Reiztherapie für Kinderhaut

Auch Pflaster helfen bei Insektenstichen

16.07.2024, 07:00 Uhr

Insektenstiche nerven. Kälte, Wärme oder eine Reiztherapie können die Symptome lindern. (Foto: triocean / AdobeStock)

Insektenstiche nerven. Kälte, Wärme oder eine Reiztherapie können die Symptome lindern. (Foto: triocean / AdobeStock)


Insekten verursachen durch Bisse, Stiche oder ihr Sekret lokale Hautreaktionen mit starkem Juckreiz. Schnell entsteht eine Rötung oder Schwellung, die sich durch Kratzen vergrößert. Zur Linderung gibt es viele Hausmittel. Besonders für Kinder eignet sich die Reiztherapie mit Pflastern oder Wärme zur schnellen Linderung der Symptome. Sie ist einfach in der Anwendung und praktisch für unterwegs. 

Auf einen Insektenstich oder -biss antwortet der Körper mit einer Abwehrreaktion. Die weibliche Stechmücke injiziert Speicheldrüsensekret mit gerinnungshemmenden Peptiden und Proteinen in die Einstichstelle und saugt Blut bei ihrem Opfer ab. Wespen können ihren glatten Stachel mehrfach verwenden, während der Stachel einer Biene in der Haut stecken bleibt. 

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Unser Körper reagiert auf die eingedrungenen, fremden Eiweiße. Mastzellen der Haut setzen Histamin frei. Durch Vasodilatation rötet sich die Haut, juckt und schwillt an. Mechanische Reize durch Kratzen oder reibende Kleidung verstärken die Symptome. 

Teufelskreis Kratzen und Juckreiz

Juckreiz provoziert das Kratzen, das wiederum den Juckreiz verstärkt. Dieser Teufelskreis ist nur schwer zu durch­brechen. Kinder können den Drang noch schwerer unter­drücken als Erwachsene. Intensives Kratzen führt zu sekundären Veränderungen wie Abschürfungen, kleinen Wunden, Blutungen oder Krusten. Dabei entstehen Eintrittspforten für die auf der Haut angesiedelten Bakterien, die bei warmen Temperaturen und dem feuchten Milieu der Wunde besonders gut wachsen. Eine bakterielle Infektion und Entzündung der oberen Hautschichten oder Lymphwege zeigt sich als scharf begrenzte starke Rötung. 

TRPV1-Kanäle vermitteln den Juckreiz

Eine relativ neue Methode, den Juckreiz zu unterdrücken und damit den beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen, ist die Reiztherapie. Sie nutzt physikalische, chemische oder mechanische Reize, um eine heilende oder lindernde Wirkung zu erzielen. Die Wirkung beruht wahrscheinlich auf einer Aktivierung von TRPV1-Rezeptoren. Die Transistent-Receptor-Potential(TRP)-Kanäle bilden eine der größten  Ionenkanal-Familien im menschlichen Körper, die durch physikalische und chemische Stimuli aktiviert werden. An den nozizeptiven Neuronen des peripheren Nervensystems sind unter anderem die TRPV1-Kanäle lokalisiert. Mechanische Reize, Temperaturen über 42 °C und Capsaicin zum Beispiel können diesen Thermo- und Capsaicin-Rezeptor  aktivieren. Die Öffnung der TRPV1-Kanäle bewirkt einen Einstrom von Calcium-Ionen und löst ein Aktionspotenzial aus, das sich über die Nervenbahnen fortpflanzt und im  Gehirn zur Wahrnehmung von Juckreiz, Brennen und Schmerz führt. Auch nach einem Insektenstich kommt es zur Öffnung des rezeptorgebundenen Ionenkanals. Dauert die Aktivierung der TRPV1-Kanäle an, kommt es zu einer Desensibilisierung der Nozizeptoren. Die Neuronen werden daher nach einer Weile unempfindlich gegenüber Wärme, Capsa­icin und anderen Stimulanzien. Diesen paradoxen  Effekt macht sich die Reiztherapie zunutze: Durch ein  dauerhaft auf der Haut klebendes Pflaster als Reiz wird die TRPV1-vermittelte Nozizeption unterdrückt. 

Reiztherapie mit Pflastern

Mit einem einfachen Heftpflaster 1,5 × 1,5 cm im Quadrat (z. B. von Leukosilk®) auf der frischen Stichverletzung lässt der Juckreiz innerhalb kurzer Zeit nach, und die Schwellung wird gemildert. Das Aufkleben eines Pflasters löst einen  mechanischen Reiz aus und schützt zusätzlich die Stelle vor Kratzen. Die modernere Variante dieser Behandlungsweise ist das Moskinto® Mückenpflaster, ein Gitterpflaster aus  Textil gegen Juckreiz. Es ist auch für Säuglinge, Kinder  und Schwangere geeignet. Die Wirkung basiert auf einem mechanischen Reiz, denn das Pflaster hebt die oberste  Hautschicht durch statische Aufladung leicht an, so der Hersteller. Sekrete und Flüssigkeiten können hierbei besser abfließen. Damit das Pflaster besser klebt, soll die Hautstelle vor dem Applizieren gereinigt werden. Ein Stachel in der Haut ist vorher zu entfernen. Die Klebekraft hält etwa fünf bis sieben Tage an, dann löst sich das Moskinto® Mückenpflaster von allein. Der Stich kann sich unter dem Pflaster allerdings infizieren. Warnzeichen sind nicht zu stoppender Juckreiz, Schwellung und das Nässen der Hautstelle. Hat das Kind schon gekratzt, kann das Pflaster nach einer Haut­desinfektion geklebt werden. Für Patienten, die allergisch auf Insektenstiche oder Pflaster reagieren, ist diese Ver­fahrensweise nicht geeignet.

Kältetherapie lindert den Juckreiz schnell

Vor der Anwendung von Kälte sollte als erste Maßnahme ein Stachel mit einer Pinzette und nicht mit den Fingernägeln entfernt werden. Die Einstichstelle wird anschließend einmalig mit Octenidin (Octenisept®) oder PVP-Jod-Lösung (Betaisonona® Lösung) desinfiziert. Eine Kühlung des Stiches bewirkt meist eine schnelle Linderung. Sie ist auf die Schließung der TRPV1-Kanäle zurückzuführen. Bewährte Hausmittel sind Spucke, nasse Umschläge oder eine frisch aufgeschnittene Zwiebel. Die im Zwiebelsaft enthaltenen schwefelhaltigen Inhaltsstoffe unterstützen den kühlenden Effekt mit einer antibakteriellen und desinfizierenden Wirkung. Da die Zwiebel auch Hautreizungen verursachen kann, sollte im Anschluss noch eine beruhigende Hautsalbe aufgetragen werden. Kühlende und pflegende Fertigprodukte aus der Apotheke sind zum Beispiel der Fenistil® Kühl Roll-on oder Soventol® Anti-Juck-Stift für kleine Hautbereiche. Sie sind nicht für große, verletzte oder entzündete Hautflächen geeignet. 

Hitze als Stichheiler 

Die Anwendung von Hitze als thermischer Reiz ist eine weitere Technik, um den Juckreiz zu lindern. Das patentierte Medizinprodukt bite away® wird mit einer Batterie betrieben. Eine Kontaktplatte am Ende des Stichheilers heizt auf ca. 50 °C auf. Kommt die Stichstelle mit dem Hitzestift in Kontakt, werden tierische und körpereigene Eiweiße dadurch zerstört. Zusätzlich unterdrückt die Wärme die Ausschüttung von körpereigenem Histamin. Rötungen und Schwellungen werden verhindert oder verheilen nach Angaben des Herstellers schneller. Die Hitze bewirkt eine Linderung des Juckreizes, allerdings kann die konzentrierte Wärme für kurze Zeit unangenehm sein. Für Kinder hat der bite away® einen eigenen Anwendungsmodus, bei dem das Hitzeprogramm kürzer ist als für Erwachsene. Zu dauerhaften Eiweißdenaturierungen oder Veränderungen der Haut im Temperaturbereich von 49 bis 53 °C kommt es erst bei längeren (Minuten bis Stunden) Hyperthermie-Applikationen. Der Stichheiler von bite away® hat eine keramische Kontaktfläche für die Wärmetherapie und eignet sich auch für Metall­allergiker.  

Der Insektenstichheiler mosquito by heat it funktioniert in Verbindung mit einem geeigneten Smartphone und der dazugehörigen App. Das kleine Medizinprodukt wird mithilfe des Handys vorgeheizt. Die App signalisiert, wann der Stichheiler betriebsbereit ist und auf der betroffenen Stelle platziert werden kann.  

Umschläge, Bäder und Lokalanästhesie

Quarkumschläge haben bei Insektenstichen viele positive Effekte. Der hohe Wasseranteil im Quark erzielt beim Verdunsten eine langanhaltende kühlende Wirkung. Gefäße ziehen sich zusammen und die Durchblutung wird reduziert. Dadurch schwillt das Gewebe ab und die Rötung lässt nach. Der Milchsäure und den Enzymen im Quark wird eine entzündungshemmende Wirkung zugesprochen, die wissenschaftlich nicht belegt ist. Trocknet der Quark, zieht er die Haut zusammen und übt durch diesen Reiz einen heilungsfördernden Effekt auf das entzündete Gebiet aus. Bei einer großen Anzahl an Mückenstichen helfen Umschläge oder Bäder bei 34 °C mit Gerbstoffen wie z. B. in Tannolact® oder Tannosynt®

Da Allergien gegen Kamille weit verbreitet sind, sollten damit keine Umschläge gemacht ­werden. Das Lokalanästhetikum Polidocanol ist schon für Kinder geeignet. Dafür eignen sich Rezepturen aus dem Neuen Rezeptur-Formularium NRF, wie die Hydrophile Polidocanol-Creme 5 % / 10 % (NRF 11.118.) oder die Lipophile Polidocanol-Creme 5 % / 10 % (NRF 11.119.) und Anaesthesulf® Lotio. 

Antiallergische Maßnahmen

Die Antihistaminika Bamipin (z. B. Soventol® Gel) und Dimetindenmaleat (z. B. Fenistil® Gel) eignen sich als Lokaltherapeutikum schon für Kinder ab der Geburt. Bei starkem Juckreiz oder Schwellungen kann das sedierende Dimetindenmaleat als Tropfen für zwei bis drei Tage mit einer Tagesdosis von 0,05 bis 0,1 mg/kg Körpergewicht ab dem ersten Lebensjahr verabreicht werden. In schweren Fällen kann abhängig vom Alter eine Cortison-haltige Salbe eingesetzte werden. Hydrocortison-Buteprat 0,1% (z. B. Neuroderm® akut 0,1 Creme) lindert schon für Kinder ab einem Monat den Juckreiz. 

Wann sofort zum Arzt? 

Eine Versorgung durch einen Notarzt oder in einer Notfallambulanz ist bei Kleinkindern mit Stichen von Wespen, Bienen oder Hornissen und bei bekannter Allergie auf Wespen- oder Bienentoxine umgehend erforderlich. Sind die Zunge, Halsregion, Augenpartie oder große Bereiche betroffen, müssen Kinder umgehend dem Arzt vorgestellt werden. Zum Entlassmanagement nach der Notfallversorgung gehört die Einweisung in die korrekte stadiengerechte Verabreichung der Notfallmedikamente als essenzieller Bestandteil der Patientenaufklärung bei der Verschreibung. Hier sollte sich das pharmazeutische Personal bei der Abgabe von Antihistaminika, Cortison und Adrenalin-Autoinjektor vergewissern, dass die Schulung passend zum verordneten Pen erfolgt ist und diese notfalls noch einmal wiederholen. Eine Hautveränderung muss in den nächsten Tagen aufmerksam beobachtet werden. Anhaltende extreme Rötung, Schwellung, Überwärmung und Schmerzen sind mögliche Anzeichen für eine Infektion. Kommt es nach einigen Tagen zu Sekundärinfektionen, helfen Umschläge mit Rivanol®-Lösung 0,1 % oder antiseptische Salben. 

Schnelle Reaktion ist wichtig

Schnelles Handeln bei Stichverletzungen verhindert Juckreiz, schwere Hautsymptome und Komplikationen. Hitze oder ein Pflaster als Reiztherapie können anstelle von chemischen Substanzen eingesetzt werden. Verschiedene praktische Produkte aus dem Apothekensortiment lassen sich auch einfach bei Kindern anwenden. 

Beißen oder Stechen?

Für die Versorgung von Insektenstichen oder -bissen ist es wichtig zu wissen, ob ein Stachel zu entfernen ist oder ob es sich um eine Bisswunde handelt. Weibliche Stechmücken piksen ihren spitzen Rüssel ohne Einsatz eines Stachels in die feinen Blutgefäße der Haut und saugen das Blut ihres Opfers auf. Für eine Biene endet ein Stich tödlich. Ihr Stachel reißt zusammen mit dem Hinterteil vom Körper ab, bleibt im Gewebe und muss möglichst schnell wieder aus der Haut entfernt werden. Wespen stechen zur Selbstverteidigung und können ihr effektives Werkzeug mehrfach verwenden. 

Bienen versterben nach dem Stich. (Foto: mirkograul / AdobeStock) 

Viele Insekten beißen, obwohl landläufig von einem Stich gesprochen wird. Zecken, Flöhe, Bettwanzen, Bremsen und Kriebelmücken verwunden Menschen, indem sie ihr scharfes, sägeblattähnliches Mundwerkzeug benutzen.  
Einige Insekten stechen und beißen. Dazu gehören Hornissen und Hummeln. Nur die Weibchen der Hummeln haben einen langen Stachel, der allerdings nicht in der Haut stecken bleibt.

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Literatur  
[1] Häufig gestellte Fragen zu Jext®. Informationen der ALK-Abelló Arzneimittel, Stand: 11. Juli 2024  
[2] Kram D. Polidocanol, Oberflächenanästhetikum, Antipruriginosum und Emulgator. DAZ 2015;39:44 
[3] Kreusch F. Mückenstiche: Einfaches Heftpflaster kann gegen Juckreiz helfen und Infektionen verhindern. coliquio.de, Paxismanagement 2. September 2017 
[4] Kammer C. Quarkwickel gegen Entzündungen und Schmerzen. PTAheute 2017;6 
[5] Moskinto® Mückenpflaster. Informationen der Apaloo GmbH, https://moskinto.de ;
[6] Müller C et al. The use of concentrated heat after insect bites/stings as an alternative to reduce swelling, pain, and pruritus: an open cohort-study at German beaches and bathing-lakes. Clin Cosmet Investig Dermatol 2011;4:191–196, doi: 10.2147/CCID.S27825 
[7] NN. Insektenstiche – oft klein und gemein. DAZ 2005;31:40 
[8] Probst W, Vasel-Biergans A. Wundmanagement. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2010 
[9] Ring J, Beyer K, Biedermann T et al. Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie ‒ Update 2021. Allergo J 2021;30:20–49, https://doi.org/10.1007/s15007-020-4750-0 ;
[10] Schäfer C, Ude C, Ude M. Pädiatrische Pharmazie. Handbuch für die Weiterbildung der PädiaAkademie. 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag, 2022 
[11] Schlippe D. Studienzusammenfassung Konzentrierte Wärmetherapie bei Insektenstichen: Datenlage und praktische Erwägungen. Informationen der Dermapharm AG 
[12] Szallasi A, Blumberg PM. Vanilloid (Capsaicin) receptors and mechanisms. Pharmacol Rev 1999;51:59–212


Alexandra Hinsken, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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