf der Rednerliste vermerkten Redner dürfen aber nach dem Geschäftsordnungsantrag noch sprechen. Wenn die Rednerliste bereits sehr lang ist und der Zeitplan aus den Fugen geraten könnte, bietet sich als härteres Mittel der Fall c an, der Antrag „auf Schluss der Beratung“. Wenn er angenommen wird, dürfen auch die bereits angemeldeten Redner nicht mehr sprechen. Erfahrungsgemäß stimmen die Delegierten einem solchen Antrag nur nach einer langen Diskussion zu, in der sich vieles schon wiederholt hat – oder wenn die Zeit sehr drängt. In den Fällen a bis c folgt nach der Debatte die Abstimmung über den jeweils diskutierten Antrag. Die Fälle a bis c sind also nur angebracht, wenn die bisherige Diskussion als ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Delegierten betrachtet wird.

Ausschuss als Mittel gegen alles

In den Diskussionen zu den Anträgen stellt sich manchmal heraus, dass die Sachlage sehr komplex ist oder wichtige Fakten in der Hauptversammlung nicht zu ermitteln sind. Wenn das Thema jedoch eine weitere Beschäftigung wert ist, wird ein solcher Antrag gerne an einen Ausschuss oder ein anderes Gremium der ABDA verwiesen. Dazu dient ein Geschäftsordnungsantrag nach § 9 Absatz 1 d. Diese Variante bietet sich auch an, wenn ein Antrag aus inhaltlichen Gründen nicht abgelehnt werden kann, aber so problematisch formuliert ist, dass vielen Delegierten die Zustimmung schwerfällt. Die Verweisung an einen Ausschuss hilft dann der Versammlung, ihr Gesicht zu wahren. Wenn hingegen damit zu rechnen ist, dass die fehlenden Informationen kurzfristig zu beschaffen sind, bietet sich der Fall e an, die „Vertagung des Beratungsgegenstandes“. Diese Variante kann auch hilfreich sein, wenn beispielsweise noch ein Adhoc-Antrag zum gleichen Thema angekündigt wird, aber noch nicht vorliegt.

Einen Antrag beerdigen

Es gibt also ziemlich viele Möglichkeiten den Zeitplan zu retten oder vielleicht auch die Beschäftigung mit unliebsamen Themen zu begrenzen, wenn die Mehrheit der Hauptversammlung das möchte. Deutlich härter wirksam als die bisher genannten Optionen ist der Fall f, der Antrag „auf Übergang zum nächsten Antrag“. Damit wird nicht nur die Debatte beendet, sondern auch eine Abstimmung umgangen. Denn wenn die Mehrheit der Delegierten diesem Geschäftsordnungsantrag zustimmt, ist der betreffende Antrag sofort vom Tisch und landet auch nicht in einem Ausschuss. Diese Variante kommt zum Einsatz, wenn sich der Antrag im Lauf der Debatte als problematisch erwiesen hat, aber eine Ablehnung ein ungewünschtes politisches Signal auslösen könnte. Im Fall f wird beschlossen, zur Sache nichts zu beschließen.

Der Fall g wird praktisch nur irrtümlich aufgerufen und hat im Laufe von Jahrzehnten schon zu einigen Lachern in der Hauptversammlung geführt. Der Fall g ist nämlich der Antrag „auf Übergang zum nächsten Tagesordnungspunkt“. Nach einem möglichen Themenforum und insbesondere am letzten Veranstaltungstag ist die Antragsdebatte aber meistens der letzte Tagesordnungspunkt. Damit wäre die Versammlung beendet. Wenn der Fall g aufgerufen wird, ist das daher meistens eine Verwechslung. Gemeint ist wohl der Übergang zum nächsten Antrag, also der Fall f. Denn die einzelnen Anträge stellen keine Tagesordnungspunkte dar. Bis ein Delegierter sich zu einem solchen Antrag durchringt, muss eine ziemlich hitzige oder problematische Diskussion stattfinden – und in diesem Eifer wird dann schon mal der falsche Buchstabe genannt.

Ende der Hauptversammlung

Als weitere Variante gibt es den Fall h, den Antrag „auf Unterbrechung oder Vertagung der Versammlung“. Das ermöglicht beispielsweise, eine Debatte am Abend zu beenden, aber normalerweise regelt die Sitzungsleitung mögliche Überziehungen auch ohne formelle Anträge im Einvernehmen mit der Versammlung. Aus denselben Gründen spielt auch der Fall i kaum eine Rolle. Dies ist der Antrag „auf Schluss der Versammlung“. Damit hat die Hauptversammlung aber eine Möglichkeit, den Apothekertag zu beenden, wenn beispielsweise der Terminplan überzogen wird, viele Delegierte abreisen müssen, weil sie Züge oder Flüge gebucht haben, und damit eine konstruktive Debatte nicht mehr möglich ist. Das kann auch inhaltlich eine Rolle spielen, falls gerade die letzten Anträge besonders kontroverse Themen behandeln. Das sind aber eher theoretische Überlegungen für ganz seltene Situationen. Denn in den allermeisten Fällen entwickelt sich die Hauptversammlung im Zusammenspiel aus Sitzungsleitung und Delegierten so, dass auch ein dickes Heft mit vielen Anträgen in der verfügbaren Zeit abgearbeitet wird. Irgendwie geht der Zeitplan meistens auf. Allerdings hat der Verfasser durchaus den Eindruck gewonnen, dass zu Beginn der Antragsdebatte manche eher wenig bedeutsamen Themen auch schon mal sehr ausgiebig diskutiert werden, während gegen Ende der Versammlung die Redebeiträge knapper werden und der ganze Ablauf straffer wirkt.

Kein Entscheidungsgremium und doch wichtig

Doch so gut wie das alles geordnet ist und so sehr sich alle Beteiligten um eine gute Debatte bemühen, darf eines nicht vergessen werden: Die Hauptversammlung hat keine eigene Macht. Sie kann nur empfehlen, appellieren und auch fordern, sie kann sich dabei an den Gesetzgeber, die Krankenkassen, die Ärzte oder wen auch immer wenden. Sogar was die ABDA angeht, kann sie zwar Beschlüsse fassen, aber das oberste Entscheidungsgremium der ABDA ist die Mitgliederversammlung und nicht die Hauptversammlung. Doch die Hauptversammlung kann der Arbeit der ABDA politisches Gewicht verleihen. Denn die Hauptversammlung soll nach innen und nach außen vermitteln, was den Apothekerinnen und Apothekern wichtig ist.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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