Ein Fall für Inhaler

Asthma und COPD – welches Inhalationssystem eignet sich für welche Patienten?

15.05.2024, 17:50 Uhr

Die Inhalationstherapie spielt sowohl bei Asthma als auch bei COPD eine zentrale Rolle. Der Inhaler-Markt ist groß, doch nicht jeder Inhaler eignet sich für jeden. (Foto: Bernd Libbach / AdobeStock, Bildbearbeitung: go-grafik.de)

Die Inhalationstherapie spielt sowohl bei Asthma als auch bei COPD eine zentrale Rolle. Der Inhaler-Markt ist groß, doch nicht jeder Inhaler eignet sich für jeden. (Foto: Bernd Libbach / AdobeStock, Bildbearbeitung: go-grafik.de)


Für die Behandlung von Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) steht eine Vielzahl an Inhalatoren zur Verfügung, die sich in Handhabung, Inhalationstechnik und Ansprüchen an die patientenindividuelle Lungenfunktion unterscheiden. Neben der Verordnung geeigneter Wirkstoffe in adäquater Dosierung spielt die Auswahl des Inhalationssystems eine entscheidende Rolle für eine effektive Krankheitskontrolle und gleicht aufgrund des großen Angebots nicht selten einer Detektivarbeit. Was gilt es dabei zu beachten?

Die derzeit im Handel befindlichen Inhalationssysteme zur Applikation von kurz- und langwirkenden Beta-2-Sympathomimetika, Corticosteroiden und Anticholinergika unterteilen sich in Dosieraerosole, Sprühvernebler (Respimat®), Pulverinhalatoren und elektrische Vernebler. Letztere werden in der Regel nicht zur Langzeittherapie von Asthma und COPD empfohlen und kommen nur bei Kleinkindern, Menschen mit Behinderungen und geriatrischen Patienten zum Einsatz, die kompakte Inhalatoren nicht bedienen können [1].

Schnell versus langsam

Ein Großteil der Bedienungsschritte stimmt bei sämtlichen Inhalatoren überein: Nach Beendigung der gerätespezifischen Vorbereitungsschritte erfolgt die Anwendung des Inhalators in aufrechter Position mit leicht zurückgeneigtem Kopf. Der Patient atmet vollständig aus, inhaliert und hält anschließend den Atem so lange wie möglich an. Der entscheidende Unterschied liegt im Inhalationsmanöver selbst: Während aus Dosieraerosolen und Respimat® langsam inhaliert wird, erfordern Pulverinhalatoren eine schnelle und kräftige Inspiration [1, 2].

Mehr zum Thema

Wie sich Pulverinhalatoren unterscheiden

Welche Inhalatoren gut fürs Klima sind – und die Patienten

Diese Abweichung mag zunächst unwesentlich erscheinen, hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die intrabronchiale Verfügbarkeit sowie unerwünschte Arzneimittelablagerungen im Mund-Rachen-Raum und dadurch assoziierte Nebenwirkungen [3].

Koordiniertes Manöver

Bei Dosieraerosolen liegt der Wirkstoff gelöst oder suspendiert in einem unter Druck verflüssigten unchlorierten Treibgasmittel (Hydrofluoralkane [HFA], z. B. Tetrafluor­ethan = Norfluran) vor. Um die Abgabe inkonsistenter Wirkstoffdosen zu vermeiden, müssen Suspensionen (z. B. in Sultanol®, Viani®) vor jeder Anwendung kräftig geschüttelt werden. Das Auslösen der Dosis setzt ein Aerosol fein vernebelter kleiner Tröpfchen frei, das mit einer Geschwindigkeit von weniger als 0,5 Sekunden den Inhalator verlässt. Während die Mobilisation des Aerosols kaum Energie in Form forcierter Inspiration erfordert, muss der Patient in der Lage sein, Dosisauslösen und Inhalation reaktionsschnell zu koordinieren (Ausnahme Atemzug-gesteuerte Dosieraerosole) [1, 2, 3]. Die langsame, tiefe Inhalation über die Dosisabgabe hinaus mit anschließender Atempause gewährleistet eine homogene Wirkstoffdeposition in den Bronchien [3]. Dosieraerosole eignen sich entsprechend für Patienten, die weder zu einem zügigen Inhalationsmanöver fähig sind noch über einen ausreichend hohen Inspirationsfluss verfügen (siehe Abb.) [1].

Aerosphere®-Inhalatoren (Bevespi®, Trixeo®) enthalten zusätzlich zum Treibgasmittel eine neuartige galenische Formulierung aus Phospholipiden, die reversibel an die Wirkstoffmoleküle bindet und so für eine konsistente Dosierung suspensionsbasierter Arzneimittel sorgt [2].

grün = empfohlen, gelb = Inhalator mit hohem Gerätewiderstand, blau = nur mit Spacer, rot = nicht empfohlen

Erleichterte Inhalation

Bei begrenztem Koordinationsvermögen bieten Atemzug-gesteuerte Dosieraerosole (Autohaler®, Easi-Breathe®) eine Alternative, da die Dosis durch den Inspirationsluftstrom freigesetzt wird. Von Nachteil ist die limitierte Anzahl an Wirkstoffen, die mit dem Inhalator-Typ im Handel erhältlich sind. Neben einem für die COPD-Behandlung obligaten Anticholinergikum fehlt ebenso ein Angebot an Fixkombinationen aus Corticosteroid und Formoterol für eine leitliniengerechte Asthma-Therapie [1, 3, 4].

Spacer (AeroChamber Plus Flow-VU®, Vortex®) ermöglichen insbesondere Kindern unter sechs Jahren die Nutzung von Dosieraerosolen ohne die erforderliche synchrone Anwendung. Zudem verringert die Inhalierhilfe Wirkstoffablagerungen im Mund-Rachen-Raum, da die Geschwindigkeit der Aerosolfreisetzung verlangsamt wird und größere Teilchen an der Wand des Zwischenstücks haften bleiben. Eine regelmäßige Reinigung ist daher zwingend notwendig [1, 2].

Tab. 1: Mögliche Fehlerquellen beim Inhalieren [3,5,7]

Dosieraerosol
  • versäumtes Schütteln von Suspensionen führt zu Fehldosierungen
  • mangelnde Synchronisation von Dosisfreigabe und Inspiration bei nicht Atemzug-gesteuerten Geräten
  • schnelle Inhalation, die direkt nach Dosisabgabe abgebrochen wird, ist mit unerwünschten Ablagerungen im Mund-Rachen-Raum verbunden
Pulverinhalator
  • Schlucken der Pulverkapsel
  • fehlerhafte Inhalatorhaltung bei der Vorbereitung verhindert präzise Dosierung (gilt für: Turbohaler®, Twisthaler®, Novolizer®, Genuair® und Easyhaler®)
  • unzureichende Fingerkraft verhindert Wirkstofffreigabe (gilt für Handihaler®, Aerolizer®, Breezhaler®)
  • versäumtes Schütteln führt zu Fehldosierung (gilt für Easyhaler®)
  • Inhalation von Trockenmittel nach Überschreiten der Restfüllmenge (gilt für Turbohaler®, Twisthaler®)
  • langsames Inhalieren fördert die Partikeldeposition im Mund-Rachen-Raum
  • Ausatmen in Reservoirsysteme lässt Pulver verklumpen
  • Kapseln werden im Inhalator aufbewahrt und ziehen Feuchtigkeit
allgemein
  • Versäumnis einer anschließenden Atempause verhindert eine ausreichende bronchiale Sedimentation der Teilchen
  • versäumtes Mundspülen fördert das Auftreten von Pilzinfektionen (bei Corticosteroiden)

Inhalierbare Sprühwolke

Im Gegensatz zu Dosieraerosolen enthalten Sprühvernebler wie der Respimat® (Berodual®, Spiolto®, Spiriva®, Striverdi®) eine treibgasfreie Wirkstofflösung, die mithilfe einer gespannten Feder im Inneren des Inhalators über eine Kapillare vernebelt wird. Ein synchrones Auslösen und Inhalieren ist zwar immer noch erforderlich, der Sprühnebel verlässt den Inhalator mit 1,2 Sekunden jedoch etwas langsamer als beim Dosieraerosol, wodurch eine koordinierte Anwendung erleichtert wird. Ein vorheriges Schütteln entfällt. Das Einsetzen der Patrone sowie die Vorbereitung des Inhalators können für körperlich eingeschränkte Menschen mit Schwierigkeiten verbunden sein. Zudem sind keine Patronen mit Corticosteroiden erhältlich [1, 2].

Mehr Zeit am Patienten

Die Einweisung des Patienten in die korrekte Anwendung inhalativer Arzneimittel gehört zu den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). Anspruch haben Erwachsene und Kinder ab 6 Jahren bei Neuverordnungen, Device-Wechsel oder standardmäßig einmal jährlich bei Bedarf. Die hierfür erforderlichen Dokumentationsunterlagen sowie übersichtliche Arbeitshilfen und Prozesserleichterungen bündelt der Deutsche Apotheker Verlag in seinem pDL-Manager. Die Software erleichtert die Organisation rund um die pharmazeutischen Dienstleistungen, senkt den Bürokratieaufwand und ermöglicht die Konzentration aufs Wesentliche: den Patienten.

Mehr Informationen finden ApothekerInnen unter:

www.deutscher-apotheker-verlag.de/pDL-Manager-Telepharmazie/610010090

Energie erforderlich

Pulverinhalatoren werden entweder vom Patienten mit einer Kapsel bzw. einem Blister bestückt (z. B. Handihaler®, Elpenhaler®) oder sind bereits mit einem Arzneistoffreservoir (z. B. Diskus®, Easyhaler®) gebrauchsfertig erhältlich [1]. Eine synchronisierte Dosisfreigabe und -inhalation entfällt. Die Mobilisierung des Pulvers aus dem Inhalator sowie die Desagglomeration in ein lungengängiges Staubaerosol erfordern jedoch einen minimalen Inspirationsfluss, der vom jeweiligen internen Gerätewiderstand des Inhalators abhängt. So liegt der erforderliche Atemfluss zum Beispiel für den Handihaler bei 30 l/min, beim Diskus® dagegen bei 60 l/min [2, 5].

Obwohl ein erhöhter Gerätewiderstand für den Patienten subjektiv mit vermehrter Atemanstrengung verbunden ist, sind vergleichsweise geringere inspiratorische Flussraten notwendig, da ein Druckabfall innerhalb des Inhalators für eine optimale Dispergierung großer Pulverpartikel sorgt. Inhalatoren mit geringem internem Widerstand benötigen entsprechend hohe Inspirationsflüsse, die von einem Teil der Patienten nicht aufgebracht werden können. Ein mittlerer bis hoher Gerätewiderstand ist daher zu bevorzugen [5].

Atemstromstärke entscheidend

Die schnelle und forcierte Inspiration mit anschließender Atempause gewährleistet eine homogene Wirkstoffdeposition in den Bronchien. Bei allmählichem Steigern der Atemstromstärke lagert sich ein erheblicher Anteil undispergierten Pulvers im Mund-Rachen-Raum ab. Wirkverluste und unerwünschte Wirkungen sind die Folge [5].

Pulverinhalatoren eignen sich entsprechend für Patienten, die in der Lage sind, einen ausreichend hohen Inspirationsfluss zügig zu erzeugen.

Da eine standardisierte Methode zur Bestimmung des inspiratorischen Flusses nicht zur Verfügung steht, liegt die Auswahl des geeigneten Inhalators im Ermessen des verschreibenden Arztes. Insbesondere im Entlassmanagement ist auf Patienten mit COPD-Exazerbationen zu achten, da sich diese aufgrund einer Lungenüberblähung ungünstig auf den Atemfluss auswirken [1]. Zu den Inhalatoren, die einen vergleichsweise geringen Inspirationsfluss erfordern und gleichzeitig unkompliziert in der Handhabung bzw. weniger fehleranfällig sind, gehört z. B. der Nexthaler®. Eine aufwendigere Vorbereitung erfordert dagegen der Elpenhaler® (siehe Tab. 1 und 2).

Literaturtipp

Üben Sie mit Ihren Kunden

Richtiges Inhalieren fällt Asthma- und COPD-Patienten nicht immer leicht. Und es ist ja auch nicht ganz einfach, bei der Vielzahl der unterschiedlichen Devices, die sich in ihrer Handhabung teilweise doch deutlich unterscheiden, den Überblick zu behalten – insbesondere, wenn ein Wechsel notwendig wird. So überrascht es nicht, dass die Fehlerquote bei der Anwendung inhalativer Arzneimittel sehr hoch ist, sie liegt bei knapp 80%! Da fehlerhaftes Inhalieren den Erfolg einer Asthma- oder COPD-Therapie stark beeinträchtigt, ist eine gute Beratung in der Apotheke immens wichtig. Besonders effektiv ist es natürlich, wenn man mit Kundinnen und Kunden die korrekte Anwendung eines Devices nicht nur besprechen, sondern auch üben kann. Hierbei kann die Pulmobox von Robert Jaeschke und Thomas Spindler einen wertvollen Beitrag leisten. Sie enthält Demo-Devices für Breezhaler, Cyclohaler, DA Trimbow mit Zählwerk, Elpenhaler, Easyhaler, Handihaler, Respimat, Symbicort Turbohaler und Vortex sowie eine Broschüre zu Inhalativa mit Erklärungen zu vielen weiteren Devices.

Robert Jaeschke, Thomas Spindler
Pulmobox
Demogeräte und Arbeitshilfen für die Beratung
978-3-7692-8327-3
Deutscher Apotheker Verlag 2024

 

Einfach und schnell bestellen
Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart
Tel. 0711 – 25 82 341, Fax: 0711 – 25 82 290
E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de
oder unter www.deutscher-apotheker-verlag.de

Der Umwelt zuliebe

Die Auswahl eines geeigneten Inhalators kann neben den vorrangigen patientenspezifischen Kriterien auch nach klimarelevanten Aspekten erfolgen. Anders als Pulverinhalatoren nutzen Dosieraerosole wie bereits beschrieben Treibgasmittel, um Wirkstoffe bronchial verfügbar zu machen. Obwohl Hydrofluoralkane (Flurane) im Gegensatz zu den bis 1989 verwendeten Fluorkohlenwasserstoffen (FCKW) nicht die Ozonschicht schädigen, tragen diese als Treibhausgase zur Erderwärmung bei. Ist die Verordnung eines Dosieraerosols unumgänglich, sollte wenn möglich auf eine Zusammensetzung mit Apafluran (Flutiform®) verzichtet werden. Dieses weist ein global warming potential (GWP) von 3600 auf, während das von Norfluran bei 1530 liegt (zum Vergleich CO2 GWP: 1) [6]. |

Literatur
[1] Cataldo D, Hanon S, Peché RV et al. How to choose the right inhaler using a patient-centric approach? Adv Ther. 2022;39(3):1149-1163.
[2] Pleasants RA, Hess DR. Aerosol delivery devices for obstructive lung diseases. Respir Care. 2018;63(6):708-733.
[3] Nationale Versorgungsleitlinie Asthma. AWMF-Register-Nr.: nvl-002. Stand 2020.[4] Nationale Versorgungsleitlinie COPD. AWMF-Register-Nr.: nvl-003. Stand 2021.[5] S2k-Leitlinie. Klimabewusste Verordnung von Inhalativa. AWMF-Register-Nr. 053-059. Zusatzmaterial zu Entscheidungshilfe 4. Stand 04/2024.https://register.awmf.org/assets/guidelines/053_D_Ges_fuer_Allgemeinmedizin_und_Familienmedizin/053-059a1_S2k_Klimabewusste-Verordnung-Inhalativa_2024-04.pdf
[6] S2k-Leitlinie. Klimabewusste Verordnung von Inhalativa. AWMF-Register-Nr. 053-059. Stand 01/2024.
[7] Atemwegsliga e. V. Inhalieren. Abgerufen am 22.04.2024.https://www.atemwegsliga.de/richtig-inhalieren.html


Apothekerin Judith Esch, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Asthma und COPD – welches Inhalationssystem eignet sich für welche Patienten?

Ein Fall für Inhaler

Wie die Apotheke Patienten bei Anwendungsproblemen mit Inhalatoren unterstützen kann

Tauschpartner gesucht

Wie sich Pulverinhalatoren unterscheiden

Welche Inhalatoren gut fürs Klima sind – und die Patienten

Nachhaltige Schulung auch bei älteren Asthma- und COPD-Patienten

Achtung Luftnot!

Pneumologenverbände wünschen sich einen Substitutionsausschluss

Listenplatz für Inhalativa?

Asthmatherapie richtet sich nach Symptomatik und Exazerbationsrisiko

Unter Kontrolle!

Adhärenz und Applikationstechnik lassen sich durch vernetzte Arzneiformen verbessern

Digital kontrolliert inhalieren

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.