Fehlverhalten im Gesundheitswesen

AOK NordWest holt sich fast 4 Millionen Euro zurück

Berlin - 20.03.2024, 12:15 Uhr

Abrechnungsbetrug ist die Ausnahme – aber er führt zu hohen Schäden für die Solidargemeinschaft. (Foto: Charlie's /AdobeStock)

Abrechnungsbetrug ist die Ausnahme – aber er führt zu hohen Schäden für die Solidargemeinschaft. (Foto: Charlie's /AdobeStock)


Die Ermittlungsteams der Krankenkassen sind Betrügereien im Gesundheitswesen beständig auf der Spur. Jetzt hat die AOK NordWest ihre Bilanz der vergangenen zwei Jahre vorgelegt: 3,8 Millionen Euro hat sich die Kasse zurückgeholt, 2,3 Millionen Euro davon stammen aus dem Arzneimittelbereich. 53 von 1.362 verfolgten Fällen betrafen Apotheken.

Das Ermittlungsteam der AOK NordWest hat am Dienstag dem Verwaltungsrat seinen Tätigkeitsbericht 2022/2023 vorgelegt. Wie es in einer Pressemitteilung der Kasse heißt, verfolgt das Team aktuell insgesamt 1.362 Fälle aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. Gegenüber dem letzten Tätigkeitsbericht 2020/2021 ist dies ein Anstieg um 32,8 Prozent. „Wir führen dies auch auf die Corona-Pandemie zurück, da in dieser Zeit unter anderem die Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen des Medizinischen Dienstes ausgesetzt wurden und die Hinweisprüfungen und die Ermittlungen von Neufällen nur verzögert möglich waren“, erklärt Jürgen Mosler, Leiter des Fachbereichs Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der AOK NordWest.

Die meisten Leistungserbringer verhalten sich korrekt

Doch wie kommen die Ermittlerinnen und Ermittler den Betrüger*innen auf die Spur? Dazu arbeiten sie eng mit anderen Krankenkassen sowie der Kriminalpolizei, den Hauptzollämtern und den Staatsanwaltschaften zusammen. „Bestätigt sich der Verdacht der Abrechnungsmanipulation, schalten wir die Staatsanwaltschaft ein und fordern die finanzielle Wiedergutmachung des Schadens ein. Ebenfalls prüfen wir, ob eine weitere Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner noch möglich ist“, sagt Mosler. Der AOK-Chefermittler machte auch deutlich, dass die meisten Leistungserbringer korrekt abrechnen. Doch schon einige wenige schwarze Schafe könnten ein schlechtes Licht auf den gesamten Leistungsbereich werfen.  

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Am häufigsten geht es um gefälschte Abrechnungen. So gibt es Pflegedienste, die nie erbrachte Leistungen abrechnen. Eine Variante ist, die Qualifikation des Personals falsch anzugeben und unzulässigerweise höhere Kosten zu berechnen. Das kam beispielsweise auch in einer Physiotherapiepraxis vor – allein hierfür forderte die AOK 160.000 Euro zurück.

Höchste Rückforderung im Bereich der Arznei- und Verbandmittel

Das meiste Geld holte sich das AOK-Team jedoch im Arznei- und Verbandsmittel zurück: 2,3 Millionen Euro waren es hier. Mit einigem Abstand folgt der Leistungsbereich der häuslichen Krankenpflege (636.000 Euro). Für nicht korrekt erbrachte ärztliche Leistungen forderte die Kasse 328.000 Euro zurück.

Wie ein Sprecher der AOK NordWest auf Nachfrage erklärte, fielen von den insgesamt 1.362 Fällen insgesamt 53 Fälle auf Apotheken. Diese hätten nicht nur landesweite (Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe), sondern zum Teil auch bundesweite Auswirkungen gehabt. Hauptvorwurf sei die nicht lege artis durchgeführte Belieferung mit Arzneimitteln gewesen – Stichworte sind hier die Zuweisung von Rezepten oder Patienten. Genauer wollte sich der Sprecher nicht äußern.

Mehr Spezialeinheiten gefordert

Um künftig noch schlagkräftiger vorgehen zu können, fordert der Verwaltungsrat der AOK NordWest mehr Spezialeinheiten der Polizei und die Einführung von speziellen Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Westfalen-Lippe, die sich ausschließlich mit Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen befassen. „Eine Zuständigkeitskonzentration im Bereich des Abrechnungsbetrugs wird bislang nicht priorisiert. Das sollte künftig geändert werden“, sagte Johannes Heß, alternierender AOK-Verwaltungsrats-vorsitzender und Arbeitgebervertreter. 

Außerdem fordert die AOK klare datenschutzrechtliche Regelungen, um potenziellen Betrugsfällen noch intensiver nachgehen zu können. „Im Zeitalter der Digitalisierung könnte auch durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellen Lernens Fehlverhalten im Gesundheitswesen verhindert werden. Im Zuge von Ermittlungen sollte es künftig zudem ermöglicht werden, dass die Sozialversicherungsträger relevante Daten direkt untereinander austauschen dürfen und Abrechnungsbetrug und Korruption damit noch besser aufgedeckt werden könnten“, sagte Mosler.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

2,3 Mio Rückforderungen waren Retaxationen

von Andreas Grünebaum am 20.03.2024 um 18:15 Uhr

Es liegt auf der Hand: lediglich 54 gemeldete Fehlverhalten von Apothekern im Zusammenhang von Zuweisungen von Patienten, denen aber 2,3 Millionen Euro Rückforderungen im Bereich Arzneimittel entgegenstehen. Hier handelt es sich ganz offensichtlich um die Summe aus den allgemeinen Retaxationen. Wie diese zu bewerten sind, wissen wir hinlänglich!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ok

von Karl Friedrich Müller am 20.03.2024 um 14:43 Uhr

Die AOK stellt Apotheken an den Pranger, will aber nichts Genaues sagen.
Dann könnte es sein, dass die AOK einfach lügt?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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