Postvirale Syndrome

Ist der Begriff Long-COVID überholt?

28.03.2024, 13:45 Uhr

Begriffe wie Long-COVID implizieren laut australischen Forschern fälschlicherweise, dass es etwas Einzigartiges an längerfristigen Symptomen gibt, die mit dem Corona-Virus verbunden sind. (Foto: Zerbor / AdobeStock)

Begriffe wie Long-COVID implizieren laut australischen Forschern fälschlicherweise, dass es etwas Einzigartiges an längerfristigen Symptomen gibt, die mit dem Corona-Virus verbunden sind. (Foto: Zerbor / AdobeStock)


Im australischen Bundesstaat Queensland wurden mehr als 5.000 Personen ein Jahr nach einer Virusinfektion zu Symptomen und funktionellen Beeinträchtigungen befragt. Es gab keine Unterschiede zwischen ehemaligen Patienten mit COVID-19, Influenza und anderen Atemwegserkrankungen. Die Studienautoren kritisieren deshalb Begriffe wie Long-COVID.

Die Ergebnisse stehen im Einklang mit den Ergebnissen einer 2023 veröffentlichten Kohortenstudie, bei der 12 Wochen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder dem Influenza-Virus bei den Betroffenen kein Unterschied hinsichtlich der Symptome und funktionellen Beeinträchtigungen festgestellt worden war. Für die Folgestudie, die auf dem diesjährigen Europäischen Kongress für klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten (ECCMID 2024) vom 27. bis 30. April in Barcelona (Spanien) vorgestellt werden wird, hatten die Forscher zwischen dem 29. Mai und dem 25. Juni 2022 im australischen Bundesstaat Queensland 5.112 symptomatische Personen ab 18 Jahren befragt. Darunter befanden sich Personen mit einer PCR-bestätigten COVID-19-Infektion (N=2.399) und 2.713 Erwachsene, die PCR-negativ für COVID-19 waren. Außerdem waren 2.995 Influenza-positiv und 1.718 PCR-negativ für beide Infektionen, aber symptomatisch mit einer Atemwegserkrankung.

Keine Unterschiede nach einem Jahr

Ein Jahr nach dem PCR-Test, im Mai und Juni 2023, wurden die Teilnehmenden mithilfe eines Fragebogens erneut zu anhaltenden Symptomen wie beispielsweise Fatigue, Muskelschmerzen, Husten, Brain fog („Gehirnnebel“) oder Dyspnoe befragt. Zu diesem Zeitpunkt berichteten 16 % (834/5.112) aller Befragten über anhaltende Symptome und 3,6 % (N=184) über mittelschwere bis schwere funktionelle Beeinträchtigungen ihrer Aktivitäten des täglichen Lebens. Nach der Adjustierung auf Einflussfaktoren wie beispielsweise Alter, Geschlecht ergaben sich keine Hinweise darauf, dass COVID-19-positive Erwachsene ein Jahr nach ihrer Diagnose mit größerer Wahrscheinlichkeit mittelschwere bis schwere funktionelle Einschränkungen aufwiesen als symptomatische Erwachsene, die negativ auf COVID-19 getestet worden waren (3,0 % vs. 4,1 %, aOR 0,75, 95% KI 0,51-1,07).

Die Autoren ziehen aus diesen Ergebnissen die Schlussfolgerung, dass es keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für funktionelle Beeinträchtigungen nach einer COVID-19-Infektion im Vergleich mit anderen viralen Erkrankungen gibt. Sie halten es für möglich, dass während der Pandemie allein aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen Long-COVID als eigenständige und schwere Krankheit in den Fokus gelangt sein könnte.

Begriff Long-COVID nicht mehr verwenden?

„Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, die Ergebnisse nach COVID-19 mit denen nach anderen Atemwegsinfektionen zu vergleichen und die postviralen Syndrome weiterzuerforschen“, sagte Dr. John Gerrard, Chief Health Officer von Queensland und einer der Studienautoren. Er fügt hinzu: „Darüber hinaus glauben wir, dass es an der Zeit ist, Begriffe wie 'Long-COVID' nicht mehr zu verwenden. Sie implizieren fälschlicherweise, dass es etwas Einzigartiges und Außergewöhnliches an längerfristigen Symptomen gibt, die mit diesem Virus verbunden sind. Diese Terminologie kann zu unnötiger Angst und in einigen Fällen zu Hypervigilanz bei längeren Symptomen führen, die die Genesung behindern können.“

Mehr zum Thema

Die deutsche S1-Leitlinie „Long/Post-COVID - Living Guideline“, deren Gültigkeit am 4. März 2024 abgelaufen ist, führt aus, dass die Pathogenese des Long/Post-COVID-Syndroms multifaktoriell und nicht eindeutig geklärt ist. Es gebe auch keine bestimmten Laborwerte zur Diagnose dieser Erkrankung. Nach Auskunft des Leitliniensekretariats wird die Publikation der aktualisierten Version der Leitlinie für Ende Mai erwartet.

Literatur 

Brown M, Gerrard J, Sparrow T et al. Long COVID looks like other post-viral syndromes 12 months after infection. Vorveröffentlichung des Posters P0327 auf dem European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ECCMID 2024), Barcelona (Spanien), 27. bis 30. April 2024

Long COVID ‘indistinguishable’ from other post-viral syndromes a year after infection. Pressemitteilung der European Society of Clinical Microbiology & Infectious Diseases (ESCMID) vom 15. März 2024

Brown M, John Gerrard J, Lynne McKinlay L Ongoing symptoms and functional impairment 12 weeks after testing positive for SARS-CoV-2 or influenza in Australia: an observational cohort study. BMJ Public Health 2023; 1:e000060, doi:10.1136/bmjph-2023-000060

S1-Leitlinie Long/ Post-COVID - Living Guideline“, Stand 05.03.2023, gültig bis 04.03.2024


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

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von Anita Peter am 29.03.2024 um 10:09 Uhr

Ja aber womit soll KL dann jetzt noch Panik verbreiten?

Ebenso interessant:

https://www.cicero.de/kultur/rki-protokolle-corona-nichtevidenz-masken

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