Aktualisierung in Nationaler Versorgungsleitlinie

Neue medikamentöse Empfehlungen bei chronischer Herzinsuffizienz

Stuttgart - 12.01.2024, 10:45 Uhr

In der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz stehen vier Substanzklassen im Vordergrund, darunter RAS-Inhibitoren und Betablocker.(Foto: bmarya83/AdobeStock)

In der medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz stehen vier Substanzklassen im Vordergrund, darunter RAS-Inhibitoren und Betablocker.
(Foto: bmarya83/AdobeStock)


Die vierte Version der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) „Chronische Herzinsuffizienz“ ist noch bis Ende 2024 gültig. Dennoch hat sich die Leitliniengruppe dazu entschieden, aufgrund der hohen Versorgungsrelevanz, das neu überarbeitete Kapitel zur medikamentösen Therapie vorab zu publizieren. 

In Deutschland leiden ca. drei bis vier Millionen Menschen unter einer chronischen Herzinsuffizienz und jährlich sterben 40.000 Menschen daran. Trotzdem wird der Erkrankung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, so werden erste Symptome häufig als harmlos abgetan. Dabei haben sich in den letzten Jahren die medikamentösen Therapiemöglichkeiten erheblich verbessert. Im Fokus der überarbeiteten Version der NVL „Chronische Herzinsuffizienz“ stehen vier Substanzklassen zur Prognoseverbesserung. Hierzu zählen:

  • Renin-Angiotensin-System(RAS)­-Inhibitoren
    • Angiotensin-Converting-Enzyme­(ACE)-Hemmer (z. B. Ramipril)
    • AT1-Rezeptorantagonisten (AT = Angiotensin; z. B. Candesartan)
    • Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin­(ARNI)-Inhibitoren (Sacubitril/Valsartan)
  • Betablocker (z. B. Bisoprolol)
  • Natrium-Glucose-Cotransporter-2­(SGLT2)-Inhibitoren (z. B. Empagli­flozin)
  • Mineralcorticoid-Rezeptorantagonisten (MRA, z .B. Spironolacton)

[1, 2, 3]. 
 

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Symptomatische Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF < 40%; Heart Failure with reduced Ejection Fraction [HFrEF]) sollen eine Kombination aus bis zu vier der genannten Substanzklassen erhalten. Welche Arzneimittel ausgewählt werden, in welcher Reihenfolge sie initiiert und wie sie dosiert werden, ist individuell und richtet sich sowohl nach den Begleiterkrankungen der Patienten als auch nach der Verträglichkeit. Die Empfehlungen der Leitliniengruppe basieren darauf, dass für diese vier Klassen u. a. positive Effekte auf die Gesamtsterblichkeit und Hospitalisierungsrate nachgewiesen wurden. Bezüglich der RAS-Inhibitoren gelten die Effekte von ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten als in etwa vergleichbar. ARNI hingegen waren bei Patienten, die aufgrund ihrer Herzinsuffizienz bereits stationär behandelt werden mussten und trotz leitliniengerechter Therapie symptomatisch sind, im direkten Vergleich den ACE-Hemmern überlegen, erhöhten aber das Hypotonie-Risiko. Ob eine Umstellung auf einen ARNI ratsam ist, sollte individuell abgewogen werden. Zu beachten ist, dass in dem Fall die Therapie erst 36 Stunden nach der letzten Einnahme des ACE-Hemmers erfolgen darf (Cave: Angioödem-Risiko). Die Wirksamkeit der Betablocker scheint nicht auf einem Klasseneffekt zu beruhen – so konnten die positiven Effekte bei Patienten mit HFrEF nur unter Bisoprolol, Metoprololsuccinat und Carvedilol beobachtet werden. Falls die Patienten asymptomatisch sind, sollen sie unter Berücksichtigung der Kontraindikationen einen ACE-Hemmer erhalten. Bei Unverträglichkeit kann auch ein AT1-Antagonist gegeben werden. Neu hinzugekommen ist hier die Empfehlung einer Betablocker-Therapie [1]. 

Diuretika & Co. als mögliche Ergänzung

Im Einzelfall kann die Therapie noch um Diuretika, Ivabradin, Vericiguat oder Digitalisglykoside erweitert werden. 
Herzinsuffiziente Patienten mit mäßig reduzierter Ejektionsfraktion (EF = 41 bis 49%; Heart Failure with mid-range Ejection Fraction [HFmrEF]) sollten eine Therapie mit einem SGLT2-Inhibitor erhalten, bei Zeichen einer Flüssigkeitsretention zusätzlich ein Diuretikum. Für RAS-Inhibitoren, Betablocker bzw. Mineralcorticoid-Rezeptorantagonisten spricht die Leitliniengruppe in dem Fall nur eine offene Empfehlung aus, da für Patienten mit HFmrEF keine spezifischen Studien vorliegen. Ähnliche Empfehlungen gelten auch für herzinsuffiziente Patienten mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (EF ≥ 50%; Heart Failure with preserved Ejection Fraction [HFpEF]) [1, 3].

Therapie kontrollieren und gegebenenfalls anpassen

Für alle Betroffenen gilt, dass die Initiierung der Substanzen unter 
engmaschiger Kontrolle schrittweise erfolgen soll, wobei nicht mehr als zwei gleichzeitig angesetzt werden sollen. Auch Dosissteigerungen sollten, wenn möglich, in zwei- bis vierwöchigen Intervallen bis zum gewünschten Zielbereich vorgenommen werden. Sechs bis zwölf Wochen nach Beendigung der Einstellphase soll das Ansprechen bewertet und die Therapie ggf. angepasst werden. Weiter werden regelmäßige Verlaufskontrollen empfohlen. Zudem sollen prognoseverbessernde Medikamente auch bei Abnahme der Beschwerden weder reduziert noch abgesetzt werden (Ausnahme: Unverträglichkeit oder Kontraindikation) [1].

Literatur
[1] Chronische Herzinsuffizienz. Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) der Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Version 4.0, 2023, AWMF-Register-Nr. nvl-006
[2] Was ist chronische Herzschwäche? Stellungnahme, Deutsche Herzstiftung, 27. Juli 2021, https://herzstiftung.de/herz-sprechstunde/stellungnahme/chronische-herzschwaeche
[3] Herzinsuffizienz. Informationen des DocCheck Flexikons, https://flexikon.doccheck.com/de/Herzinsuffizienz, Stand: 7. Dezember 2023


Dr. Martina Wegener, Apothekerin
redaktion@daz.online


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