Kommunikationsstrategien

Arzneimittelbezogene Falschinformationen – ein Fall für Apothekenteams

Stuttgart - 20.10.2023, 12:15 Uhr

Neben Tipps zur Anwendung des Arzneimittels kann auch dazu beraten werden, wo es valide, weiterführende Informationen gibt. (Foto: StratfordProductions / AdobeStock)

Neben Tipps zur Anwendung des Arzneimittels kann auch dazu beraten werden, wo es valide, weiterführende Informationen gibt. (Foto: StratfordProductions / AdobeStock)


An Falschinformationen kommt niemand vorbei. Sie begegnen einem auf Homepages, in den sozialen Medien oder auch in persönlichen Gesprächen. Auch zu Arzneimitteln kursieren diverse Falschinformationen und verunsichern Patient:innen. Eine kürzlich erschienene Absichtserklärung des Internationalen Pharmazeutischen Verbandes (FIP) zum Thema Arzneimittelinformationen hat die DAZ zum Anlass genommen, einige Kommunikationsstrategien zum Vermitteln valider Gesundheitsinformationen und zum Aufklären von „fakes“ zusammenzutragen.

Was brauchen Patient:innen, damit ihre Arzneimitteltherapie gelingt? Neben dem passenden Medikament auch eine ganze Reihe an Informationen – etwa wann, wie oft und wie das Medikament angewandt werden soll. Falschinformationen, aber auch falsch verstandene Informationen, hingegen können den Therapieerfolg massiv gefährden. So zum Beispiel, wenn ein Medikament aufgrund einer vermeintlichen Nebenwirkung nicht eingenommen wird.

Die Fähigkeit gesundheitsbezogene Informationen zu finden, zu verstehen, einzuschätzen und umzusetzen, wird auch als Gesundheitskompetenz bezeichnet und variiert von Person zu Person. Gleichzeitig korreliert die Gesundheitskompetenz auch mit der tatsächlichen Gesundheit [1]. So geht eine hohe Gesundheitskompetenz mit geringerer Hospitalisierungsrate, einer höheren Therapieadhärenz und einem besseren Management von chronischen Erkrankungen einher [2].

Mehr zum Thema

Zusammenarbeit mit „talking hands“

Daumenkinos mit Gebärdensprache in Linda-Apotheken

Apothekerkammer Westfalen-Lippe

Fakten gegen Fake-News bei Corona

Bei der Übermittlung von validen Gesundheitsinformationen, in einer an den individuellen Patienten/die individuelle Patientin angepassten Form und der Stärkung der Gesundheitskompetenz sieht der Internationale Pharmazeutische Verband FIP (Fédération internationale pharmaceutique) in einer Absichtserklärung Apotheker:innen in einer zentralen Rolle. Sie seien gewissermaßen die „guides and interpreters“ (etwa Führer und Dolmetscher) der Patient:innen. Neben der Bereitstellung relevanter, umsetzbarer und unvoreingenommener Informationen in verständlicher Form können sie auch helfen, valide Informationsquellen aufzuzeigen und von den Patient:innen identifizierte Quellen einzuordnen [2].

Denn Gelegenheiten, mit unzuverlässigen oder gänzlich falschen Informationen in Berührung zu kommen, haben Patient:innen genug. Als ein Beispiel weist der FIP hier auf ChatGPT hin, eine künstliche Intelligenz, der Patient:innen auch arzneimittelbezogene Fragen stellen können und anschließend Informationen von unbekannter Qualität erhalten [2]. 

Da sich die Kundschaft wohl kaum davon abhalten lassen wird, im Internet nach Gesundheitsinformationen zu suchen, können Apothekenteams darauf hinweisen, dass digital neben nützlichen auch falsche Informationen angezeigt werden können (Prebunking) und auf ausgesuchte, valide Quellen hinweisen. Auch kann angeboten werden, dass die Kundschaft mit Fragen, die sich nach einer Online-Recherche ergeben, in der Apotheke vorbeikommen kann, um diese zu klären [2].

Debunking und Prebunking

Als Debunking wird das Richtigstellen von konkreten Falschinformationen bezeichnet. Ebenfalls wirksam ist die Strategie des Prebunkings. Hierbei werden Menschen präventiv auf das Vorhandensein und die Mechanismen von Falschinformationen aufmerksam gemacht. Begegnen sie diesen dann bspw. bei einer Online-Suche, fällt es ihnen leichter diese als solche zu identifizieren [3].

Äußern dann Kund:innen in der Apotheke tatsächlich Falschinformationen, so bietet sich zum Debunking die Kommunikationsstrategie des Fakten-Sandwiches an. Hierbei wird die Entgegnung auf eine Falschinformation mit einem Fakt eröffnet. Anschließend wird der Irrglaube benannt, gefolgt von einer Erklärung, woher dieser kommt und warum es sich um eine Falschinformation handelt. Abschließend folgt wieder ein Fakt. Beispiele finden sich unter anderem auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts, das entsprechende Sandwiches für häufige Mythen rund um das Thema Impfungen entwickelt hat [4].

Faktensandwich des RKI zum Thema Wirksamkeit von Impfstoffen. Quelle: Homepage des RKI  

Damit im Idealfall nach dem Besuch in der Apotheke keine Fragen mehr offen sind und somit erst gar keine Recherche auf eigene Faust nötig ist, empfiehlt der FIP folgende Aspekte bei der Beratung zu berücksichtigen:

Doppelt hält besser: Die Wirkung mündlich mitgeteilter Informationen kann verstärkt werden, indem passendes schriftliches Material mitgegeben wird, oder etwa auf eine geeignete digitale Quelle verwiesen wird.

Ausgewogen beraten: Im Beratungsgespräch sollten neben den Vorzügen einer Therapie auch mögliche negative Aspekte aufgezeigt und eingeordnet werden (z.B. Nebenwirkungen).

Kommunikation als Zwei-Wege-Fahrbahn: Das Beratungsgespräch sollte kein Monolog (Einbahnstraße) sein, sondern Gelegenheit für Rückfragen bieten.

Keep it simple: Wenn möglich und nötig, sollten Fachwörter vermieden, komplexe Zusammenhänge vereinfacht und in praktisch umsetzbare Einzelschritte zerlegt werden.

Rollentausch: Um sich zu vergewissern, dass die Informationen richtig und vollständig bei den Patient:innen angekommen sind, kann die Teach-Back-Methode angewandt werden. Hierbei wird der Patient/die Patientin gebeten, in eigenen Worten wiederzugeben bzw. zu demonstrieren, was er/sie verstanden hat [2].

Literatur

[1] Der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz. Informationen von der Universität Bielefeld und der Hertie School. Abgerufen am 19.10.2023. https://www.nap-gesundheitskompetenz.de/

[2] FIP Statement of Policy. Strategic development of medicines information for the benefit of patients and users of medicines. Fédération international Pharmaceutique. 24. September 2023. https://www.fip.org/file/5632

[3] Prebunking - Schutz vor Desinformation. Informationen von klicksafe.de. Stand 12. Oktober 2023. https://www.klicksafe.de/desinformation-und-meinung/prebunking-schutz-vor-desinformationen

[4] Impfmythen: Falschinformationen wirksam aufklären. Informationen des Robert-Koch-Institutes. Stand 04. September 2023. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/Impfmythen/Impfmythen_inhalt.html


Dr. Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.