Open-label-Studie

Erenumab bei Rosazea – Migräneantikörper lindert Rötungen und Flushing

28.05.2024, 09:15 Uhr

Erenumab hat in einer Studie die Flushing-Tage bei Rosazea-Patienten reduziert. (Foto: Milan Lipowski / AdobeStock)

Erenumab hat in einer Studie die Flushing-Tage bei Rosazea-Patienten reduziert. (Foto: Milan Lipowski / AdobeStock)


Das Neuropeptid CGRP (calcitonin gene-related peptide), bekannt vor allem als Angriffspunkt von Migränetherapeutika, könnte auch bei der Pathophysiologie der Rosazea eine Rolle spielen. Dies legen die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Open-label-Studie zur Bewertung der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Erenumab bei Rosazea-Patienten nahe. Der Antikörper ist gegen den CGRP-Rezeptor gerichtet.

Die Rosazea ist eine chronisch-­entzündliche Hauterkrankung, die vor allem Erwachsene mit hellem Hauttyp im mittleren Lebensalter betrifft. Sie führt häufig zu einem hohen Leidensdruck, da die Symptome vor allem im Gesicht und dabei bevorzugt auf der Nase und den Wangen sowie auf Kinn und Stirn auftreten. Während im Verlauf zunächst Rötungen (Erytheme), plötzliches Erröten (Flushing) und sichtbare Erweiterungen oberfläch­licher kleiner Blutgefäße (Teleangie­ktasien) auftreten, können später entzündliche Papeln und Pusteln dazukommen. Außerdem gibt es Sonder­formen, wie beispielsweise die okuläre Rosazea oder die Steroid-Rosazea.

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Zur Behandlung stehen verschiedene topische und systemische Wirkstoffe sowie physikalische Verfahren wie beispielsweise Laser- oder Lichttherapie (intense pulsed light, IPL) zur Verfügung. Zu den zugelassenen topischen Arzneistoffen zählen Brimonidin, Ivermectin, Azelainsäure oder Metroni­dazol, systemisch kommen Doxycyclin, Azithromycin, Isotretinoin oder Ciclosporin zum Einsatz. Die Behandlungsergebnisse sind sehr unterschiedlich und nicht immer zufriedenstellend. Besonders die persistierenden Erytheme und das Flushing stellen therapeutische Herausforderungen dar [1, 2].

Gemeinsamkeiten von Rosazea und Migräne

Auf den ersten Blick scheinen Rosazea und Migräne nicht viel gemeinsam zu haben. Eine in 2018 veröffentlichte Metaanalyse auf Basis eines systematischen Reviews zeigte jedoch signifikante Zusammenhänge zwischen beiden Erkrankungen. Verbindungen scheint es vor allem auf der Ebene neurovaskulärer Pathomechanismen zu geben. So ist beispielsweise bekannt, dass während einer Migräneattacke Neuropeptide wie CGRP, VIP (vasoactive intestinal peptide), PACAP (pituitary adenylate cyclase activating polypeptide) sowie Stickstoffmonoxid (NO) verschiedene neurogene Entzündungen und Gefäßerweiterungen vermitteln. Auch bei der Rosazea sind CGRP, VIP und PACAP am Zustandekommen des pathologischen Gefäßtonus beteiligt (s. Abb.) [3].

Abb.: Mögliche Pathophysiologie von Migräne und Rosazea. Durch Triggerfaktoren werden trigeminale Neurone an den Blutgefäßen stimuliert – bei Migränepatienten im Gehirn, bei Rosazea in der Haut. Freigesetzte Neuropeptide wie calcitonin gene-related peptide (CGRP), pituitary adenylate cyclase activating polypeptide (PACAP), Substanz P und Neuropeptid Y induzieren eine Vasodilatation, eine neurogene Entzündung sowie eine erhöhte Permeabilität der Gefäßwände, aus denen die Symptome der Migräne beziehungsweise Rosazea resultieren (nach [3]).

CGRP ist in der Migränetherapie ein wichtiges Target. Beispielsweise bindet der seit 2018 zugelassene humane monoklonale Antikörper Erenumab (Aimovig®) an den CGRP-Rezeptor und hemmt dadurch die Funktion des Neuropeptids. Eren­umab ist zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat zugelassen. Die empfohlene Dosis beträgt 70 mg Erenumab alle vier Wochen, manche Patienten können von einer Dosis von 140 mg alle vier Wochen profitieren [4].

Flushing-Tage reduziert

Eine dänische Arbeitsgruppe hat nun in einer nicht randomisierten, kontrollierten Open-label-Studie untersucht, ob die Gabe von Eren­umab bei Rosazea-Patienten Symptome wie anhaltende Rötungen und Flushing lindern kann und dabei gut verträglich ist. Eingeschlossen wurden 30 Erwachsene (23 Frauen, 7 Männer) zwischen 18 und 65 Jahren, die seit mindestens einem Jahr an Rosazea mit moderat bis schwer ausgeprägten Rötungen und Flu­shing litten. Nach einer vierwöchigen Vorlaufphase begann der zwölfwöchige Behandlungszeitraum, in dem den Teilnehmern alle vier Wochen 140 mg Erenumab subkutan verabreicht wurde. Es wurden keine weiteren Rosazea-Therapeutika begleitend angewendet. Vom Beginn der Vorlaufphase an bis vier Wochen nach Ende der letzten Erenumab-Dosis dokumentierten die Probanden in einem Tagebuch täglich ihre Symptome. 27 Teilnehmer beendeten die Untersuchung. Die statistische Auswertung ergab eine mittlere Reduktion des moderaten bis schwerwiegenden Flushings um 6,9 Tage pro Monat (95%-Konfidenzintervall [KI] = -10,4 bis -3,4 Tage, p < 0,001) bei einem Ausgangswert von durchschnittlich 23,6 Tagen (SD = 5,8). Die Anzahl der Tage mit moderaten bis schwerwiegenden Erythemen reduzierte sich um 8,1 Tage (95%-KI = -12,5 bis -3,7 Tage, p < 0,001) bei einem Ausgangswert von 15,2 (9,1) Tagen. Eine Subgruppenanalyse ergab, dass vor allem die am stärksten vom Flushing betroffenen Teilnehmer (mehr als zehn Tage pro Monat mit schweren bis extremen Symptomen) profitierten. Bei ihnen kam es zu einem Rückgang von 20,8 Tagen pro Monat zu Studienbeginn auf 3,8 Tage pro Monat in den Wochen neun bis zwölf, was einer Reduktion um 81% entspricht.

Die Behandlung wurde gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren milde bis moderate Obstipation (33%), vorübergehende Verschlechterung des Flushings (13%), Blähungen (10%) und Infektionen der oberen Atemwege (10%).

Einschränkungen der Studie

Die Studie hat gezeigt, dass Eren­umab besonders belastende Rosazea-Symptome wirksam und sicher reduzieren kann. Die Autoren halten es für sinnvoll, die Ergebnisse in weiteren Studien mit längeren Nachbeobachtungszeiten zu prüfen. Im Gegensatz zu dieser Studie sollten diese dann doppelblind und placebokontrolliert durchgeführt werden [2].

Literatur

[1] S2k-Leitlinie „Rosazea“, Deutsche Dermatologische Gesellschaft e. V. (Hrsg.) AWMF-Reg.Nr. 013-065, Stand: 28. Januar 2022

[2] Wienholtz NKF et al. Erenumab for treatment of persistent erythema and flushing in rosacea. A nonrandomized controlled trial. JAMA Dermatol 2024:e240408, doi: 10.1001/jamadermatol.2024.0408

[3] Christensen CE et al. The relationship between migraine and rosacea: Systematic review and meta-analysis. Cephalalgia 2018;38(7):1387-1398, doi: 10.1177/0333102417731777

[4] Fachinformation Aimovig®, Stand Juni 2023


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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