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Es steht viel auf dem Spiel bei dieser angekündigten Apothekenreform, letztlich ein Systemwechsel – Apotheken ohne Apothekers. Und perspektivisch drohen sogar der Mehrbesitz, Automaten-Apotheken und Drogerien als Arzneimittelverkaufsstellen. Apothekerorganisationen und sogar die Kassenärztliche Bundesvereinigung lehnen diese Reform in Gänze oder in weiten Teilen ab, auf alle Fälle die apothekerlosen Apotheken. Pro Reform sind, abgesehen von Lauterbach & Co., natürlich die AOK, die sich sogar die Millionen aus dem Dienstleistungstopf holen will. Und Ökonomen melden sich zu Wort, z. B. der Wettbewerbsökonom Justus Haucap, der die angekündigte Liberalisierung des Apothekenmarkts begrüßt. Es mache Sinn, dass Apotheken nicht nur von Apothekern betrieben werden müssen, sagt er, die Kosten seien einfach zu hoch.
24. Juni 2024
Bei der geplanten Apothekenreform stellt sich die Ärzteschaft auf die Seite der Apothekers, zumindest ein bisschen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist der Auffassung: „Im Bundesgesundheitsministerium schätzt man die Arbeit freiberuflich und inhabergeführter Apotheken überhaupt nicht.“ Außerdem sieht sie eine „Deprofessionalisierung im großen Stil“ einerseits beim klassischen Apothekenangebot. Andererseits aber auch bei den Leistungen, die Apotheken in Zukunft anbieten sollen: Die KBV befürchtet z. B. eine Deprofessionalisierung bei weiteren Impfangeboten und Testungen, die Lauterbach den Apotheken erlauben will. Das war klar, mein liebes Tagebuch, dass da Widerstand von der Ärzteschaft kommt. Neue Argumente dagegen sind allerdings nicht zu hören, es sind die gleichen Einwände wie seinerzeit bei den Grippeschutz- und Covid-19-Impfungen – sieht die Ärzteschaft eigentlich, dass diese Impfungen in Apotheken reibungslos verlaufen und die Geimpften sehr zufrieden sind mit diesem Impfangebot? Nun ja, die Einwände der KBV war zu erwarten. Dennoch, den prinzipiellen Beistand gegen die Reform schätzt die Apothekerschaft.
Kritik an Lauterbachs Reformplänen kommt erwartungsgemäß von der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG). Apotheken ohne Apothekerinnen, ohne Apotheker würden die Gesundheitsversorgung gefährden, so die DPhG. Dass die PTA eine approbierte Kraft bei Bedarf über Telefon oder Videochat dazuschalten kann, reiche nicht, denn das setze fälschlicherweise voraus, „dass bereits der Bedarf für eine pharmazeutische Intervention auch ohne Apotheker erkannt werden kann“. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig, dieses Argument muss viel stärker herausgestellt werden. Die DPhG stellt vielmehr ihre Forderungen an Lauterbach: Eine Änderung der Approbationsordnung sei aus ihrer Sicht längst überfällig, die Vorschläge der Apothekerschaft liegen bereits seit 2022 auf dem Tisch des Bundesgesundheitsministeriums. Außerdem, so die DPhG, seien die Apothekerinnen und Apotheker dafür prädestiniert, in bestimmten Fällen selbst Arzneimittelverschreibungen vorzunehmen – Erfahrungen in angelsächsischen Ländern hätten hier positive Resultate gezeigt. Mein liebes Tagebuch, ich finde die beiden Einwände der DPhG sehr gut – die ABDA sollte sie unbedingt mit in den Angebotskatalog der Apothekerschaft an Lauterbach aufnehmen (falls es diesen Katalog überhaupt gibt).
Die Gesundheitskioske spuken noch immer durch die Lande. Einst waren sie eine Herzensangelegenheit von Lauterbach in seinem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG). Doch es zeigte sich Widerstand von vielen Seiten und so wurden sie im jüngsten Referentenentwurf gestrichen, der dann bereits im Kabinett so beschlossen wurde. Jetzt kommt Unterstützung aus den Ländern für die Kioske: Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats empfiehlt, sowohl die Gesundheitskioske als auch -regionen und Primärversorgungszentren (PVZ) wieder in das Gesetz aufzunehmen. Na sowas, mein liebes Tagebuch, wie kommt’s? Der Unterschied zu Lauterbachs Plänen: Der Gesundheitsausschuss der Länder schlägt vor, dass beteiligte Kreise und kreisfreie Städte einen sehr viel größeren Kostenanteil übernehmen und die Kassen dadurch entlastet werden sollen (allerdings stimmten sechs CDU-geführte Länder im Gesundheitsausschuss dagegen). Beim Thema Medizinische Versorgungszentren (MVZ) setzt sich der Gesundheitsausschuss weiterhin für die „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ ein. Die unerwünschten Konzentrationsprozesse führten zu Risiken für eine flächendeckende, umfassende Versorgung“. Mein liebes Tagebuch, gut, dass der Länderausschuss erneut daran erinnert, dass die MVZ in der Tat viele Risiken bergen. Lauterbach sollte sich endlich darum kümmern. Und wie geht es mit diesen Empfehlungen des Gesundheitsausschusses weiter? Sie gehen an das Bundesratsplenum, dass sich am 5. Juli mit dem GVSG und den Empfehlungen befassen wird – ob die Anregungen aufgenommen werden, wird sich dann zeigen.
Mit seiner Apothekenreform will Lauterbach auch das Impfangebot in Apotheken ausweiten, z. B. das Angebot für Grippeschutzimpfungen. Klingt ja erstmal nicht schlecht, doch bei genauem Lesen des Referentenwurfs fällt auf, dass mit der Apothekenreform dann nur Standardimpfungen in Apotheken durchgeführt werden dürfen. Im Klartext: Der Teil der Patientinnen und Patienten unter 60 Jahren, die sich aktuell gegen Grippe in Apotheken impfen lassen können, fällt dann weg. Das hieße: Lauterbachs Pläne könnten dazu führen, dass weniger Personen als zuvor in Apotheken gegen Influenza geimpft werden. Rund 50 Prozent der Impfwilligen könnten sich dann nicht mehr in Apotheken impfen lassen. Mein liebes Tagebuch, was hat sich Lauterbach dabei gedacht? Ist dem BMG dies überhaupt aufgefallen und was soll so eine Einschränkung? Das eigentliche Ziel, nämlich eine höhere Durchimpfungsrate zu erzielen, erreicht man so nicht. Da gibt es noch erheblichen Diskussions- und Nachbesserungsbedarf.
25. Juni 2024
Die Stellungnahmen zum Referentenentwurf einer Apothekenreform trudeln ein. Überraschungen gibt es nicht, sie fallen wie erwartet aus. Der AOK-Bundesvorstand ist natürlich erfreut über die Reform: Er meint, dass Landapotheken durch die veränderte Honorierung gestärkt werden könnten. Und ganz klar, besonders schön ist für die AOK, dass das Apothekenhonorar nicht erhöht wird – das diene der Stabilisierung der GKV-Finanzen. Außerdem sollten doch bitteschön die nicht abgerufenen 380 Millionen Euro aus dem Finanzierungs-Topf für pharmazeutische Beratungsleistungen an die Krankenkasse zurückgeführt werden. Geht’s noch? Das ist AOK wie sie leibt und lebt.
Auf die Seite der Apothekerschaft stellt sich dagegen der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Er sieht deutlich die Nachteile, wenn die Apotheke ohne Apotheker käme: Verschlechterung in der Arzneimitteltherapie und in der Patientensicherheit. Durch die Zweigapotheken würde „die eigenverantwortliche Leitung einer Apotheke durch einen freien Heilberuf“ entwertet. Der BPI sieht in dieser Reform einen Schritt in Richtung fremdfinanzierte Apothekenketten mit einem großen Versandhandelsanteil. Mein liebes Tagebuch, wie wahr, dies Gefahr muss noch stärker thematisiert werden!
Während die ABDA den Referentenentwurf zur Apothekenreform rundum ablehnt, geht der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) differenzierter vor. BVDAK-Chef Stefan Hartmann sagt zwar auch klipp und klar, dass er Apotheken ohne Approbierte oder die erleichterte Gründung von Zweigapotheken grundsätzlich ablehnt. Aber er schaut auch auf einige seiner Meinung nach positive Punkte des Reformentwurfs, die es durchaus gebe. Er begrüßt z. B., dass das Fixum ab 2027 regelmäßig erhöht werden soll, die Parameter für die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sollten allerdings deutlich herausgearbeitet werden. Außerdem wünscht sich der BVDAK, dass die Wiederzulassung der Skonti nicht über das Reformgesetz, sondern schneller und unkomplizierter (z. B. über andere Gesetze) kommen sollte. Darüber hinaus stehen im Reformentwurf noch einige Änderungen, die nach Ansicht des BVDAK den Apothekenbetrieb vereinfachen, z. B. die Erleichterungen bei der Herstellung von Rezepturen im Filialverbund, die Aufteilung der Filialleitung auf zwei Approbierte sowie die Flexibilisierung der Öffnungszeiten, Änderungen, denen Hartmann durchaus etwas abgewinnen kann. Mein liebes Tagebuch, den Referentenentwurf wird man nicht ersatzlos streichen können, der geht nicht mehr weg, die Apothekerschaft wird sich damit auseinandersetzen müssen. Eine pauschale Ablehnung, wie die ABDA es macht, wird nicht zielführend sein, also, mal ganz einfach formuliert: Wo sind die Vorschläge der Apothekerschaft, was gestrichen werden muss und was bleiben kann und was noch rein soll?
Die CDU-Fraktion des Hamburgischen Landesparlaments setzt sich für die Apotheken ein. Sie will etwas gegen das Apothekensterben tun. Denn entgegen der Darstellung des Bundesgesundheitsministeriums ist das Apothekensterben nicht nur in ländlichen Regionen zu sehen, sondern es geht auch zulasten der Großstädte. Den Apotheken in den Städten gehe es nicht per se besser, so der Vorsitzende der CDU-Fraktion in Hamburg, Dennis Thiering. Er sagt deutlich, dass die von Lauterbach geplante Honorarumschichtung nicht der richtige Ansatz sei, um dem Problem zu begegnen. Der Vorschlag der CDU: die Apothekenhonorare insgesamt zu erhöhen und zu dynamisieren statt umzuverteilen. Mein liebes Tagebuch, es müsste noch viel mehr solcher Stimmen geben!
26. Juni 2024
Die Widerstände zur Apothekenreform hat das Bundesgesundheitsministerium erwartet. Ist davon aber nicht sonderlich beeindruckt, im Gegenteil. Der Leiter der Abteilung für Arzneimittel- und Medizinprodukte im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Thomas Müller, übrigens selbst Apotheker und Mediziner und für die Apothekenreform zuständig, verteidigte die umstrittenen Pläne des BMG. In einer von „apotheke adhoc“ veranstalteten Online-Diskussionsrunde machte Müller deutlich, dass von der ABDA aus seiner Sicht keine konstruktiven Vorschläge für eine Strukturreform gekommen seien. Adexa und die Freie Apothekerschaft habe man dagegen offensichtlich anders wahrgenommen. Mein liebes Tagebuch, ehrlich gesagt, da kann man ihm kaum widersprechen. Welche konkreten und konstruktiven Reformangebote zur Weiterentwicklung und Anpassung des Systems hat die Standesvertretung eigentlich gemacht? Ja, da wurde ein Forderungskatalog aufgestellt, u. a. mit einer Erhöhung des Fixums auf 12 Euro. Aber Forderungen sind erst mal noch nichts Konstruktives. Und 12 Euro? Laut Müller seien die Gesundheitsexperten der Ampelfraktion da „zusammengezuckt“. Nun ja, mein liebes Tagebuch, das sagt zunächst gar nichts aus, diese Experten zucken immer, wenn irgendwelche Honorare erhöht werden sollen (nur bei der Erhöhung der eigenen Diäten zucken sie nicht). Andererseits, so berechtigt ein Sprung von 8,35 Euro auf 12 Euro sein mag – eine solche Erhöhung ist groß; die Versäumnisse, für eine ständige jährliche Honoraranpassung während der vergangenen Jahre gekämpft zu haben, liegen auch auf Seiten der Apothekerschaft. Die regelmäßig vorgetragenen verbalen Forderungen auf Apothekertagen oder Wirtschaftsforen endeten nie in konkreten und deutlichen Taten. Man hätte schon viel früher auf die enger werdende finanzielle Situation der Apotheken mit lauten Protesten und Aktionen aufmerksam machen müssen. Was Müller zum Thema PTA und Apothekenleitung anmerkte, damit muss sich die ABDA auseinandersetzen: Müller sagte, es sei keineswegs beabsichtigt, Apotheken von PTA leiten zu lassen, es gehe lediglich darum, dass diese ohne Anwesenheit eines Approbierten öffnen könnten. Außerdem plane man Anpassungen in der PTA-Ausbildung. Mein liebes Tagebuch, wie schwammig ist das denn? Was heißt öffnen? Soll eine PTA die Apotheke morgens um 8 Uhr alleine öffnen können und wann muss die Apothekenleitung dann in der Apotheke erscheinen? Im Ernst, wenn es hier Verständnisprobleme gibt, muss man sich konstruktiv damit auseinandersetzen. Und vor allem das Szenario zu Ende denken, was aus einer temporären Leitung einer PTA entstehen könnte… vielleicht ist dann mehr Verständnis vom Ministerium für die Apothekensicht zu erwarten. Was in der Diskussionsrunde mit Müller auch deutlich wurde: Noch immer scheint es Unklarheiten beim Begriff der Telepharmazie zu geben. Wenn Müller mit dem Beispiel von Homeoffice um die Ecke kommt und sagt, es funktioniere tadellos, seine Mitarbeiter aus der Ferne zu erreichen, so lässt sich das nicht auf die Apotheke übertragen. Und man sollte ihm erklären, dass Telepharmazie in der Apotheke den Kontakt zwischen Apotheke und Kundschaft, Patientenschaft meint und nicht, wenn die Filialapotheke mit der Hauptapotheke telefoniert.
Unser Nachwuchs, die Pharmaziestudierenden haben sich zur Apothekenreform zu Wort gemeldet. Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) sieht nicht nur kritische Punkte, sondern auch „viele Lichtblicke zur Verbesserung des Apothekensystems“ im Referentenentwurf. Daher will er sich „betont konstruktiv mit dem Gesetz befassen“. Mit der Apotheke ohne Approbierte hadert auch der BPhD, zumindest ein bisschen. Er sieht das kritisch, kann sich aber durchaus vorstellen, dass PTA mit langer Berufserfahrung und Weiterbildung in „Sonderfällen“ die Apothekenleitung übernehmen können: Könnte dies nicht für die PTA „Aufstiegsmöglichkeiten“ und für die Apothekerinnen und Apotheker mehr Flexibilität bieten? Mein liebes Tagebuch, eine Gratwanderung, da kommt es wohl sehr auf die Ausgestaltung und die Grenzlinien an. Der BPhD macht zudem darauf aufmerksam, dass die Approbationsordnung für den Wandel des Berufs hin zu stärker heilberuflichen Tätigkeiten und die Ausweitung von pharmazeutischen Tätigkeiten angepasst werden soll. Mein liebes Tagebuch, da ist das Ministerium in der Pflicht.
Was bringt die Apothekenreform und was sind die Folgen für die Versorgung? Die ABDA und ihre Mitgliedsorganisationen wollen die Bundestagsabgeordneten darüber aufklären – und vorerst nicht protestieren. Damit Kammern und Verbände die richtigen und ausreichend Argumente haben, hat die ABDA ein sechsseitiges Papier mit Argumentationshilfen für sie erstellt, Überschrift „Konsequenzen des Entwurfes für ein Apothekenreformgesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium“. Mein liebes Tagebuch, das Ziel der ABDA: Wenn Kammern und Verbände nun die Bundestagsabgeordneten über Reformpläne und Folgen informieren und diese überzeugen, dass die Reform so eher kontraproduktiv für die Arzneimittelversorgung durch Apotheken ist, dann sehe man Chancen, im Gesetzgebungsverfahren auf die Gefahren dieser Reform aufmerksam zu machen und sie zu verändern. Ob die Argumente überzeugen? Als Abgeordneter würde man sich doch dann fragen: Und was wollen die Apothekers stattdessen? Alles so belassen wie es ist? Mein liebes Tagebuch, ja, nochmal: Wo sind die zukunftsgerichteten Alternativen? Alles bewahren und nichts verändern wollen – die Zeit ist vorbei.
27. Juni 2024
Statt nur Gespräche führen, Gesprächsfäden aufnehmen, wie es sich die ABDA vorgenommen hat, setzt der Hessische Apothekerverband auch auf öffentliche Proteste. Zahlreiche Apothekenteams waren auf den Frankfurter Opernplatz gekommen, um gegen die Reformpläne Lauterbachs zu demonstrieren. Die Landespolitik unterstützte die Proteste. Und am Donnerstag und Freitag sollten die Apotheken geschlossen bleiben. HAV-Chef Holger Seyfarth nahm die geplante Reform auseinander und machte auf die Gefahren aufmerksam, wenn es Apotheke ohne Apotheker gäbe. Seyfarth wehrte sich auch gegen die geplante Umverteilung beim Honorar: Mit einer Absenkung des prozentualen Anteils von drei auf zwei Prozent müsste massenhaft qualifiziertes Personal entlassen werden. Seyfarth verwies auch auf Vorschläge der Apothekengewerkschaft Adexa und aus der Kammer Schleswig-Holstein, wie man Apothekenteams an einer Honorarerhöhung beteiligt, was auch ins Gesetz geschrieben werden könnte. Übrigens, auch Landespolitikerinnen und -politiker waren zur Demo in Frankfurt gekommen. Die Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Ines Claus, sagte ihre uneingeschränkte Unterstützung des Ministerpräsidenten und der Gesundheitsministerin zu. Mein liebes Tagebuch, selbst von Seiten der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag kam Unterstützung – worüber der Himmel sich allerdings nicht freute: Er schickte Regen, Blitz und Donner.
Die ABDA hat den Referentenentwurf zur Apothekenreform erstmal komplett abgelehnt. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening erklärte in einer Online-Pressekonferenz die Gründe für die Ablehnung: Das, so die Sicht der ABDA, angestrebte Ende der Präsenzpflicht eines Apothekers, einer Apothekerin in einer Apotheke sei so „existenziell“, dass man sich über Weiteres erst unterhalten könne, wenn dieser Punkt weg ist. Deswegen sei die Stellungnahme derart „unorthodox“ geraten. Außerdem betonte Overwiening, dass das Gesetz auf eine Weise „eingekleidet“ und „ummantelt“ sei, als wäre es „etwas Gutes“ für die Apotheken. Dies gelte es aber zu entlarven. Mein liebes Tagebuch, das ist Lauterbachs Trick bei diesem Gesetz: Der Öffentlichkeit, aber auch den Apothekerinnen und Apothekern wird das Gesetz als Erleichterung, als Bürokratieabbau, als kosten- und personaleinsparend verkauft – so was muss man doch mögen! Von wegen, wenn man den oberflächlichen Lack dieses Reformvorhabens ankratzt, kommt die rostige und löchrige Oberfläche der Reform zum Vorschein. So weit. so richtig, aber damit kommt man bei Lauterbach nicht weiter. Es fehlen die Vorschläge der Apothekerschaft für eine Reform! Overwiening wollte diesen Vorwurf nicht akzeptieren, man habe, sagte sie, unter anderem auf das Modellprojekt ARMIN verwiesen. Mein liebes Tagebuch, ARMIN mag ein guter Ansatz sein, aber für eine rasche Reform ist das Projekt nicht geeignet. Es fehlt letztlich doch die Auseinandersetzung mit der Reform, es fehlen die konkreten Vorschläge der Apothekerschaft, der ABDA, wie die Reform besser werden könnte.
Keine lautstarken Proteste, keine Demos, in der Online-Pressekonferenz wiederholte die ABDA-Präsidentin das Vorgehen der ABDA. Man setzt stattdessen auf Gespräche – und auf eine Protest-Kampagne. Die ABDA hat dafür entsprechendes Material zur Verfügung gestellt und ruft die Apothekenteams dazu auf, sich mit Videos auf den Social-Media-Kanälen einzubringen. Apothekerinnen und Apotheker sollen in den Videos z. B. ihren Auftritt mit dem Satz beginnen „Meine Patienten brauchen mich, weil …“ und ihn individuell vervollständigen. Mein liebes Tagebuch, ja, alles gut, alles richtig, man muss alle Kanäle nutzen.
28. Juni 2024
So kann’s auch gehen: Die Kernelemente des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) von Lauterbach waren Gesundheitskioske, Gesundheitsregionen und Primärversorgungszentren (PVZ). Wie hat er sich für die Kioske und PVZs stark gemacht! Im Kabinettsbeschluss blieb von diesen Elementen nichts mehr übrig, sie sind gestrichen, das GVSG ging ohne in die 1. Lesung im Bundestag. Mein liebes Tagebuch, das zeigt, dass politischer Widerstand gegen Vorhaben, die sich nicht wirklich gut anfühlen, die nicht wirklich in das System passen, etwas bewirken kann. Wer weiß, vielleicht hätten Kioske eine Chance gehabt, wenn sie vorhandene Strukturen besser eingebunden hätten? Schwamm drüber. Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge sagte dazu im Bundestag in Richtung Lauterbach: „Wenn man es ernst meint mit der medizinischen Versorgung, gerade im ländlichen Bereich, dann nutzen Sie doch die Versorgung, die wir haben.“ Und damit klar ist, was er damit meint, schob er noch nach: Es sind die Apotheken und die Ärzteschaft. Sorge begrüßte z. B., dass bei den Ärzten die Regresse wegfallen sollen und fragte, warum dies bei den Apothekern und den Retaxationen nicht der Fall ist. Mein liebes Tagebuch, das fragen wir uns schon lange. Unterm Strich ist vom GVSG nicht viel übrig geblieben, selbst SPD-Gesundheitspolitiker meinen, dass in dem Gesetz noch etwas fehle…
Der Streit zwischen DocMorris und der Apothekerkammer Nordrhein schwelt weiter. In dieser Woche fand ein Schlagabtausch der Argumente vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg statt. Es geht darum, dass der EU-Versender Zugang zum deutschen Markt haben will, also noch mehr Zugang, denn de facto ist er doch schon auf diesem Markt tätig. Außerdem hat er sogar über CardLink einen bequemen Zugang zum E-Rezept-Verkehr. Aber DocMorris meint, dass der Marktzugang nur über einen Preiswettbewerb, also mit Rabatten und Gutscheinen möglich sei. Das sieht die Apothekerkammer Nordrhein anders: Die plakative Boni-Werbung des Versenders setzt riskante Anreize für Verbraucher – auch im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel – und muss unterbunden werden, sagt die Kammer. Mein liebes Tagebuch, da steht also einiges auf dem Spiel. DAZ-Redakteurin Kirsten Sucker-Sket war in Luxemburg dabei und hat den Austausch der Argumente verfolgt. Spannend, wie die Anwaltsseite des Versenders die Sache sieht und wie der Rechtsanwalt für die AKNR, Morton Douglas, dagegen hält. Für Freundinnen und Freunde von juristischen Argumenten ein Lesevergnügen! Bis eine Entscheidung fällt, wird es aber noch eine Weile dauern. Die Schlussanträge des Generalstaatsanwalts beim EuGH werden für den 17. Oktober erwartet.
Jetzt melden sich auch Ökonomen zur Apothekenreform zu Wort, z. B. der Wettbewerbsökonom Justus Haucap. Im Artikel der Online-Tageszeitung von „The Pioneer“ unter der Überschrift „Das Ende des Apotheken-Monopols“ begrüßt Haucap die angekündigte Liberalisierung des Apothekenmarkts. Es mache Sinn, dass Apotheken nicht nur von Apothekern betrieben werden müssen, sagt er, die Kosten seien einfach zu hoch. Haucap sieht zudem wettbewerbsökonomische Probleme. Für ihn sei das Mehrbesitzverbot in geographischen Grenzen einer der Gründe für das Apothekensterben. Apotheker dürften eine Apotheke, die pleite gehe oder aus Altersgründen geschlossen werde, zwei Kreise weiter nicht übernehmen. Haucap hätte lieber einen Apotheker mit vielen Apotheken als gar keine Apotheke auf dem Land. Und ja, er würde natürlich am liebsten das Mehrbesitzverbot generell abschaffen wollen. Mein liebes Tagebuch, und schon haben wir sie, die Diskussion über den Mehrbesitz, ausgelöst durch die angekündigte Apothekenreform. Zitiert wird in der Online-Tageszeitung auch ein Apotheker aus Düsseldorf, der sich für Apotheken größere Strukturen und Spezialisierung wünscht. Haucap sieht auch die hohen Kosten, die hohen Ausstattungsbedingungen für Apotheken als Nachteil: Solche Kosten würden ein zusätzliches Apothekenangebot unwahrscheinlich machen. Wenn Filialapotheken auch mit teuren Laboren ausgestattet sein müssen, seien dies unnötig aufwendige Doppelstrukturen, zumal auch die „Herstellung von Mixturen“ für Haucap eine absolute Nebensache in der Apothekerschaft sei, die sich auf einzelne Apotheken konzentrieren ließe. Gegenüber The Pioneer sagte Haucap: „Wir sollten die Ausgabe von Medikamenten auf mehr vertrauensvolle Schultern verteilen und mehr Wettbewerb zulassen. Bekannte Drogerieketten können hier eine wichtige Rolle spielen.“ Vertrauensvolle Schultern, die Drogerieketten – mein liebes Tagebuch, da scheint es bereits einige Marktteilnehmer und Ökonomen zu geben, die gemeinsam den Apothekenmarkt neu auf- und verteilen wollen. Also, schauen wir uns die Reform genau an. Von der ABDA sollten vor dem Hintergrund der Reform endlich konstruktive, praxisnahe Vorschläge kommen! Auf das Projekt ARMIN zu verweisen, reicht nicht. Und einfach beleidigt schmollen, ist der falsche Weg. Es wird höchste Zeit! Auch wenn uns die Reform so nicht gefallen kann, wir müssen mit Lauterbach reden. Was will er wirklich?
Mein liebes Tagebuch, noch ein heißer Lesetipp fürs Wochenende: Die Kritik an der ABDA, auch von intern, wächst. Deutliche Worte kommen von Holger Seyfarth, Chef des Hessischen Apothekerverbands. Im Exklusiv-Interview mit AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner sagt er: „Bei der ABDA hat man über viele Jahre verinnerlicht: Egal, wie gut oder schlecht verhandelt wird – am Ende wird die Rechnung sowieso von den Mitgliedern bezahlt!“ Und trotzdem rechnet Seyfarth nicht mit einer „Palastrevolte“ – denn: „Apotheker sind leidensfähig und werden es auch bleiben.“ Und Seyfarths Ansage in Richtung Apothekerhaus: „Frau Overwiening und der geschäftsführende ABDA-Vorstand müssten sich endlich ehrlich machen und eingestehen, dass sie es einfach nicht können!“ Das Interview finden Sie hier.
3 Kommentare
Haucap,H.Seyfarth und Rabattkollegen
von Dr.Diefenbach am 30.06.2024 um 13:41 Uhr
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Blockade schiesst keine Tore!
von Ulrich Ströh am 30.06.2024 um 8:03 Uhr
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AW: Blockade schiesst keine Tore
von Beldowitz am 30.06.2024 um 8:21 Uhr
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