Studie zeigte Versechsfachung des Ansteckungsrisikos

Pneumokokken-Infektion: Risikofaktor Enkelkontakt

Stuttgart - 10.04.2024, 07:00 Uhr

Eine Pneumokokken-Impfung wird für Säuglinge ab zwei Monaten, für alle Erwachsenen ab dem Alter von 60 Jahren sowie für Personen mit verschiedenen Grundkrankheiten empfohlen. (Foto: Bernard Chantal / AdobeStock)

Eine Pneumokokken-Impfung wird für Säuglinge ab zwei Monaten, für alle Erwachsenen ab dem Alter von 60 Jahren sowie für Personen mit verschiedenen Grundkrankheiten empfohlen. (Foto: Bernard Chantal / AdobeStock)


Während bei Kindern unter zwei Jahren die Impfquoten bei der Pneumokokken-Impfung hoch sind, sind diese bei älteren Personen vergleichsweise niedrig. Welche Risiken sich daraus ergeben können, zeigt eine Untersuchung aus den USA.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Pneumokokken-Impfung für alle Säuglinge ab dem Alter von zwei Monaten, für alle Erwachsenen ab dem Alter von 60 Jahren sowie für Personen mit verschiedenen Grundkrankheiten wie beispielsweise Diabetes, Immunschwäche oder Asthma. Auch Erwachsenen mit erhöhtem beruflichem Risiko (z. B. Schweißern) wird zu einer Immunisierung gegen Pneumokokken geraten [1].

Pneumokokken-Impfquoten in Deutschland

Bei den Schuleingangsuntersuchungen im Jahr 2020 lagen die Quoten der vollständigen Pneumokokken-Impfung bei Kindern im Alter zwischen vier und sieben Jahren bei 82,2 % [2]. Dagegen hatte eine 2024 veröffentlichte Analyse von Sekundärdaten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ergeben, dass die STIKO-Empfehlungen für erwachsene Risikopatienten in Deutschland nicht in ausreichendem Maße umgesetzt werden. Die untersuchte Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen wies eine Impfquote von 13 % auf, während weniger als jede 5. Person ab 16 Jahren mit einer chronischen Grunderkrankung die empfohlene Indikationsimpfung erhalten hatte [3].

Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie

Eine amerikanische Arbeitsgruppe hat in New Haven (Connecticut, USA) eine Längsschnittstudie durchgeführt, um das Übertragungsrisiko für Pneumokokken bei Älteren näher zu beleuchten. In zwei Zeiträumen der Jahre 2020 bis 2022 untersuchte man 121 Personen im Alter zwischen 60 und 86 Jahren, in deren Haushalten (n=61) keine Kinder lebten. Über einen Zeitraum von zehn Wochen wurden den Teilnehmern alle 14 Tage Speichelproben entnommen. Außerdem füllten sie Fragebögen zum Sozialverhalten und zur Gesundheit aus. Die Speichelproben wurden anschließend mittels quantitativer PCR (qPCR) auf das Vorhandensein von Pneumokokken-DNA untersucht. Bei 52 von 1.088 Speichelproben (4,8 %) war der Pneumokokken-Nachweis positiv. Rund 22 % der Personen wurden an mindestens einem Tag der Probenentnahme positiv getestet. Die Forscher erfassten außerdem, in welchem Umfang die Teilnehmer Kontakt zu Kindern hatten und in welchem Alter die Kinder waren.

Teilnehmer, die täglich oder alle paar Tage Kontakt zu Kindern hatten, wiesen eine höhere Punktprävalenz für eine Kolonisation mit Pneumokokken auf als diejenigen, die vor der Probennahme keinen Kontakt hatten (10 % vs. 1,6 %). Es gab außerdem Unterschiede zwischen den Altersgruppen der Kinder. So lag beispielsweise die Punktprävalenz bei Kontakt mit Babys (Alter < 12 Monate) bei 14 %, bei Kleinkindern (2 bis 5 Jahre) bei 17 % und bei Schulkindern (> 10 Jahre) bei 8 %.

Die statistische Auswertung ergab ein dreifach erhöhtes Ansteckungsrisiko für Pneumokokken bei Kontakt mit Kindern unter zehn Jahren (Hazard ratio, HR: 3,0, 95 % KI 1,3-7,2). Bei Personen, die täglich oder alle paar Tage mit Kindern zusammen waren, war das Risiko im Vergleich zu Älteren ohne Kontakt sechsfach erhöht (HR 6,0, 2,3-15,2) [4].

Nach Ansicht der Erstautorin der Studie, Dr. Anne Wyllie von der Yale School of Public Health, New Haven (USA) besteht der Hauptnutzen der Pneumokokkenimpfung für Erwachsene darin, ältere Erwachsene direkt zu schützen, die mit Kindern in Kontakt kommen. Denn diese können trotz Impfung noch immer Pneumokokken übertragen.

Limitationen der Studie

Die Autoren weisen darauf hin, dass an der Untersuchung überwiegend weiße Personen (87 %) mit höherer Bildung teilnahmen. Deshalb ist die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse auf Personen anderer ethnischer Gruppen, Bildungsgrade und Regionen begrenzt. Außerdem könnte die Gesamtprävalenz der Träger unterschätzt worden sein, da die Proben nur aus dem Speichel und nicht aus anderen Bereichen der oberen Atemwege stammen.

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Literatur

[1] Schutzimpfung gegen Pneumokokken: Häufig gestellte Fragen und Antworten. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Pneumokokken/FAQ-Liste_Pneumokokken_Impfen.html, Stand: 27.3.2024, Abruf am 4.4.2024

[2] Impfquoten bei den Schuleingangsuntersuchungen in Deutschland 2020. Alter 4-7 Jahre (Geburtenjahrgänge 2012-2015), https://www.nali-impfen.de/monitoring-daten/impfquoten/, Abruf am 4.4.2024

[3] Mihm S, Schelling J, Wölle R et al. Impfquoten der Pneumokokken-Impfung bei Personen mit impfrelevanten Grunderkrankungen und Personen ab 60 Jahren – Eine Analyse von Sekundärdaten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dtsch Med Wochenschr 2024; 149: e1–e10 DOI 10.1055/a-2178-8306

[4] Vorveröffentlichung des Posters „Contact with young children is a major risk factor for pneumococcal colonization in older adults“ (Wyllie A et l.) auf dem European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ECCMID 2024), Barcelona (Spanien), 27. bis 30. April 2024

[5] Recent contact with young children linked to trebling of risk of over-60s acquiring pneumonia-causing bacteria. Pressemitteilung der Pressemitteilung der European Society of Clinical Microbiology & Infectious Diseases (ESCMID) vom 4. April 2024


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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