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Vier Jahre nach dem ersten Lockdown
FDP drängt auf gründliche Aufarbeitung der COVID-19-Pandemie
Vier Jahre nach dem Beginn des ersten Lockdowns in Deutschland fordert die FDP-Bundestagsfraktion in einem Brief an ihre Koalitionspartner erneut die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Untersuchung der Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie. Union und die Linke haben ihre Unterstützung signalisiert. Unterdessen wird über ein internationales Pandemieabkommen verhandelt. Allerdings haben aktuell andere Krisenszenarien Vorrang.
Die FDP-Bundestagsfraktion fordert eine Aufarbeitung der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki und FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann haben sich diese Woche für die Einsetzung einer Enquete-Kommission ausgesprochen: „Ohne Aufarbeitung kann die nächste Pandemie uns als Gesellschaft irreversibel und katastrophal schädigen. Das dürfen wir als Regierungskoalition nicht zulassen“, sagte Ullmann.
Kubicki zufolge hätten einige der damaligen Maßnahmen gegen die Pandemie – wie etwa die 2G-Beschränkung – schwerwiegende Schäden in der Gesellschaft verursacht. Es müssten „Gräben wieder zugeschüttet werden“. Heute vor genau vier Jahren begann in Deutschland der erste Lockdown als Reaktion auf die Pandemie.
„Gesellschaftliche Heilung“
Kubicki und Ullmann haben sich schriftlich an die Fraktionsführungen von SPD und Grünen gewandt und die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur COVID-19-Pandemie gefordert. Darin heißt es: „Wenn wir nicht gründlich mit wissenschaftlicher Hilfe aufarbeiten, welche Maßnahmen notwendig und sinnvoll waren, welche Entscheidungsprozesse legitim und demokratisch angemessen waren, welche wirtschaftlichen Einschnitte vertretbar und effizient waren, dann kann es passieren, dass schnell das Vergessen Einzug hält und eine gesellschaftliche Heilung nicht eintreten kann.“
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Es dürfe nicht noch einmal passieren, dass elementare parlamentarische Rechte und Pflichten an die Exekutive übergeben werden. Grundrechte seien aufgrund „schwacher Datenlage in Mitleidenschaft gezogen“, Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen stark beeinträchtigt worden. Zudem hätten die politisch Verantwortlichen gesellschaftliche Spaltungstendenzen befördert, so die beiden Liberalen. Nur mit einer umfassenden Aufarbeitung könne „gesellschaftliche Heilung“ einsetzen.
Für die Einberufung einer Enquete-Kommission wird die Unterstützung von mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestags benötigt. Sie besteht aus Mitgliedern aller Bundestagsfraktionen und externen Sachverständigen.
Unterstützung von Linken und Union
Auch Gregor Gysi (Linke) hatte sich bereits im September 2023 gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) für die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen ausgesprochen: „Eine Enquete-Kommission brauchen wir, in der wir mal alle Fragen im Zusammenhang mit Corona und Pandemie aufwerfen.“ Dazu zählt Gysi auch die Untersuchung zu möglichen Impfschäden. Einen Untersuchungsausschuss zum Thema, wie von der Fraktion der AfD gefordert, lehnte Gysi ab, da es in erster Linie nicht um persönliche Verantwortlichkeit und nachdrückliche Schuldzuweisung gehe. Vielmehr müssten Lehren für zukünftige Krisen entwickelt werden.
Die Einsetzung einer Enquete-Kommission wird auch von der Unionsfraktion unterstützt. Der gesundheitspolitische Sprecher der Union im Bundestag Tino Sorge (CDU) hatte bereits gegenüber der FAZ geäußert, dass begangene Fehler aufgearbeitet werden müssten, um für zukünftige Gesundheitskrisen gewappnet zu sein.
Ringen mit den Ampel-Partnern
Bereits Ende 2022 hatte die FDP-Bundestagsfraktion erstmals die Einsetzung einer Corona-Enquete-Kommission gefordert. Im März 2023 hatte sie dazu ein Positionspapier vorgelegt.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, hatte die damaligen Forderungen der FDP scharf kritisiert und Bundestagsvize Kubicki in die Nähe von AfD-Positionen gerückt. Kubicki habe während der Pandemie „immer wieder extreme Positionen vertreten und durch eine zum Teil AfD-nahe Rhetorik versucht, eine gesellschaftliche Spaltung herbeizureden“. Es bestehe die Gefahr, im Rahmen einer intensiven Aufarbeitung, „dass es am Ende eher ein Kampf um Deutungshoheiten und nachträgliche Schuldzuweisungen wird und damit weiteres Vertrauen der Bevölkerung verloren geht“, hatte Dahmen im April 2023 gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ erklärt.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) signalisierte damals seine Unterstützung für die Einsetzung einer Enquete-Kommission. Gegenüber der „Zeit“ hatte er Ende März 2023 eingeräumt, „dass man im Nachhinein den einen oder anderen Weg, der damals beschritten wurde, anders beschreiten würde“.
Pandemievertrag der WHO
Neben der erneuten Forderung zur Einsetzung einer Enquete-Kommission hat sich die FDP-Fraktion auch für die Unterzeichnung des Internationalen Vertrags zur Pandemieprävention und -vorsorge ausgesprochen. Im Mai 2021 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen, ein internationales Vertragswerk ihrer Mitglieder für ein koordiniertes Vorgehen im Falle einer Pandemie zu entwickeln. Die FDP warnte vor einem Scheitern und hat ein eigenes Positionspapier dazu vorgelegt. Das berichtete der „Tagesspiegel Background"-Newsletter am Donnerstag.
Die Verhandlungen des zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums (Intergovernmental Negotiation Body) laufen seit diesem Montag. Er setzt sich aus Vertreter:innen der 194 Mitgliedsstaaten der WHO zusammen, wobei die EU stellvertretend für ihre nationalen Mitglieder verhandelt. Im Mai soll das Abkommen verabschiedet werden.
EU: Neue Krisen haben Priorität
Die EU hatte bereits zum Jahresbeginn klargemacht, dass der Pandemie-Prävention vor dem Hintergrund neuer Krisen keine Priorität mehr zukommt. Sie benötigt Geld für die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Aber auch die eigene Aufrüstung und Kosten für die „Abwehr“ von Migrant:innen belasten den EU-Haushalt. Zur Kompensation wurden dem EU4Health-Programm im Januar eine Milliarde Euro entzogen, die für die Pandemieprävention vorgesehen waren. Das Programm war als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ins Leben gerufen worden.
1 Kommentar
Alle etblierten Parteien sollten keine Aufarbeitung fordern
von Christian Wiechering am 27.03.2024 um 19:33 Uhr
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