Injektion nur einmal wöchentlich, auch für Erwachsene

Gleich zwei neue Wachstumsfaktor-Präparate

Stuttgart - 14.12.2023, 17:50 Uhr

Lonapegsomatropin (Skytrofa®) von Ascendis Pharma und Somapacitan (Sogroya®) von Novo Nordisk. (Foto: Ascendis Pharma und Novo Nordisk) 

Lonapegsomatropin (Skytrofa®) von Ascendis Pharma und Somapacitan (Sogroya®) von Novo Nordisk. (Foto: Ascendis Pharma und Novo Nordisk) 


Im September und November wurden mit Lonapegsomatropin (Skytrofa®) und Somapacitan (Sogroya®) zwei Wachstumsfaktor-Präparate auf dem deutschen Markt eingeführt. Beide sind zur einmal wöchentlichen Substitutionstherapie bei endogenem Wachstumshormon-Mangel zugelassen und kommen bei Kindern und Jugendlichen ab drei Jahren mit unzureichender Ausschüttung von körpereigenem Wachstumshormon zum Einsatz. Somapacitan ist zusätzlich auch für Erwachsene mit einem Wachstumshormon-Mangel indiziert. 

Bei etwa einem von 4000 bis 10.000 Kindern besteht ein Mangel an körpereigenem Somatropin. Die Betroffenen sind proportioniert kleinwüchsig mit einem verzögerten Knochenalter und meist schwach ausgebildeter Muskulatur. Zudem treten vermehrte Fettablagerungen und reduzierte Blutzuckerwerte auf. Als Ursachen kommen genetisch bedingte Fehlbildungen der sekretorischen Zellen, Strukturänderungen des Hormons oder Rezeptordefekte infrage. Aber auch Schocksyndrome und Verletzung der Hypophyse sowie des Hypothalamus infolge von Geburtskomplikationen oder Hirntumoren können einen Wachstumshormonmangel auslösen. 

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Im Erwachsenenalter führt ein solcher Mangel ebenfalls zu Störungen des Fett-, Protein- und Kohlen­hydratstoffwechsels. Entsprechende Symptome sind Übergewicht mit vermehrtem Bauchfett, verringerte Muskelmasse, reduzierte Knochendichte, trockene Haut, aber auch Depressionen und Antriebsarmut. Neben dem Fortbestehen eines kindlichen Wachstumshormon-Mangels kommen bei den Erwachsenen Tumore der Hypophysen sowie schwere Schädel-Hirn-Verletzungen als häufigste Ursachen infrage. 

Novo Nordisk

Alte und neue Therapieoptionen

Seit vielen Jahren stehen Injektionszubereitungen mit rekombinant erzeugtem Somatropin zur kausalen Therapie zur Verfügung. Bei den behandelten Kindern und Erwachsenen wird damit die Bildung des insulinähnlichen Wachstumsfaktors 1 (Insulin-like Growth Factor 1, IGF-1) in der Leber stimuliert (s. Abb.). Als Folge werden Wachstum und Stoffwechsel normalisiert. Die tagtäglich erforderliche Somatropin-Injektion stellt insbesondere für die betroffenen Kinder eine große Belastung dar. Bei den nur einmal wöchentlich anzuwendenden neuen Wirkstoffen Lonapegsomatropin und Somapacitan besteht dieses Problem nicht. 

Lonapegsomatropin ist ein mit einem Methoxypolyethylenglykol(mPEG)-Träger konjugiertes Somatropin-Molekül. Nach subkutaner Gabe wird das eigentliche Wachstumshormon aus dem Prodrug verzögert freigesetzt. Der pegylierte Trägeranteil führt zu einer verlangsamten Elimination und damit zu einer verlängerten Verweildauer im Organismus.

Das ebenfalls rekombinant hergestellte Somapacitan unterscheidet sich von körpereigenem Somatropin durch eine Substitution mit einer Albumin-bindenden Seitenkette. Aufgrund einer reversiblen Assoziation an endogenes Plasmaalbumin wird die Elimination von Somapacitan verzögert und damit die Wirkungsdauer ebenfalls verlängert. 

Das Peptidhormon Somatropin ist Teil eines hypothalamisch-hypophysären Regelkreises und steuert den Knorpel- und Muskelaufbau, das Knochenwachstum sowie den Glucose- und Fettstoffwechsel. Seine Wirkung beruht auf einer Bindung an den Wachstumshormon-Rezeptor. Es kommt zu einer dosisabhängigen Ausschüttung des insulinähnlichen Wachstumsfaktors 1 (Insulin-like Growth Factor 1, IGF-1) in der Leber. Dieser führt zum Aufbau von Knorpel und Muskeln und bei Kindern mit noch offenen Epiphysenfugen zu einem verstärkten Knochenwachstum. Somapacitan ist ein lang wirksames Analogon des körpereigenen Peptidhormons Somatropin, Lonapegsomatropin ein lang wirksamen Prodrug von Somatropin (nach Geisslinger G et al. Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2020).

Dosierung und Überwachung der Wachstumsfaktoren

Die subkutane Anwendung beider Präparate erfolgt mithilfe eines Autoinjektors bzw. Fertigpens in wechselnde Areale der Bauchdecke, des Oberschenkels oder des Gesäßes. Die initiale wöchentliche Lonapegsomatropin-Dosis beträgt normalerweise 0,24 mg/kg Körpergewicht bezogen auf den Somatropin-Anteil. Im weiteren Verlauf wird die Dosierung in zweiwöchigen Intervallen für jeden Patienten anhand des klinischen Ansprechens, der IGF-1-Spiegel und der auftretenden Nebenwirkungen individuell angepasst. 

Die längerfristige Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit sollte in Abständen von etwa sechs bis zwölf Monaten anhand auxologischer und biochemischer Parameter sowie des Pubertätsstatus erfolgen. Sobald die Epiphysenfugen geschlossen sind, die Patienten ihre End­höhe erreicht haben, die Wachstumsgeschwindigkeit unter 2 cm pro Jahr fällt oder das Knochenalter bei Mädchen 14 bzw. bei Jungen 16 Jahre übersteigt, ist die Behandlung zu beenden.

Bei Somapacitan wird in ähn­licher Weise vorgegangen, die wöchentliche pädiatrische Initialdosis liegt bei 0,16 mg/kg Körpergewicht. Therapienaive Erwachsene enthalten entsprechend 1,5 mg, Frauen unter oraler Estrogen-Therapie 2 mg und ältere Patienten ab 60 Jahren 1 mg. Bei Erwachsenen, die von rekombinantem Somatropin umgestellt werden, liegen die entsprechenden initialen Wochendosen etwas höher. In Abständen von zwei bis vier Wochen ist eine Anpassung in 0,5- bis 1,5-mg-Schritten bis zu einer Maximaldosis von 8 mg Somapacitan pro Woche möglich. 

Auch bei Erwachsenen wird der IGF-1-Serumspiegel zur Dosisfindung herangezogen, wobei Männer aufgrund ihrer erhöhten IGF-1-Sensitivität tendenziell niedrigere Hormonmengen benötigen. Bei weiblichen Patientinnen, die orale Estrogene einnehmen, ist zum Er­reichen des Behandlungsziels erfahrungsgemäß eine höhere Wachstumsfaktor-Dosis erforderlich, da das Ansprechen des IGF-1 auf Wachstumshormone unter Estrogen-Therapie reduziert ist.

Ascendis Pharma

Vorsicht bei Tumoraktivität

Wachstumsfaktor-Präparate wie Lonapegsomatropin und Somapacitan dürfen bei Verdacht auf eine Tumoraktivität nicht angewendet werden, da sie mit dem Auftreten von Neoplasien assoziiert sind. Bei Patienten mit vorangegangenen malignen Erkrankungen ist eine engmaschige Überwachung angeraten. Weiterhin dürfen beide Zubereitungen nicht bei Patienten mit einer akuten kritischen Erkrankung zum Einsatz kommen, bei denen Komplikationen nach einer offenen Herzoperation, einem Eingriff am Abdomen, Polytrauma, akuter respiratorischer Insuffizienz oder ähnliche Zustände vorliegen. Entsprechende klinische Daten deuten auf eine erhöhte Mortalität unter einer Wachstumshormon-Behandlung hin. 

Bei Patienten mit Verdacht auf oder Vorliegen von Hypoadrenalismus, Diabetes mellitus oder einer gestörten Schilddrüsenfunktion ist Vorsicht geboten, da die Dosis der entsprechenden Therapeutika bei gleichzeitiger Anwendung von Wachstumshormonen meist angepasst werden muss. Falls unter einer Wachstumsfaktor-Behandlung starke abdominale Schmerzen auftreten, könnte es sich um eine Pankreatitis handeln. Während der Anwendung von Wachstumshormonen muss zudem mit einer benignen intrakraniellen Hypertonie gerechnet werden, die sich durch Papillenödeme, Ataxie, Sehstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen äußern kann. 

Obwohl unter der Anwendung von kurz wirksamem Somatropin bei Schwangeren über mehrere Jahrzehnte kein arzneimittelbezogenes Risiko von Geburtsfehlern, Fehlgeburten oder anderen Schädigungen identifiziert wurde, wird die Applikation der langwirksamen Wachstumsfaktor-Präparate während der Schwangerschaft oder bei nicht verhütenden Frauen im gebär­fähigen Alter aufgrund sehr begrenzter Erfahrungen derzeit nicht empfohlen. Von einer Applikation während der Stillzeit wird ebenfalls abgeraten.

Vorteil aufgrund wöchentlicher Applikation

In klinischen Studien mit Kindern haben sich die beiden Wachstumsfaktor-Präparate hinsichtlich annualisierter Wachstumsgeschwindigkeit, Aufholwachstum, IGF-1-Spiegel und Knochenalter als ähnlich effektiv wie das rekombinant genuine Somatropin gezeigt. Auch die Sicherheitsprofile waren unter den wöchentlich gegebenen Lonapegsomatropin bzw. Somapacitan und dem täglich injizierten Somato­statin ähnlich. Hinsichtlich der Reduktion des Stammfetts bei Erwachsenen schnitt genuines Somatropin mit 2,23- vs. 1,6%iger Abnahme etwas besser als das neue Somapacitan ab. 

Verzögerung des Längenwachstums lässt sich nicht verhindern

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Direkt vergleichende Studien der langwirksamen Somatropin-Analoga untereinander, auch mit dem bereits seit 2022 zugelassenen Somatrogon (Ngenla®), sind derzeit nicht verfügbar. Jedoch besteht aktuell kein Anhaltspunkt für einen Wirksamkeits- oder Sicherheitsvorteil für eine der Substanzen. Ein Pluspunkt für Somapacitan ist allerdings, dass es als erstes Langzeitpräparat auch für Erwachsene mit Wachstumshormonmangel zugelassen ist. Aufgrund der viel selteneren Injektionen fällt die Belastung nun auch bei diesen Personen geringer aus, sodass von einem nicht zu unterschätzenden Gewinn an Lebensqualität ausgegangen werden kann.

Literatur

[1] Fachinformation zu Skytrofa®, Stand: Januar 2023

[2] Fachinformation zu Sogroya®, Stand: Oktober 2023

[3] Thornton PS, Maniatis AK, Aghajanova E, Chertok E et al. Weekly lonapegsomatropin in treatment-naïve children with growth hormone deficiency: the phase 3 heiGHt trial. J Clin Endocrinol Metab 2021;106(11):3184-3195

[4] Johannsson G, Gordon MB et al. Once-weekly somapacitan is effective and well tolerated in adults with GH deficiency: a randomized phase 3 trial. J Clin Endocrinol Metab 2020;105(4):e1358-e1376

[5] Miller BS, Blair JC, Rasmussen MH et al. Weekly somapacitan is effective and well tolerated in children with GH deficiency: the randomized phase 3 REAL4 trial. J Clin Endocrinol Metab 2022;107(12):3378-3388

[6] EPAR summary for the public. Skytrovfa® Lonapegsomatropine. EMA/740430/2021; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

[7] EPAR summary for the public. Sogroya® Somapacitan. EMA/320482/2023; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu


Apothekerin Dr. Monika Neubeck


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