Masterstudiengang „eHealth and Communication“

Apothekerin als Digital Dealer

17.05.2024, 09:15 Uhr

Apotheken müssen in Zukunft immer stärker auf analogen und digitalen Wegen für die Patienten und Patientinnen erreichbar sein. (Foto: IMAGO/Westend61)

Apotheken müssen in Zukunft immer stärker auf analogen und digitalen Wegen für die Patienten und Patientinnen erreichbar sein. (Foto: IMAGO/Westend61)


Die Universität Jena bietet einen berufsbegleiten­den Weiterbildungsstudiengang zu „eHealth and Communication“ mit dem Abschluss Master of Science (M.Sc.) an. Lara Fürtges aus der MediosApotheke in Berlin hat diesen Kurs absolviert. Im Interview erzählt sie über ihre Motivation und welchen Nutzen sie und ihr berufliches Umfeld daraus ziehen können.

DAZ: Frau Fürtges, was hat Sie dazu bewegt, noch mal drei Semester zurück an die Uni zu gehen?

Lara Fürtges: Ich hatte schon immer ein großes Interesse an Informatik. In einem E-Health-Podcast hörte ich von einer App namens ADA. Mich hat total fasziniert, welche Möglichkeiten die Nutzung dieser und anderer vergleichbarer Apps bietet. Außerdem wollte ich Chancen und Risiken der neuen Technologien besser einschätzen können.

DAZ: Und wie kamen Sie zur Universität in Jena?

Fürtges: Im Podcast wurde der Studiengang in Jena thematisiert. Es erscheint mir sehr wichtig, gut und fundiert über die Schnittmenge aus Gesundheit und Informatik informiert zu sein. Die Bewegung in diesem Bereich spüren wir täglich in der Apotheke.

Lara Fürtges hat den Studiengang in Jena bereits absolviert. Foto: Medios Apotheken 

DAZ: Was empfinden Sie als besonders in Bewegung?

Fürtges: In erster Linie die Telematikinfrastruktur (TI) und alles, was damit zusammenhängt. Uns in der Apotheke beschäftigt natürlich in erster Linie das E-Rezept. Aber die elektronische Patientenakte (ePA) wird uns künftig noch mehr beschäftigen. Immerhin sollte darin die komplette Medikation stehen. Daran schließen sich so Fragen an wie etwa: Wie erreichen uns Kund*innen und Patient*innen künftig digital? Wie können wir analoge und digitale Anfragen in gleicher Qualität bearbeiten? All das bei immer knapper werdenden Personalressourcen. Denn wenn wir auf verschiedenen Ebenen für Patientinnen und Patienten erreichbar sein wollen, müssen deren Anliegen bei uns einlaufen und bearbeitet werden. Das setzt eine bewältigbare Anzahl von Kanälen und die Interoperabilität verschiedener Systeme voraus. Darin sehe ich enormes Potenzial für automatische (oder teilautomatische) Prozesse. Aktuell gibt es sehr viele Prozesse, die parallel laufen und dann aufwendig mit Medien- oder Systembrüchen mehr schlecht als recht funktionieren. Die interne und die externe Kommunikation sowie TI – das sind für mich so die drei Hauptfelder mit akutem Handlungsbedarf.

DAZ: Apropos TI: Kommunizieren Sie in den MediosApotheken schon über KIM mit den Ärzten?

Fürtges: Teilweise. Tatsächlich war das Thema meiner Masterarbeit: KIM und interprofessionelle Kommunikation. Bei AMTS oder pharmazeutischen Dienstleistungen beispielsweise fehlen uns Informationen wie Laborwerte oder Diagnosen. Durch KIM können diese AMTS-relevanten Informationen über einen sicheren Weg an die verschiedenen, versorgungsbeteiligten Gesundheitseinrichtungen gelangen.

Mehr zum Thema

Systeme für effiziente Kommunikationswege im Gesundheitswesen

KIM oder TIM – was eignet sich wofür?

DAZ: Was ist die Zielsetzung des Studiengangs? Welche Lösungsansätze für die geschilderten Probleme konnten Sie aus dem Studiengang mitnehmen?

Fürtges: Ein wichtiger Faktor ist die Interprofessionalität. Der Studiengang richtet sich an eine heterogene und berufserfahrene Zielgruppe. Eine Teilnahmevoraussetzung ist, mindestens ein Jahr im Beruf gearbeitet zu haben. So erfährt man, wie Digitalisierung in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung läuft. Mitgestalten wird die Digitalisierung des Gesundheitswesens nur können, wer gut über Chancen und Risiken Bescheid weiß. Eine wichtige Rolle spielen dabei gute Gesundheitsinformationen, die eine gewisse Gesundheitskompetenz der Anwender*innen voraussetzen. Wie lassen sich Gesundheitsinformationen aus dem Internet richtig suchen, finden, einordnen und anwenden? Wie gut informiert sind Patient*innen, die mir gegenüberstehen? Weitergedacht: Wie können wir selbst auf unserer Homepage oder auf Social Media Informationen gut aufbereiten? Und wenn Sie denken, das war viel – das war gerade mal ein Modul des Studiengangs: die E-Health Literacy.

DAZ: Was kann man sich darunter genau vorstellen?

Fürtges: Das deutsche Wort dafür ist digitale Gesundheitskompetenz. Gemeint ist damit das Lesen und Verstehenkönnen von Texten und Informationen. Um Informationen aufbereiten zu können, die die digitale Verwendung von Gesundheitsdaten beinhalten, benötigen Gesundheitsberufe wiederum zunehmende grundsätzliche Kenntnisse der digitalen Medizin oder E-Health. Diese wurden in einem weiteren Modul namens E-Health Applications behandelt. Dabei geht es um FHIR, ICD 10 Codes, KI, Big Data, Machine Learning, verhashen, IT-Sicherheit und weitere Standards. Kurz: dass man grob weiß, worum es geht bei all diesen Buzzwords (s. Kasten) mit technischem Hintergrund. Gepaart mit der eigenen fachlichen Expertise aus dem Gesundheitsberuf ist man dann in der Lage, gemeinsam mit Technikpartnern Dinge anzupacken. Auch Implementierungsstrategien, Projektmanagement oder Medienkommunikation wurden behandelt. Ein weiterer Kurs beschäftigt sich mit Ethik. Letztlich war das auch der Trigger für mich, den Studiengang zu besuchen. Jede technologische Innovation wird von ethischen Fragen begleitet: Wir haben immer mächtigere Werkzeuge – aber wie setzen wir sie ein?

DAZ: Lassen Sie uns auf einige der ethischen Punkte eingehen. Was wurde dazu im Kurs besprochen?

Fürtges: Es geht darum zu verstehen, was Ethik und Moral überhaupt sind. Derartige Diskussionen kennen wir von KI und Big Data. Was passiert, wenn wir Daten aus der Vergangenheit analysieren und als Basis für zukünftige Entscheidungen verwenden? Konkretes Beispiel: Was bringen uns Wearables, die die Anzahl der Schritte messen? Ein Professor erzählte, dass bei verschiedenen Schuhen unterschiedliche Schrittzahlen gemessen wurden, obwohl die Strecke vergleichbar war. Also sind die Sensoren bisher unzuverlässig. Gleichzeitig bieten Krankenkassen Bonusprogramme an, die Versicherte für das Erreichen bestimmter Mindestschritte pro Tag belohnen. Haben die Versicherten eine freie Wahl oder gibt es Menschen, die aus wirtschaftlichen Zwängen derartige Boni annehmen müssen? Oder: Was wäre, wenn man eine Strafe zahlen müsste, wenn man nicht am Bonusprogramm teilnimmt? Anhand dieser Gedanken lässt sich gut durchspielen, wo die Entwicklung hingehen könnte. Denn am Ende werden die Entscheidungen, die wir hier treffen, auch unser künftiges Zusammenleben – inklusive der Gesundheitsversorgung – gestalten.

Kommentar: Kompetenzen jenseits der Apothekenbubble stärken

Wir wollen die Kompetenzen über die Apothekenbubble hinaus erweitern, und es ist uns sehr wichtig, als wesentlicher Pfeiler in der Gesundheitsversorgung wahrgenommen zu werden. Dafür ist es essenziell, die Strukturen der Versorgungslandschaft in Deutschland zu kennen und mögliche Potenziale zu identifizieren, um unsere Rolle als Apotheke zu stärken und neu zu definieren. Ich sehe es als Chance, mit den neuen Erkenntnissen über den Tellerrand hinauszuschauen und aktuelle Marktthemen im Bereich E-Health besser zu verstehen und einordnen zu können, um sie in die Apothekenwelt zu integrieren.

Durch die verschiedenen Kompetenzen und tieferen Einblicke konnten wir neue Ansätze für unsere Digitalstrategie entwickeln. Gerade in Zeiten des starken Wandels ist es wichtig, auf eine möglichst breite Wissensbasis zurückgreifen zu können. Und genau diese hat das Studium vermittelt. Aber es bedarf vor allem innerhalb der Apotheke der Bereitschaft für Veränderung und einer Offenheit gegenüber digitalen Lösungen. Dafür muss das Team abgeholt und transparent und verständlich kommuniziert werden. So können wir die durch Corona entstandene erhöhte Agilität für zukünftige Projekte nutzen. Darüber hinaus festigt eine zukunftsweisende Strategie das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Führung. Dies wiederum führt zu einer gesteigerten Loyalität des Teams, die anstehenden Veränderungsprozesse nicht nur mitzutragen, sondern auch aktiv zu gestalten.

Aus diesem Grund sollte jeder, der im Gesundheitssystem eine so tragende Rolle spielt wie wir Apotheker*innen, nach Wegen suchen, um die eigene Kompetenz zu stärken. Nur so kann man dauerhaft im Markt als wertvoller Partner wahrgenommen werden. Dies kann man sicher auch durch politisches Engagement und Neugier für aktuelle und zukunftsweisende Themen erreichen. Wenn man die Ressourcen für einen weiteren Studiengang aufbringen kann, ist dies eine sehr gute Option, um sich ein umfassendes und zukunftsweisendes Digital-Verständnis weit über den Apothekenmarkt hinaus aufzubauen und in seine Arbeit zu integrieren.

Anike Oleski, Inhaberin MediosApotheken, Berlin; www.mediosapotheke.de


Florian Giermann, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Interview zum Masterstudiengang „eHealth and Communication“ an der Universität Jena

Apothekerin als Digital Dealer

DAZ-Umfrage

Nutzen Sie KIM?

Wie zukünftig im Gesundheitswesen digital kommuniziert wird

Kennen Sie TIM und KIM?

FAQ anlässlich der E-Rezeptpflicht

Wichtige Fragen und Antworten zum 
E-Rezept

Ärzte und Apotheker machen das Potenzial der Telematikinfrastruktur erlebbar

Showroom der Zukunft

Showroom der Digitalisierung

Telematikinfrastruktur zum Anfassen

Ergebnis der DAZ-Umfrage

Noch viel Luft nach oben bei KIM

Systeme für einen effizienten Informationsaustausch im Gesundheitswesen

KIM oder TIM – was eignet sich wofür?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.