Heilmittelwerbegesetz und Europarecht

EuGH verhandelt noch im Juni über DocMorris-Boni

Berlin - 14.06.2024, 13:30 Uhr

DocMorris ist einmal mehr ein Fall für den EuGH in Luxemburg. (Foto: IMAGO / BeckerBredel)

DocMorris ist einmal mehr ein Fall für den EuGH in Luxemburg. (Foto: IMAGO / BeckerBredel)


Am 27. Juni wird am Europäischen Gerichtshof erneut über Rabatte von DocMorris verhandelt. Der Versender meint: Dadurch, dass der EuGH 2016 die deutsche Rx-Preisbindung für EU-Versender gekippt hat, muss ihm die Kammer Nordrhein Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen. Denn zuvor erwirkte Beschlüsse und Ordnungsgelder seien damit von Anfang an ungerechtfertigt gewesen. Der Bundesgerichtshof, der den EuGH angerufen hat, ist sich da allerdings nicht so sicher.

Derzeit ruhen zahlreiche Gerichtsverfahren, bei denen es um Rx-Boni-Versprechen von niederländischen Arzneimittelversendern in unterschiedlichen Spielarten geht. Der Grund: Man wartet auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der Bundesgerichtshof hat diesen vor einem knappen Jahr angerufen und ihm einige Fragen vorgelegt.

Dahinter steckt ein von DocMorris nach dem EuGH-Urteil vom Oktober 2016 initiierter Schadensersatzprozess gegen die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR). Nachdem die Luxemburger Richter im Oktober 2016 entschieden hatten, dass die Rx-Preisbindung, die Deutschland auch für Arzneimittelversender aus dem EU-Ausland im Arzneimittelrecht verankert hatte, unionsrechtswidrig ist, witterte DocMorris Morgenluft. Das Unternehmen erhob nun Klage gegen die AKNR und verlangte Millionen, weil diese zuvor einstweilige Verfügungen und Ordnungsgelder erwirkt hatte, die nach der EuGH-Entscheidung so nicht hätten ergehen dürfen. Konkret geht es um fünf Fälle, die sich zwischen 2013 und 2015 abspielten.

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In erster Instanz hatte das Landgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf sah es jedoch anders. Im März 2022 bejahte es das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach – zur Höhe gab es allerdings keine Entscheidung. Und die Forderungen von DocMorris liegen mittlerweile bei mehr als 18 Millionen Euro.

Nun liegt der Fall also vor dem Bundesgerichtshof – und der sieht die Sache offensichtlich anders als die Vorinstanz. Die Karlsruher Richter meinen nämlich: Werbemaßnahmen von DocMorris, die in Deutschland vor dem EuGH-Urteil von 2016 als Verstoß gegen die Rx-Preisbindung gewertet wurden, können dennoch unzulässig sein. Denn sie verstießen auch gegen das Zuwendungsverbot im Heilmittelwerbegesetz – weshalb der Bundesgerichtshof zumindest in drei Fällen einen Schadenersatzanspruch von DocMorris verneinen möchte. Diese Regelungen standen im zurückliegenden EuGH-Verfahren gar nicht zur Diskussion; dort ging es nur die Preisbindung im Arzneimittelgesetz (den mittlerweile nicht mehr existierenden § 78 Absatz 1 Satz 4 AMG). 

Wie verträgt sich das Heilmittelwerbegesetz mit dem Europarecht?

Jetzt ist aber die Frage: Wie fügen sich die deutschen heilmittelwerberechtlichen Vorschriften in die europäischen Regelungen ein? Ist die Annahme solcher Verstöße mit der Richtlinie 2001/83 – dem Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel – vereinbar? 

Die Antwort auf die Fragen des Bundesgerichtshofs werden mit Spannung erwartet. Wenn Boni als nach dem Heilmittelwerbegesetz verbotene Zuwendungen unzulässig sind, weil sie Verbraucher*innen beispielsweise zu einem Arzneimittelfehl- oder -mehrgebrauch anregen könnten, hätte man auf jeden Fall wieder ein scharfes Schwert gegen die Versender in der Hand. Dann kann man auch gegen die Rabattversprechen für Privatversicherte vorgehen. Denn die mittlerweile im Sozialrecht verankerte Rx-Preisbindung für EU-Versender erfasst lediglich den GKV-Bereich. 

Nun hat der EuGH mitgeteilt: Am 27. Juni findet in Luxemburg die mündliche Verhandlung statt. Das Urteil wird dann noch etwas auf sich warten lassen. Auch wenn an diesem Verfahren erneut der aus dem Verfahren von 2016 bekannte Generalanwalt Maciej Szpunar beteiligt ist: Die jüngere restriktivere Rechtsprechung des EuGH zur Arzneimittelwerbung macht Hoffnung. Und nicht zuletzt nach den Erfahrungen aus dem Jahr 2016 ist wohl sicher: Die AKNR wird sich mit ihren Anwälten gut auf die Verhandlung vorbereitet haben.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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