Verbote in den Niederlanden und auf Mallorca
Anders ist die Situation seit dem 1. Januar 2023 in den Niederlanden. Nachdem die Zahl von Verkehrsunfällen mit Lachgas-Berauschten signifikant zugenommen hatte, hat das Land Distickstoffmonoxid auf die Liste der verbotenen Rauschmittel gesetzt [7]. Besitz und Verkauf sind dort seitdem verboten. Ausnahmen gibt es nur für medizinische und technische Zwecke. Auch in Spanien – und damit auch auf Mallorca – darf Lachgas nur mit besonderer Genehmigung verkauft werden, weshalb die Polizei unter anderem auf der Urlaubsinsel gegen Straßenhändler hart durchgreifen kann [8]. In Frankreich wurde der Verkauf an Minderjährige nach Todesfällen bereits im Juni 2021 verboten, in Belgien seit Februar 2022 in einigen Städten. In der Schweiz gibt es die Bestrebung, Lachgas in die Liste der Betäubungsmittel aufzunehmen [9].
Was ist Lachgas?
Was steckt hinter dem Namen Lachgas? Distickstoffmonoxid (N2O) ist ein natürliches Stickoxid und entsteht unter anderem in der Natur als Nebenprodukt bei der bakteriellen Nitrifikation. Es ist farblos mit süßlichem Geruch. In manchen Erwähnungen heißt es Stickoxidul oder Stickoxydul.
Aus Kläranlagen, in der Landwirtschaft und aus Mooren werden große Mengen Lachgas in die Atmosphäre freigesetzt, wo es sich im Schnitt 109 Jahre hält und einen 273-mal höheren Effekt auf die Erderwärmung hat als Kohlendioxid. Der Anteil entweichenden Gases aus dem Konsum und sein klimaschädlicher Einfluss lassen sich laut Forschern bislang nicht messen. Außerdem schädigt es die Ozonschicht – mittlerweile mehr als Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW).
Die Wirkung als Narkosemittel und Analgetikum kennt man seit 1797, als der englische Apotheker und Chemiker Humphry Davy damit zu experimentieren begann. Rein dargestellt hatte es bereits 1771 der Chemiker Joseph Priestley. Seit 1844 wird es medizinisch angewendet – besonders bei der Zahnmedizin und bei sehr kurzen chirurgischen Eingriffen.
Zum Einsatz kommt Lachgas aber auch in der Lebensmittelindustrie als Lebensmittelzusatzstoff E 942, wo es insbesondere als Treibgas in Milchprodukten, etwa in Schlagsahnedosen, fungiert. Ferner kann beim Fahrzeugtuning durch Lachgas-Einspritzung kurzzeitig die Motorleistung erhöht werden – was allerdings in Deutschland verboten ist. Auch in Raketentreibstoffen dient N2O als Oxidationsmittel.
Wo steckt der Suchtfaktor von Lachgas?
Medizinisch lässt sich Distickstoffmonoxid nur kurz anwenden – die schmerzstillende und leicht narkotische Wirkung hält nur rund 15 Minuten an. Es wirkt ab etwa einem Anteil von circa 20% in der Atemluft, bei zu hoher Dosierung kann es zu Atemdepression und -stillstand kommen.
Dass sich Lachgas als Rauschmittel missbrauchen lässt, ist bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts bekannt. Phase eins des Lachgas-Missbrauchs gab es kurz nach der Entdeckung mit sogenannten Lachgas-Partys, Phase zwei in den späten 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vor allem unter Medizin- und Zahnmedizinstudenten [10]. Der aktuelle, unter anderem durch die COVID-19-Pandemie und Social-Media-Trends getriggerte Anstieg des Konsums wird als Phase drei bezeichnet.
Der Trivialname Lachgas (engl. Laughing Gas) ist bereits ein Hinweis auf die euphorisierende Wirkung von Distickstoffmonoxid. Bereits kurz nach seiner Entdeckung wurde die psychogene Wirkung beschrieben als „Gas, das je nach Charakter der damit berauschten Probanden bei Inhalation Lachen, Singen, Tanzen, Reden oder Prügeln bewirken könne” [10]. Die Wirkung wird als Euphorie, Entspannung und „Losgelöstsein“ beschrieben [11]. Auch Wärme- und Glücksgefühle sowie leichte Halluzinationen werden durchlebt [12].
Konsumiert wird Lachgas typischerweise, indem es aus den Gasflaschen in Luftballons gefüllt und dann aus diesen inhaliert wird. Die direkte Inhalation aus den Druckbehältnissen würde zu Erfrierungen führen [9]. Leere Gasflaschen und ausgeleierte Luftballons werden daher oft am Ort des Konsums zurückgelassen.
Die vermeintliche Harmlosigkeit, die leichte Verfügbarkeit sowie die Kurzfristigkeit des Rausches tragen zur Gefährlichkeit bei. Oft konsumieren die Betroffenen in kurzer Zeit viel – Suchtfaktor ist dabei die psychische Wirkung.
Gefahren des Konsums
Mit dem Konsum größerer Mengen steigt aber auch die Gefahr schwerer Nebenwirkungen. Von der möglichen Atemdepression und unmittelbaren Verletzungsgefahren durch Schwindel, Desorientiertheit oder Autofahren im Rauschzustand abgesehen, gibt es Langzeitfolgen. Distickstoffmonoxid oxidiert Vitamin B12, das als Co-Faktor des Enzyms Methionin-Synthase und des Enzyms Methylmalonyl-Coenzym-A-Mutase fungiert. Bis zu sechs Stunden nach dem Konsum ist die Funktion dieser Enzyme nachhaltig beeinträchtigt. Das kann zu Symptomen eines Vitamin-B12-Mangels, vor allem jedoch zu bleibenden neurologischen Schäden führen [13]. Beschrieben wird etwa eine Degeneration des Rückenmarks mit Bewegungsstörungen bis hin zur Querschnittslähmung. Neuropathien treten ebenso auf wie Psychosen mit Verhaltensänderungen, Wahnvorstellungen, Paranoia oder Halluzinationen [13, 14, 15, 16, 17]. Blickt man auf den Laborwert, haben die Betroffenen dabei oft einen normalen Vitamin-B12-Spiegel. In vielen Fällen, wenn der Lachgaskonsum komplett eingestellt wird und die Betroffenen unter anderem mit Vitamin-B12-Gabe therapiert werden, sind Symptome reversibel. Todesfälle in einigen europäischen Ländern führten aber bereits zu entsprechenden Gesetzesänderungen im Umgang mit dem Gas.
*Dieser Paragraf wurde am 24.05.2024 von jr aktualisiert. ** Dieser Kasten wurde am 03.06.2024 von jr aktualisiert. Der Artikel erschien erstmals in der DAZ 45/2023.
Literatur
[1] FAZ. Haftbefehl: Habe 50 Flaschen Lachgas am Tag konsumiert. 14.03.2023 www.faz.net/aktuell/gesellschaft/smalltalk/haftbefehl-ueber-drogen-er-konsumierte-50-flaschen-lachgas-am-tag-18747037.html
[2] DAZ. Neuer Suchttrend: Lachgas in Diskotheken. DAZ 1997, Nr. 20, 11.05.1997 www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/1997/daz-20-1997/uid-1908
[3] Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD), Webauftritt, www.dbdd.de
[4] Bergmann H et al. News: Substanzkonsum in deutschen Partyszenen 2022. IFT News. 2023 ift.de/wp-content/uploads/2023/04/Bergmann-2023_NEWS.pdf
[5] Radio 90,1. Lachgas wird öfter als Partydroge missbraucht. 16.10.2023, www.radio901.de/artikel/lachgas-wird-oefter-als-partydroge-missbraucht-1794851.html
[6] EMCDDA. Freizeitkonsum von Distickstoffmonoxid in Europa: Situation, Risiken, Reaktionen. 18.08.2023, www.emcdda.europa.eu/publications/topic-overviews/recreational-nitrous-oxide-use-europe-situation-risks-responses_de
[7] ZDF heute. Lachgas ab 2023 in Niederlanden verboten. 15.11.2022; www.zdf.de/nachrichten/politik/niederlande-verbot-lachgas-100.html
[8] Adel R et al. Schluss mit lustig: Polizei nimmt auf Mallorca Verkäufer von Lachgas fest. Mallorca Magazin 15.08.2023; www.mallorcamagazin.com/nachrichten/lokales/2023/08/15/114265/schluss-mit-lustig-polizei-nimmt-auf-mallorca-verkaufer-von-lachgas-fest.html
[9] Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht. Lachgas (Distickstoffmonoxid, N2O) Informationen für Fachpersonen im Kontakt mit Konsumierenden. www.infodrog.ch/files/content/schadensminderung_de/2022-07_DE_Faktenblatt_Lachgas_def.pdf; Stand: 2022, letzter Zugriff 02.11.2023
[10] Hügin W. Anaesthesie. Entdeckung, Fortschritt, Durchbrüche. Editiones Roche, Basel 1989, ISBN 3-88878-060-8, S. 11f
[11] EMCDDA. Im Blickpunkt... Freizeitkonsum von Distickstoffmonoxid (Lachgas). www.emcdda.europa.eu/spotlights/spotlight-recreational-use-nitrous-oxide-laughing-gas_de; Stand: 03.02.2023
[12] Pronova BKK. Lachgaskonsum und die Folgen. www.pronovabkk.de/gesuender-leben/koerper-und-seele/gesunder-lifestyle/lachgaskonsum-und-die-folgen.html. letzter Zugriff 02.11.2023
[13] NN. Vitamin-B12-Mangel: Freizeitdroge Lachgas kann zu bleibenden neurologischen Schäden führen; Ärzteblatt 24.08.2023; www.aerzteblatt.de/nachrichten/145421/Vitamin-B12-Mangel-Freizeitdroge-Lachgas-kann-zu-bleibenden-neurologischen-Schaeden-fuehren
[14] Vollhardt R et al. Neurological consequences of recreational nitrous oxide abuse during SARS-CoV-2 pandemic. J Neurol 269, 1921–1926 (2022). doi.org/10.1007/s00415-021-10748-7
[15] Hassing LT et al. Nitrous-oxide-induced polyneuropathy and subacute combined degeneration of the spine: clinical and diagnostic characteristics in 70 patients, with focus on electrodiagnostic studies. Eur J Neurol. 2023 Sep 27. doi: 10.1111/ene.16076. Epub ahead of print
[16] De Halleux C, Juurlink DN. Diagnosis and management of toxicity associated with the recreational use of nitrous oxide. CMAJ. 2023 Aug 21;195(32):E1075-E1081. doi: 10.1503/cmaj.230196
[17] Zheng R et al. Reversible Neuropsychiatric Disturbances Caused by Nitrous Oxide Toxicity: Clinical, Imaging and Electrophysiological Profiles of 21 Patients with 6-12 Months Follow-up. Neuropsychiatr Dis Treat. 2020 Nov 23;16:2817-2825. doi: 10.2147/NDT.S270179
[18] Deo-Challenge: Missbräuchliche Anwendung kann die Gesundheit schwer schädigen. Information des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vom 21. September 2023, www.bfr.bund.de/cm/343/deo-challenge-missbraeuchliche-anwendung-kann-die-gesundheit-schwer-schaedigen.pdf
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