US-amerikanische Leitlinie

Diese Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel können der Leber schaden

Stuttgart - 11.01.2024, 09:15 Uhr

Beispielsweise Ashwaganda soll bei nervösen Unruhezuständen helfen, kann aber die Leber schädigen. Entsprechende NEM sind auch in Deutschland im Handel. (Symbolfoto: PhotoHunter / AdobeStock)

Beispielsweise Ashwaganda soll bei nervösen Unruhezuständen helfen, kann aber die Leber schädigen. Entsprechende NEM sind auch in Deutschland im Handel. (Symbolfoto: PhotoHunter / AdobeStock)


Dass auch andere Arzneimittel als Paracetamol für die Leber gefährlich werden können, wissen Apotheker:innen. Vielen Patient:innen dürfte das hingegen nicht so bekannt sein. Gerade bei Nahrungsergänzungsmitteln wäre ein Risikobewusstsein für Leberschäden auch unter Patient:innen sinnvoll, beziehen die Anwender diese doch oft nicht über die Apotheke vor Ort, sondern von diversen Händlern aus dem Internet.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) macht in der aktuellen Ausgabe der „Arzneiverordnung in der Praxis“ vom 14.12.2023 auf die Komplexität der Diagnose von Leberschäden aufmerksam, die durch Arzneimittel oder auch Nahrungsergänzungsmittel (NEM) ausgelöst werden können. Für eine praktische Orientierung verweist die AkdÄ dabei auf einen im März 2023 erschienenen US-amerikanischen Praxisleitfaden zu Medikamenten-, Pflanzen- und NEM-induzierten Leberschäden der „American Association for the Study of Liver Diseases“ (AASLD) [1, 2].

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Diese Arzneimittel „gehen auf die Leber“

In dem Leitfaden findet sich eine Übersichtstabelle zu den zehn Substanzen, die am häufigsten Arzneimittel-induzierte Leberschäden (drug induced liver injury, DILI) auslösen – sortiert nach verschiedenen Ländern. Über dort gelistete US-amerikanische Daten von 2015 berichtete die DAZ 40/2019 bereits. Unter den Top 10 befanden sich damals neun Antibiotika und die Gruppe der (pflanzlichen) Nahrungsergänzungsmittel [2, 3]. Dazu sollte man allerdings bedenken, dass es verschiedene Arten von Arzneimittel-induzierten Leberschäden gibt:

  • die häufigen DILI, bei denen Wirkstoffe vorhersagbar direkt und dosisabhängig hepatotoxisch wirken, wie beispielsweise
    • Paracetamol,
    • Niacin und
    • Methotrexat i.v.,
  • die seltenen indirekt hepatotoxischen nicht dosisabhängigen und nur teilweise vorhersagbaren DILI, ausgelöst durch Wirkstoffe wie
    • Checkpoint-Inhibitoren,
    • monoklonale Anti-CD20-Antikörper und
    • Proteinkinase-Inhibitoren, und
  • die idiosynkratisch hepatotoxischen DILI, welche nur sehr selten auftreten, unabhängig von der eingesetzten Dosis und nicht vorhersagbar sind. Beispielhafte Wirkstoffe sind
    • Amoxicillin/Clavulansäure,
    • Cephalosporine,
    • Isoniazid und
    • Nitrofurantoin.

Während die direkte Hepatotoxizität relativ zeitnah erkennbar wird, können bei letzteren beiden Formen Tage bis Jahre vergehen, bis diese auftreten [1].

Die zehn häufigsten Substanzen, die in Spanien zu Leberschäden führen

Es ist wichtig, die drei Formen zu unterscheiden, weil es in der US-Studie von 2015 explizit um Arzneimittel-induzierte Leberschäden ging, die nicht durch Paracetamol ausgelöst wurden [4]. Die neuesten in dem US-Leitfaden gelisteten Daten stammen aus einer spanischen Studie von 2021. Auch dort wurden DILI durch Paracetamol ausgeschlossen. Eingangs heißt es, dass es bei DILI-Registern vor allem darum geht, Informationen über idiosynkratische DILI zu gewinnen [2, 5]. Vor diesem Hintergrund zählen zu den zehn häufigsten Substanzen, die eine DILI auslösen in Spanien [2]: 

  • Amoxicillin/Clavulansäure
  • Tuberkulostatika
  • (pflanzliche) Nahrungsergänzungsmittel (HDS = herbal and dietary supplements)
  • Ibuprofen
  • anabole Steroide
  • Flutamid
  • Isoniazid
  • Atorvastatin
  • Diclofenac
  • Ticlopidin

International beschreibt die AkdÄ, dass Antibiotika, Arzneimittel mit Wirkung auf das zentrale Nervensystem und entzündungshemmende Arzneimittel weltweit am häufigsten eine DILI verursachen. Betont dabei aber, dass (pflanzliche) Nahrungsergänzungsmittel (HDS = herbal and dietary supplements) in einigen asiatischen Ländern häufiger DILI verursachen, wobei solche Nahrungsergänzungsmittel zunehmend auch in westlichen Ländern eingesetzt würden. In einem Fazit heißt es, dass „die Untersuchung eines Patienten mit Verdacht auf eine DILI eine detaillierte Anamnese der Medikation (inklusive HDS) innerhalb der letzten 180 Tage vor der Vorstellung umfassen“ sollte. Die Datenbank „LiverTox“ kann dabei unterstützen [6]. 

Leberschäden – diese Nahrungsergänzungsmittel sollten Sie kennen

Der Praxisleitfaden aus den USA rückt konkret acht HDS in den Mittelpunkt [2]:

Über einige der Stoffe hat die DAZ in den vergangenen Jahren bereits berichtet, entsprechende Artikel finden Sie unter den hinterlegten Links in der obigen Auflistung (blaue Schrift). 

Regeln für NEM nicht streng genug?

In dem US-Leitfaden heißt es, dass viele der bekanntesten Fälle von Hepatotoxizität durch HDS auf Kombinationsprodukte zurückzuführen sind (wie zum Beispiel Herba Life). Man sollte daher auch bedenken, dass sich die lebergefährdenden Eigenschaften einzelner Substanzen addieren können.

Zudem kritisiert der Leitfaden, dass für NEM oft weniger strenge Regeln gelten, so stimme die Zusammensetzung häufig nicht mit den Angaben auf dem Etikett überein. Außerdem hätten Leberschäden durch pflanzliche Heilmittel oder Nahrungsergänzungsmittel häufiger Todesfälle und Transplantationen zur Folge als Leberschäden durch Arzneimittel – wahrscheinlich, weil das NEM erst spät als Ursache erkannt wird [2]. Insofern lohnt es sich sicherlich auch für Apotheker:innen die oben genannten Stoffe im Hinterkopf zu behalten.

Literatur 

[1] Zieschang M. Akute Schädigungen der Leber durch Arzneimittel, pflanzliche Heil- und Nahrungsergänzungsmittel. Arzneiverordnung in der Praxis Ausgabe 3/2023, www.akdae.de/arzneimitteltherapie/avp

[2] Fontana RJ, Liou I, Reuben A, Suzuki A, Fiel MI, Lee W et al. AASLD practice guidance on drug, herbal, and dietary supplement-induced liver injury. Hepatology 2023; 77(3):1036– 65. doi: 10.1002/hep.32689.

[3] Rausch R. Diese Arzneimittel „gehen auf die Leber“. DAZ 2019;40:20, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2019/daz-40-2019/diese-arzneimittel-gehen-auf-die-leber

[4] Chalasani N, Bonkovsky HL, Fontana RJ, Lee W, Stolz A, Talwalkar J, et al..Features and outcomes of 899 patients with drug‐induced liver injury: the DILIN prospective study. Gastroenterology. 2015;148:1340–52.e7, www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S001650851500311X

[5] Stephens C, Robles‐Diaz M, Medina‐Caliz I, Garcia‐Cortes M, Ortega‐Alonso A, Sanabria‐Cabrera J, et al. Comprehensive analysis and insights gained from long‐term experience of the Spanish DILI registry. J Hepatol. 2021;75:86–97, www.sciencedirect.com/science/article/pii/S016882782100043X

[6] Datenbank LiverTox, www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK547852/


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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