Aktualisierung der Fach- und Gebrauchsinformationen

Flurbiprofen und Co. – Vorsicht bei Schwangerschaft und Infektionen

Stuttgart - 01.02.2024, 09:15 Uhr

Für Patient:innen ist nicht immer direkt ersichtlich, hinter welchen Präparate-Namen sich nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) verbergen. (Symbolfoto: Aliud Pharma / Hexal / Reckitt Benckiser / DAZ.online)

Für Patient:innen ist nicht immer direkt ersichtlich, hinter welchen Präparate-Namen sich nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) verbergen. (Symbolfoto: Aliud Pharma / Hexal / Reckitt Benckiser / DAZ.online)


Nicht erst ab dem dritten Trimenon kann die Einnahme von Ibuprofen und anderen NSAR in der Schwangerschaft problematisch sein. Das gilt nicht nur für die systemische Einnahme, sondern beispielsweise auch für Flurbiprofen-Lutschtabletten und Sprays. Darauf macht eine Aktualisierung der Fach- und Gebrauchsinformationen solcher Präparate aufmerksam. Neu dabei ist außerdem ein Warnhinweis für die Flurbiprofen-Anwendung bei Infektionen.

Im Zusammenhang mit COVID-19 oder auch Windpocken wurde in der Vergangenheit immer wieder öffentlich die Frage aufgeworfen, ob die Einnahme von Ibuprofen zu einer Verschlechterung einer Infektion führen könnte. Tatsächlich kann Ibuprofen „Infektionssymptome maskieren, was zu einem verspäteten Einleiten einer geeigneten Behandlung und damit zur Verschlechterung der Infektion führen kann“, heißt es beispielsweise in der Fachinformation von „Aktren / Aktren Forte / Aktren Spezial“ [1]. Wie andere nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) kann auch „Diclofenac aufgrund seiner pharmakodynamischen Eigenschaften die Anzeichen und Symptome einer Infektion maskieren“ erklärt zudem die Fachinformation von „Voltaren Dolo 12,5 mg Filmtabletten“. 

Verschlechtert sich unter Anwendung von NSAR also eine Infektion (auch an kombinierte Erkältungspräparate denken!), sollte unverzüglich ärztlicher Rat eingeholt werden, weil eine antiinfektive Therapie notwendig sein könnte [2].

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Neu ist, dass darauf künftig auch in den Fachinformationen von Flurbiprofen hingewiesen werden soll. Laut einem Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), soll in den Produktinformationen von systemischen Flurbiprofen-Darreichungsformen, Darreichungsformen zur Anwendung in der Mundhöhle und transdermalen Pflastern unter anderen neuerdings folgender Warnhinweis zu lesen sein [3, 4]:


„Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass systemische nicht-steroide entzüdungshemmende Arzneimittel (NSAIDs) die Symptome einer Infektion maskieren können, was zu einer verzögerten Initiierung einer angemessenen Behandlung führen und damit den Ausgang der Infektion verschlechtern kann. Dies wurde bei ambulant erworbener, bakterieller Lungenentzündung und bakteriellen Komplikationen bei Varizellen beobachtet. Bei der Verabreichung von [Arzneimittelname], während der Patient an Fieber oder Schmerzen aufgrund einer Infektion leidet, wird eine Überwachung der Infektion empfohlen.“

[3]


Hintergrund der Anpassung ist ein europäisches, die periodischen Sicherheitsberichte bewertendes Verfahren und eine entsprechende Empfehlung des Pharmakovigilanzausschusses (PRAC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA). Der PRAC begründet seine Empfehlung mit Daten aus der Literatur sowie Informationen über Arzneimittel derselben therapeutischen Klasse und hält den Mechanismus der Maskierung von Symptomen für plausibel [3]. Laut Lauer-Taxe (Stand 01.02.2024) sind in Deutschland Lutschtabletten, Sprays und Augentropfen mit dem Wirkstoff Flurbiprofen im Handel. 

Doch das ist nicht die einzige Anpassung der Flurbiprofen-Produktinformationen, die der PRAC für notwendig hält. 

Warum Flurbiprofen in der Schwangerschaft nicht angewendet werden sollte

Jede:r Apotheker:in ist bekannt, dass NSAR im letzten Trimenon einer Schwangerschaft (ab der 28. Woche) kontraindiziert sind. Ansonsten heißt es auf der Webseite embryotox.de, dass Ibuprofen in den ersten zwei Dritteln einer Schwangerschaft – neben Paracetamol – zu den Analgetika/Antiphlogistika der Wahl zählt [5]. Allerdings machte das BfArM im August 2022 darauf aufmerksam, dass (auch in den anderen Schwangerschaftswochen) weitere bislang eher unbekannte Risiken durch NSAR bestehen – auch bei topischer Anwendung [6, 7].

Auf diese Risiken soll nun künftig auch in den Produktinformationen von Flurbiprofen-Präparaten hingewiesen werden – und zwar konkret auch bei den Darreichungsformen zur Anwendung in der Mundhöhle und bei transdermalen Pflastern. Dort soll künftig unter anderem stehen [3]:


„Während des ersten und zweiten Schwangerschaftstrimesters sollte [Arzneimittelname] nicht angewendet werden, es sei denn, dies ist eindeutig notwendig. Bei Anwendung muss die Dosis so niedrig und die Behandlungsdauer so kurz wie möglich gehalten werden. 
 Während des dritten Schwangerschaftstrimesters kann die systemische Anwendung von Prostaglandinsynthesehemmern, einschließlich [Arzneimittelname], zu einer kardiopulmonalen und renalen Toxizität beim Fötus führen. Am Ende der Schwangerschaft kann es zu einer verlängerten Blutungszeit bei Mutter und Kind kommen, und die Wehen können sich verzögern. Daher ist [Arzneimittelname] während des letzten Schwangerschaftstrimesters kontraindiziert.“

[3]


Auch hier stützt der PRAC seine Empfehlung unter anderem auf Informationen zu anderen Arzneimitteln derselben therapeutischen Klasse angesichts eines „plausiblen Mechanismus“. Es sei bei topischen Darreichungsformen nicht bekannt, ob die dadurch erreichte systemische Exposition für einen Embryo/Fötus schädlich sein kann [3].

Die Risiken von NSAR – unterteilt nach den Phasen einer Schwangerschaft

  • An Tieren wurde gezeigt, dass die Gabe eines Prostaglandin-Synthesehemmers bereits bei der Entstehung einer Schwangerschaft stören kann (erhöhter prä-und post-implantärer Verlust) [4]. Zudem besteht eine gewisse Evidenz dafür, dass die Ovulation durch die Einnahme von Cyclooxygenase/Prostaglandinsynthese-Hemmern beeinträchtig wird [1].
  • In der Frühschwangerschaft weisen epidemiologische Studien auf ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten sowie kardiale Missbildungen und Gastroschisis (fehlender Verschluss der Bauchwand) hin [1, 8].
  • Ab der 20. Schwangerschaftswoche können NSAR durch eine fötale Nierenfunktionsstörung ein Oligohydramnion (verringerte Fruchtwassermenge) verursachen. Zudem kann es zur Verengung des Ductus arteriosus kommen [1, 7].
  • Während des dritten Trimesters können bekanntermaßen alle Prostaglandinsynthesehemmer zum vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus und pulmonaler Hypertonie führen. Zudem kann es zu Nierenfunktionsstörungen kommen.
  • Am Ende der Schwangerschaft ist eine Verlängerung der Blutungszeit möglich. Außerdem kann es zur Hemmung der Wehen kommen [1].

All das erscheint für die Beratung in der Apotheke relevant, kann doch alternativ in vielen Fällen beispielsweise auch zur Einnahme von Paracetamol geraten werden. 

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Literatur

[1] Fachinformation von „Aktren / Aktren Forte / Aktren Spezial“, Stand Oktober 2022, www.fachinfo.de/

[2] Fachinformation von „Voltaren Dolo 12,5 mg Filmtabletten“, Stand September 2017, www.fachinfo.de/

[3] Umsetzung des einstimmigen Beschlusses der Koordinierungsgruppe EMA/CMDh/305324/2023 vom 20.07.2023 betreffend die Zulassungen für Humanarzneimittel mit dem Wirkstoff Flurbiprofen, Bescheid vom 22.01.2024, https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Periodic-Safety-Update-Reports_PSURs/PSUR-Single-Assessment/Anlagen/a-f/Flurbiprofen-CMDh-Beschluss.html

[4] Fachinformation von „Flurbiprofen-ratiopharm mit Honig- und Zitronengeschmack 8,75 mg Lutschtabletten“, Stand Oktober 2023, www.fachinfo.de/

[5] Embryotox-Eintrag zu Ibuprofen, https://www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/ibuprofen

[6] Moll D. NSAR wie Ibuprofen in der Schwangerschaft – nur auf ärztlichen Rat einnehmen, DAZ.online 16.08.2022, https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/08/16/nsar-wie-ibuprofen-in-der-schwangerschaft-nur-auf-aerztlichen-rat-einnehmen

[7] Moll D. Wenn schon NSAR in der Schwangerschaft, dann lokal auf der Haut? DAZ.online 04.04.2023, https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/04/04/wenn-schon-nsar-in-der-schwangerschaft-dann-lokal-auf-der-haut

[8] Webseite der Universitätsmedizin Mannheim, https://www.umm.de/klinik-fuer-kinder-und-jugendchirurgie/leistungsspektrum/fehlbildungen-der-bauchdecke/gastroschisis/#:~:text=Die%20Gastroschisis%20ist%20eine%20angeborene,somit%20frei%20vor%20der%20Bauchwand


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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