Abkommen gegen Biopiraterie

Indigene Völker sollen an Profiten von Unternehmen beteiligt werden

Berlin - 14.05.2024, 14:30 Uhr

Kurkuma ist eine traditionelle indische Heilpflanze. Westliche Unternehmen profitieren vom indigenen Heilwissen. (Foto: IMAGO / Pond5 Images)

Kurkuma ist eine traditionelle indische Heilpflanze. Westliche Unternehmen profitieren vom indigenen Heilwissen. (Foto: IMAGO / Pond5 Images)


Westliche Staaten und Unternehmen haben sich im Zuge des Kolonialismus Pflanzen und Heilwissen indigener Kulturen angeeignet. Von den Gewinnen, die daraus generiert werden, sollen zukünftig auch die Herkunftsländer und deren Bevölkerung profitieren. Nach über 20-jährigen Verhandlungen steht nun der UN-Vertrag gegen Biopiraterie kurz vor dem Abschluss. Pharma- und Kosmetikproduzenten müssen finanzielle Einbußen befürchten.

Seit Montag beraten in Genf etwa 1.200 Diplomaten und Regierungsvertreter über den geplanten Abschluss des UN-Vertrags gegen Biopiraterie. Durch den Vertrag sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, bei Patentanmeldungen anzugeben, aus welchen Herkunftsländern Pflanzen oder Organismen stammen, die sie für die Herstellung von Produkten verwenden. Insbesondere Arzneimittel und Kosmetika wären davon betroffen. Die Herkunftsländer sollen an den Profiten beteiligt werden. Darüber berichtete die Deutsche Presseagentur (dpa) am vergangenen Montag. Unter der Schirmherrschaft der UN-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) soll das Vertragswerk am 24. Mai zum Abschluss kommen – die Verhandlungen dazu laufen seit über 20 Jahren.

Hintergrund

Viele Arzneimittel und Kosmetika basieren auf dem Wissen indigener Völker, die dieses zum Teil seit Jahrtausenden kultivieren. „Etwa 70 Prozent der Krebsmittel werden aus natürlichen Produkten oder synthetischen Verbindungen nach dem Vorbild der Natur gewonnen“, sagt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Internationale Unternehmen haben sich dieses Wissen angeeignet und daraus patentgeschützte Produkte entwickelt, mit denen sie großen Profit erzielen. Die Herkunftsländer des Biomaterials und des dazugehörigen Wissens wurden daran nicht beteiligt. Es geht also um kulturelle Aneignung, ein Thema, das die Sozial- und Geisteswissenschaften seit langem umtreibt.

Bisheriger Rechtsrahmen

Nach Aussage von Wend Wendland, der die Abteilung für traditionelles Wissen bei der WIPO leitet, kann eine Pflanze, die in der Natur vorkommt, nicht patentiert werden. Das gehe nur, wenn etwas extrahiert und daraus ein neues Produkt entwickelt werde. Axel Paulsch, Vorsitzender des Deutschen Instituts für Biodiversität (ibn), sagte gegenüber der dpa: „Es steht jedem offen, aus Alpenkräutern ein medizinisches Produkt zu machen.“

Ein erster Schritt zur Regelung der Gewinnbeteiligung von Herkunftsländern genetischer Ressourcen ist das Nagoya-Protokoll, das im Jahr 2014 in Kraft getreten ist. Er bestimmt den völkerrechtlichen Rahmen für den Zugang zu genetischen Ressourcen und einen gerechten Vorteilsausgleich. „Früher konnte man eine Heilpflanze etwa aus Ecuador mitnehmen, untersuchen, welche Gene für die Heilung zuständig sind, daraus ein Medikament machen und Ecuador hatte nichts davon. Das Nagoya-Protokoll sorgt für einen gerechten Vorteilsausgleich“, sagt ibn-Vorsitzender Paulsch. Allerdings hielten sich nicht alle Unternehmen an die Regeln und eine effiziente Überwachung finde nicht statt. Weiterhin sei bisher ungeklärt, ob im Falle von Verstößen auch Patente entzogen werden könnten. Mit dem geplanten WIPO-Vertrag gegen Biopiraterie soll ein verbindlicherer Rechtsrahmen geschaffen werden.

Beispiele von Biopiraterie

Biopiraterie bei Arzneimitteln und Kosmetika war schon vielfach Gegenstand von Patentrechtsstreitigkeiten. Bekanntestes Beispiel ist Kurkuma. Im März 1995 wurde zwei indischstämmigen Wissenschaftlern darauf ein Patent als Wundmittel erteilt. Dagegen klagte der Indian Council for Scientific and Industrial Research (CSIR), mit der Begründung, das Mittel werde bereits seit Jahrtausenden zur Wundbehandlung eingesetzt. Das Patent wurde widerrufen. 

Die Pflanzenart Hoodia gordonii aus dem südlichen Afrika wurde traditionell auf langen Wanderungen als Appetitzügler verwendet. Die südafrikanische Regierung ließ sich den daraus extrahierten Wirkstoff „P57“ im Jahr 1996 patentieren, im Folgejahr verkaufte sie das Patent an das Pharmaunternehmen Pfizer. 2002 wurde der Volksgruppe der Khoi-San gerichtlich eine Gewinnbeteiligung für Produkte zugesprochen, die auf Hoodia gordonii basieren. Pfizer zog das Patent jedoch im selben Jahr zurück.

Afrikanische Staaten fordern schärfere Sanktionen

Die Vertreter afrikanischer Staaten haben sich bei den Verhandlungen der WIPO in Genf am Montag dafür ausgesprochen, Biopiraterie schärfer zu sanktionieren. Das brachte der Vertreter Kenias repräsentativ für die afrikanische Gruppe am Montag zum Ausdruck: „Die afrikanische Gruppe setzt sich für ein internationales Abkommen ein, das die souveränen Rechte der Mitgliedsstaaten über ihr traditionelles Wissen und die damit verbundenen genetischen Ressourcen anerkennt und schützt.“

Kritik aus der Forschung

Kritik an den Plänen kommt aus den Reihen westlicher Forscher. Amber Scholz von der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen des Leibniz-Instituts sieht die Kooperation in der Forschung bedroht: „Je mehr Daten und Ressourcen wir haben, desto besser können wir unseren Job machen. Wenn die Nutzung von biologischer Vielfalt kompliziert wird, schränkt das unsere Fähigkeit ein, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Beispiel Impfstoff: Wenn wir nicht schnell Material oder DNA-Sequenzen bekommen, gibt es keinen schnellen Impfstoff. Wer weiß, was die Gesellschaft da verpasst hat“, sagte Scholz gegenüber der dpa.

Nach Aussage von Axel Paulsch könne das Problem ohnehin nicht dauerhaft durch den geplanten Vertrag gegen Biopiraterie gelöst werden. Er verweist auf die Möglichkeit der Sequenzierung von DNA: „Die neue Herausforderung sind gentechnische Verfahren, mit denen Wirkstoffe einer Pflanze nachgemacht werden können. Wenn die DNA entschlüsselt und in einer Datenbank verfügbar ist, braucht man die Pflanze gar nicht mehr. Die große Frage: Soll das Herkunftsland der Pflanze trotzdem einen Nutzen haben?“ Weder das Nagoya-Abkommen noch das geplante WIPO-Abkommen setzten sich mit dem Sequenzierungs-Problem auseinander, so Paulsch: „Ein Vorschlag ist, dass Firmen und Forschungseinrichtungen in einen Topf bezahlen, wenn sie Sequenzen nutzen. Das Geld soll dann allen Ländern, die viele genetische Ressourcen haben, zugutekommen.“


mz / dpa


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.