Kolorektales Karzinom

GLP-1-Rezeptor-Agonisten reduzieren Risiko für Darmkrebs bei Typ-2-Diabetikern

Stuttgart - 27.12.2023, 15:15 Uhr

Besonders ausgeprägt war die Risikoreduktion bei übergewichtigen und adipösen Patienten. (Foto: SewcreamStudio/AdobeStock) 

Besonders ausgeprägt war die Risikoreduktion bei übergewichtigen und adipösen Patienten. (Foto: SewcreamStudio/AdobeStock) 


GLP-1-Rezeptor-Agonisten sollen laut einer aktuellen Studie das Darmkrebsrisiko bei Typ-2-Diabetikern senken. Übergewicht gilt als Risiko für kolorektale Karzinome, doch auch normalgewichtige Typ-2-Diabetiker könnten laut den Studienergebnissen profitieren.

GLP-1-Rezeptor-Agonisten sind derzeit zweifellos gefragt, auch als Gegenstand der Forschung. Eine Arbeitsgruppe der Case Western Reserve University School of Medicine (Cleveland, Ohio) veröffentlichte nun Ergebnisse einer Studie zur Frage, ob GLP-1-Rezeptor-Agonisten bei Typ-2-Diabetikern das Darmkrebsrisiko senken können. Sie verglichen die Arzneimittelgruppe dazu mit anderen oralen Antidiabetika und Insulin bei Patienten, die zuvor keine Antidiabetika erhalten hatten und werteten Daten von insgesamt 1.221.218 Typ-2-Diabetikern aus. 

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Untersucht wurde dabei, ob ein kolorektales Karzinom bei den Patienten auftrat, und zwar innerhalb der ersten 15 Jahre nachdem ein GLP-1-Rezeptor-Agonist oder ein Arzneimittel der Kontrollgruppe eingenommen wurde.

Darmkrebsrisiko unter GLP-1-Rezeptor-Agonisten geringer

Patienten, die einen GLP-1-Rezeptor-Agonisten erhalten hatten, wiesen ein statistisch signifikant verringertes Risiko für Darmkrebs gegenüber folgenden Antidiabetika auf:

  • Insulin (HR: 0,56; 95%-KI: 0,44-0,72),
  • Metformin (HR: 0,75; 95%-KI: 0.58-0.97),
  • SGLT-2-Inhibitoren (HR: 0,77; 95%-KI: 0,62-0,97),
  • Sulfonylharnstoffe (HR: 0,82, 95%-KI: 0,68-0,98)
  • und Glitazone (HR: 0,82; 95%-KI: 0,96-0,97) auf.

Die Risikoreduktion gegenüber Alpha-Glucosidase- (HR: 0,59; 95%-KI: 0,31-1,13) oder DPP-4-Inhibitoren (HR: 0,93; 95%-KI: 0,78-1,10) war statistisch nicht signifikant.

Zur Veranschaulichung: Für den Vergleich von GLP-1-Rezeptor-Agonisten mit Insulin wurden Daten von 22572 mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten behandelten Patienten und 22572 Patienten unter Insulin-Therapie betrachtet. Insgesamt 94 (0,42 %) der Patienten in der GLP-1-Rezeptor-Agonisten-Gruppe erkrankten an Darmkrebs und 167 (0,74 %) in der Insulin-Gruppe.

Die Ergebnisse trafen sowohl auf Männer als auch auf Frauen zu.

Risiko bei adipösen Patienten stärker reduziert

Auch in der Subgruppe adipöser bzw. übergewichtiger Patienten war das Risiko für Darmkrebs unter einem GLP-1-Rezeptor-Agonisten im Vergleich zu anderen Antidiabetika reduziert. Die Auswirkungen waren in dieser Subgruppe noch stärker, so beispielsweise auch im Vergleich mit Insulin (HR: 0,50; 95%-KI: 0,33-0,75) und Metformin (HR: 0,58; 95%-KI: 0,38-0,89).

Weitere Studien notwendig

Die Forscher schlussfolgern aus ihren Ergebnissen, dass eine potenzielle Schutzwirkung von GLP-1-Rezeptor-Agonisten vor Darmkrebs ausgehen könnte, die teilweise durch den Gewichtsverlust und teilweise von anderen Mechanismen vermittelt wird. Sie räumen allerdings auch Einschränkungen wie Verzerrungen in der durchgeführten Studie ein, sodass weitere Daten und Betrachtungen weitere Studienpopulation notwendig sind, um validierte Aussagen treffen zu können. So müssen beispielsweise auch die Auswirkungen bei nicht Therapie-naiven Patienten geklärt werden. Auch muss untersucht werden, ob es Unterschiede zwischen den verschiedenen GLP-1-Rezeptor-Agonisten  (s. Kasten) gibt, und ob diese sich auch auf andere Krebsarten auswirken, die mit Adipositas assoziiert sind [1].

GLP-1-Rezeptor-Agonisten auf dem deutschen Markt:  

Dulaglutid in Trulicity® ist für Patienten ab zehn Jahren mit unzureichend kontrolliertem Typ  2-Diabetes mellitus indiziert. Markteinführung 2015.

Exenatid (Byetta®) ist indiziert bei erwachsenen Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus in Kombination mit weiteren oralen Antidiabetika wie Metformin (…) oder Insulin, Markteinführung 2007. 

Liraglutid in Victoza® ist für Patienten ab zehn Jahren mit unzureichend kontrolliertem Typ 2-Diabetes mellitus indiziert, Markteinführung Victoza® 2009. Seit 2016 ist Liraglutid in Saxenda® auch zur Gewichtsregulierung ab 12 Jahren zugelassen.

Lixisenatid ist in Kombination mit dem langwirksamen Insulin glargin in Suliqua® für Patienten mit unzureichend kontrolliertem Typ-2-Diabetes mellitus seit 2018 auf dem Markt.

Semaglutid wurde in Ozempic® 2018 als Antidiabetikum auf dem deutschen Markt eingeführt, zur Gewichtsregulierung ist Semaglutid in Wegovy® seit Juli 2023 verfügbar.

Tirzepatid ist als Antidiabetikum in Mounjaro® seit Ende 2023 auf dem deutschen Markt. Als dualer Agonist wirkt das Arzneimittel an GIP- und GLP-1-Rezeptoren [2].

Literatur

[1] Wang L et al. GLP-1 Receptor Agonists and Colorectal Cancer Risk in Drug-Naive Patients With Type 2 Diabetes, With and Without Overweight/Obesity. Jama Oncology 2023, doi:10.1001/jamaoncol.2023.5573

[2] Fachinformationen der jeweiligen Präparate


Julia Stützle, Apothekerin und Volontärin


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