männlicher Haarausfall

Minoxidil bei Alopezie auch oral wirksam

Stuttgart - 27.05.2024, 09:14 Uhr

Erblich bedingter Haarausfall bei Männern ist für viele eine psychische Belastung. (Foto:Christopher/AdobeStock)

Erblich bedingter Haarausfall bei Männern ist für viele eine psychische Belastung. (Foto:Christopher/AdobeStock)


In einer kleineren Studie wurde die topische und orale Anwendung von Minoxidil bei männlichem Haarausfall verglichen, dabei wurden keine wesentlichen Unterschiede gefunden. Die Studie gibt Anlass, einen Blick auf neue erfolgver­sprechende Therapiemöglichkeiten zu werfen.

Das evidenzbasierte Instrumentarium zur medikamentösen Therapie einer androgenetischen Alopezie ist überschaubar. Aktuelle Leitlinien empfehlen die topische Anwendung einer 2- bis 5%igen Minoxidil-Lösung, die orale Applikation des 5α-Reduktase-Hemmers Finasterid (1 mg pro Tag) oder bei ausbleibendem Erfolg 0,5 mg Dutasterid pro Tag [1]. Letzteres erfolgt im Off-Label-Use, da der 5α-Reduktase-Hemmer Dutasterid lediglich zur Therapie des benignen Prostatasyndroms zugelassen ist. Nur in Japan und Südkorea liegt auch eine Zulassung zur Behandlung der androgenetischen Alopezie bei Männern vor. Alle Optionen sind indes mit Nachteilen verbunden. 

Finasterid und Dutasterid sind unter anderem mit Libidoverlust und Erektionsstörungen assoziiert, und Minoxidil kann zu Veränderungen der Haarstruktur sowie Hautirritationen führen und ist mit einer schlechten Adhärenz assoziiert. Der Wirkstoff wurde zuerst als Antihypertonikum entwickelt. Der Wirkmechanismus bei Alopezie ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Man vermutet unter anderem, dass aufgrund einer gefäß­erweiternden Wirkung die Mikrozirkulation an den Haarfollikeln erhöht wird [7]. Ob oral einzunehmendes Minoxidil eine mögliche Alternative zur topischen Applikation darstellen könnte, wurde nun in einer kleineren Studie untersucht.

Vergleich zwischen oraler und topischer Applikation

An der doppelblinden, placebokontrollierten, klinischen Studie nahmen 90 erwachsene Männer mit androgenet­ischer Alopezie teil, die zwei Gruppen zugeteilt wurden. Teilnehmer der einen Gruppe nahmen täglich 5 mg Minoxidil ein und trugen eine Placebolösung auf, Teilnehmer der anderen Gruppe nahmen ein Placebo ein und trugen zweimal täglich 1 ml einer 5%igen Minoxidil-Lösung auf. Nach einer Studiendauer von 24 Wochen zeigte sich bei der Zunahme der terminalen Haardichte (markhaltiges, pigmentiertes Haar) kein signifikanter Unterschied zwischen den zwei Gruppen. 

Im Stirnbereich lag die Differenz zwischen oralem und topischem Minoxidil bei 3,1 Haaren pro cm2 zugunsten der oralen Applikation und im Scheitelbereich bei 23,4 Haaren pro cm2. Ähnliche Ergebnisse wurden für die Gesamthaardichte ermittelt. Eine fotografische Analyse zeigte im Scheitelbereich bessere Ergebnisse unter der oralen Minoxidil-Therapie. Die häufigsten Nebenwirkungen der oralen Minoxidil-Therapie waren Hypertrichose und Kopfschmerzen. Die Einnahme von 5 mg Minoxidil hatte keine Auswirkungen auf Herzrate und Blutdruck. Zum Vergleich: Zur Blutdruckbehandlung wird Minoxidil üblicherweise in einer Dosierung zwischen 5 und 40 mg in Kombination mit einem Diuretikum und einem Beta­sympatholytikum eingesetzt.

Das Fazit der Autoren: Die tägliche Einnahme von 5 mg Minoxidil hat eine ähnliche Wirksamkeit wie die topische Anwendung einer 5%igen Minoxidil-Lösung und ist eine Option für Betroffene, die eine orale Therapie bevorzugen oder die topische Applikation nicht vertragen [2].

Androgenetische Alopezie bei besonderen Patientengruppen

Unter androgenetischer Alopezie können die verschiedensten Patientengruppen leiden.

Eine pädiatrische androgenetische Alopezie ist vermutlich nicht so selten wie bislang angenommen, wird aber wenig beachtet. Die Diagnose wird in der Regel klinisch durch Beobachtung des Haarausfallmusters und Trichos­kopie gestellt. In einigen Fällen sollte eine Hyperandrogenämie ausgeschlossen werden. Es gibt keine zugelassene Therapie für eine androgenetische Alopezie im Kindes- und Jugendalter. Im Off-Label-Use wird Minoxidil topisch und oral eingesetzt. In Einzelfallberichten ist die orale Anwendung von Spironolacton beschrieben. Für Mädchen kommt in ausgewählten Fällen eine Haartransplantation in Betracht [5].

Eine androgenetische Alopezie bei Transfrauen als auch Transmännern (gemeinsam rund 0,002 bis 0,2% der Bevölkerung) tritt häufig auf. Rund 40% der Transmänner sind vor allem zu Beginn einer Testosteron-Therapie davon betroffen, bei Transfrauen sind es rund 60%. Bei Transmännern sollte in den ersten zwei Jahren bis zur Geschlechtsanpassung (Ovarektonomie und Hormontherapie) – wenn überhaupt – nur Minoxidil eingesetzt werden, da 5α-Reduktase­hemmer in den Hormonmetabolismus und Virilisierungsprozess eingreifen.

 Eine unter Minoxidil auftretende Hypertrichose wird oftmals positiv bewertet. Nach abgeschlossener Umwandlung ist Finasterid (1 mg/d) das Mittel der Wahl, da dadurch der Testosteron-Spiegel ansteigen kann. Sollte bei Transfrauen trotz antiandrogener Therapie und Estrogen-Substitution eine Alopezie auftreten, kann zusätzlich Minoxidil eingesetzt werden, allerdings in vorsichtiger Dosierung, um einen möglichen Bartwuchs durch Hypertrichose zu vermeiden [6].

Ausblick: Neue Optionen bei Alopezie

Welche neuen Möglichkeiten gibt es außerdem, um Alopezie zu behandeln? Eine 2023 veröffentlichte Übersichtsarbeit [3] bewertete neue Therapie­optionen. Darunter fällt unter anderem niedrig dosiertes rotes Laserlicht (Low-Level-Lasertherapie, LLLT) in Kombination mit topischem Minoxidil: Fünf randomisierte klinische Studien verglichen die Therapie plus Minoxidil (2% oder 5%) mit einer Monotherapie entweder von 5%iger Minoxidil­-Lösung oder mit einer LLLT-Behandlung. Die Kombination war entweder überlegen oder einer Mono­therapie gleichwertig. Allerdings nahm die Überlegenheit am Ende der Studienphasen ab [4].

 Auch die Behandlung mit plättchenreichem Plasma (PRP) wurde untersucht: Das mit Wachstumsfaktoren angereicherte Plasmakonzentrat wird in die Kopfhaut injiziert und soll die Angiogenese und damit auch das Haarwachstum anregen. Dieses kostspielige Verfahren kann in Verbindung mit Minoxidil und/oder der Laserlicht-Behandlung eingesetzt werden. 

Eine weitere Option ist das Microneedling. Dabei entstehen im Stratum corneum zahlreiche Mikro­kanäle, die die Penetration von Externa erleichtern. Zusätzlich werden durch die Mikrotraumata Reparaturprozesse angestoßen, die unter anderem die Produktion von Wachstumsfaktoren stimulieren können. Diese Technik kann als Augmentationshilfe für alle Therapien eingesetzt werden, insbesondere für topisches Minoxidil und die Behandlung mit niedrig dosiertem roten Laserlicht. Weitere Optionen, die derzeit untersucht werden, sind topisches Fina­sterid, die Kombination von topischem Finasterid mit topischem Minoxidil, Spirono­lacton topisch und oral, Botulinum­toxin, Stammzell­therapie sowie der Androgenrezeptor-­Antagonist Clascoteron [4].

Des Weiteren wurden zahlreiche weitere Wirkstoffe in Studien mit geringem Evidenzgrad untersucht. Dazu gehören unter anderem antiinflammatorische Agenzien (z. B. Ketoconazol, Roxithromycin), Wirkstoffe mit Dihydrotesto­steron-inhibitorischer Aktivität (z. B. β-Sitosterol, Sägepalm-Extrakte) oder Stoffe, die die perifollikuläre Vaskularisation verbessern (z. B. Prostaglandin- und Niacinderivate) [1]. 

Literatur

[1] Kanti V et al. Evidence-based (S3) guideline for the treatment of androgenetic alopecia in women and in men - short version. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018;32(1):11-22, doi: 10.1111/jdv.14624

[2] Penha MA et al. Oral Minoxidil vs Topical Minoxidil for Male Androgenetic Alopecia: A Randomized Clinical Trial. JAMA Dermatol 2024:e240284, doi: 10.1001/jamadermatol.2024.0284

[3] Kaiser M et al. Treatment of Androgenetic Alopecia: Current Guidance and Unmet Needs. Clin Cosmet Investig Dermatol 2023;16:1387-1406, doi: 10.2147/CCID.S385861

[4] Kaiser M et al. Low-Level Light Therapy and Minoxidil Combination Treatment in Androgenetic Alopecia: A Review of the Literature. Skin Appendage Disord 2023;9(2):104-110, doi: 10.1159/000527782

[5] Gomes TF et al. Aktuelle Übersicht zur androgenetischen Alopezie bei Kindern und Jugendlichen. J Dtsch Dermatol Ges 2023;21(1):19-26, doi: 10.1111/ddg.14940_g

[6] De Viragh P. Androgenetische Alopezie – Fein-Tuning der Therapien mit Finasterid und Minoxidil. Dermatologie & Ästhetische Medizin 02/2023

[7] Bruhn C. Ausgekämmt: Selbstmedikation bei Haarausfall – was ist empfehlenswert? Artikel der Deutschen Apotheker Zeitung 2021 Nr. 9, Seite 40


Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.