Potentilla erecta

Blutwurz – Arzneipflanze des Jahres 2024

Stuttgart - 03.01.2024, 07:00 Uhr

Meist wird die Blutwurz nur 10 bis 30 cm hoch. (Foto: dabjola/AdobeStock) 

Meist wird die Blutwurz nur 10 bis 30 cm hoch. (Foto: dabjola/AdobeStock) 


2022 war es der Mönchspfeffer, 2023 der echte Salbei – und 2024 wurde die Blutwurz vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde zur Arzneipflanze des Jahres gekürt. Was zeichnet dieses Rosengewächs aus?

Bei der Blutwurz (Potentilla erecta, auch als Tormentill bekannt) handelt es sich um eine krautige Pflanze aus der Familie der Rosengewächse. Auch wenn auf den ersten Blick die gelben Blüten mit den vier Kronblättern ins Auge fallen: Pharmazeutisch bedeutender ist der kräftige Wurzelstock, der seit dem Altertum als Arzneimittel zum Einsatz kommt. Schneidet man diesen an, so verfärbt sich die Schnittstelle durch Oxidation von enthaltenen Gerbstoffen zu Phlobaphenen rasch rot – ein Phänomen, das der Blutwurz auch ihren Namen einbrachte [1, 2].

Während die Blutwurz früher bei einer ganzen Reihe von Erkrankungen zum Einsatz kam – darunter Vergiftungen, Infektionskrankheiten, Gelbsucht, Fieber, Nasenbluten, Menstruationsbeschwerden und Augenleiden [1] – sind in den Monographien der ESCOP und der HMPC heute noch zwei Anwendungsgebiete für Teezubereitungen, Tinkturen und Extrakte aus dem Blutwurz-Wurzelstock aufgeführt: Durchfallbeschwerden sowie Entzündungen im Mund- und Rachenraum [2, 3].

Was ESCOP und HMPC empfehlen

Die ESCOP rät in ihrer Monographie von 2013 zum Einsatz entsprechender Zubereitungen bei unspezifischer, akuter Diarrhö sowie unterstützend bei (sub-)akuter Enteritis sowie Colitis und bei leichten Irritationen der Mund- und Rachenschleimhaut bei Erwachsenen und Kindern ab drei Monaten [2].

Die HMPC nennt in ihrer Monographie von 2019 unterdessen Einsatzmöglichkeiten im Rahmen des „traditional use“ bei milder Diarrhö sowie bei leichten Entzündungen der Mundschleimhaut bei Erwachsenen. Von einem Einsatz bei Kindern rät sie ab. Wenn sich Beschwerden trotz der Behandlung verschlechtern oder auch nach drei Tagen (im Fall von Durchfall) bzw. nach einer Woche (im Fall von Entzündungen im Mund) nicht kuriert sind, soll ein Arzt aufgesucht werden [3].

Fokus auf die Gerbstoffe

Als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe der Blutwurz gelten Gerbstoffe, die in Konzentrationen von 15 bis 22 % in der Droge enthalten sind. Weitere Inhaltsstoffe sind Flavonoide, Triterpensaponine und Phenolsäuren [2]. 

Letztendlich sind es die Gerbstoffe, weshalb der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde die Blutwurz zur Arzneipflanze des Jahres qualifizierte. Weithin bekannt ist deren adstringierende Wirkung, bei der es zur Ausfällung von Eiweißen kommt. Allerdings werde derzeit untersucht, inwieweit Gerbstoffe auch antiviral oder antimikrobiell wirkten – beispielsweise gegen Campylobacter [1]. 


„Angesichts der Häufigkeit von chronischen Verdauungsstörungen von bis zu 30 Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung sollte dies eigentlich Anlass genug sein, entsprechende Entwicklungen zu fördern. Arzneipflanzen bleiben jedoch wegen ihrer allgemeinen Verfügbarkeit und der sehr eingeschränkten Möglichkeit zur Patentierung leider in Europa weiterhin Stiefkinder der Forschung.“

Aus der Mitteilung des Studienkreises Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde vom 31. Dezember 2023


Die Studienlage ist derzeit allerdings eher dünn. Ein Review aus dem Jahre 2020 identifizierte gerade einmal 44 Publikationen zur Blutwurz, klinische Studien sind dabei nur vier davon. Verwundert zeigten sich die beiden Autoren des Reviews auch, dass kein Phytopharmakon mit P. erecta auf dem europäischen Markt zugelassen sei [4]. Für die Beratung in der Apotheke bleiben demnach nur Blutwurz-Präparate als Nahrungsergänzungsmittel sowie Homöopathika.

Literatur

[1] Blutwurz ist die Arzneipflanze des Jahres 2024. Mitteilung des Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde. 31.12.2023

[2] Tormentillae rhizoma - Tormentil. Monographie der ESCOP. 2013. https://escop.com/downloads/tormentil/

[3] Tormentil. Informationen der EMA. 15 Mai 2019. https://www.ema.europa.eu/en/documents/herbal-summary/tormentillae-rhizoma-summary-public_en.pdf

[4] Melzig MF, Böttger S. Tormentillae rhizoma - Review for an Underestimated European Herbal Drug. Planta Med. 2020;86(15):1050-1057. doi: 10.1055/a-1129-7214.


Deutsche Apotheker Zeitung
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