Studie

Süßstoff Xylitol begünstigt Blutgerinnsel und kardiovaskuläre Ereignisse

29.07.2024, 09:15 Uhr

Xylitol-Kaugummi wie diesen findet man auch in der Apotheke. (Foto: IMAGO / Dreamstime)

Xylitol-Kaugummi wie diesen findet man auch in der Apotheke. (Foto: IMAGO / Dreamstime)


Sind Süßstoffe sicher? Eine neue Studie nährt die Zweifel am Einsatz mancher Substanzen.

Künstliche Süßstoffe, die als Zucker­ersatz in Softdrinks und Lebensmitteln dienen und diese eigentlich „gesünder“ machen sollen, sind in den letzten Jahren in Verruf geraten. Studien über eine mögliche krebserregende Wirkung und ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen machten Schlagzeilen. 

Nun haben Kardiologen der amerikanischen Cleveland Clinic eine Studie im European Heart Journal veröffentlicht, die Zweifel an der Sicherheit mancher Zuckerersatzstoffe weiter nährt. Diesmal im Fokus: Xylitol, auch bekannt als Xylit, Birkenzucker und Lebensmittelzusatzstoff E967. 

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Das fünfwertige Polyol kommt in geringen Mengen in einigen Obst- und Gemüsesorten vor. Ebenso entsteht es in Spuren als Zwischen­produkt des Glucosemetabolismus. Da es eine ähnliche Süßkraft wie Saccharose besitzt, wird es manchen Lebensmitteln als 1:1-Zuckerersatzstoff zugesetzt. Xylitol ist im Kilobereich günstig im Supermarkt zu bekommen. Die künstliche Zufuhr überschreitet die aus natürlichen Quellen leicht um den Faktor 1000. Aufgrund seines karieshemmenden Potenzials wird Xylitol auch in Zahncremes und Kaugummis angewendet.

Erhöhte Inzidenz für schwere kardiovaskuläre Ereignisse

In einer ungezielten Studie fiel dem Team um Dr. Stanley Hazen zunächst ein Zusammenhang zwischen erhöhten Xylitol-Werten im Blut der 1157 Probanden und einer erhöhten Inzidenz für schwere kardiovaskuläre Ereignisse auf. Dieser Zusammenhang bestätigte sich in einer gezielten Studie, in der das Blut weiterer 2149 Teilnehmer untersucht wurde. Um Einblick in den zugrunde liegenden Mechanismus zu erhalten, testeten die Mediziner den Effekt von Xylitol auf humane Thrombozyten. 

Erhöhte Thrombozyten­reaktivität 

Xylitol erhöhte hier die Thrombozytenreaktivität. Auch im Maus­modell führte Xylitol-Exposition zur beschleunigten Bildung von Thromben. Um die klinische Relevanz zu untersuchen, führte das Team eine Interventionsstudie mit zehn gesunden Freiwilligen durch, die mit 30 g Xylitol gesüßtes Wasser zu sich nahmen. Die Mediziner entnahmen den Probanden vor und 30 Minuten nach der Einnahme Blut. Xylitol-Plasmawerte zum Zeitpunkt 0 betrugen 0,3 µM. Eine halbe Stunde nach Einnahme waren die Werte mit rund 312 µM um etwa das Tausendfache erhöht. Auch die Thrombozytenreaktivität in thrombozytenreichem Plasma war signifikant gesteigert, am stärksten bei den Probanden mit den höchsten Xylitol-Plasmawerten. Innerhalb von vier bis sechs Stunden erreichten die Xylitol-Werte wieder ihr Ursprungsniveau. Eine erhöhte Thrombozyten­reaktivität steigert das Risiko für Blutgerinnsel, was wiederum einen Risikofaktor für Herzinfarkte und Schlag­anfälle darstellt.

In den beiden untersuchten Kohorten hatten Individuen im dritten Tertil, also im Drittel der untersuchten Population mit den höchsten Xylitol-­Plasmawerten, ein um 57% höheres Risiko, innerhalb von drei Jahren ein schweres kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden, als Personen im ersten Tertil. Die Sicherheit von Xylitol als Süßstoff steht damit infrage und sollte weiter untersucht werden. Unter anderem Konsumenten mit Vorerkrankungen wie Diabetes und Übergewicht greifen zu künstlich gesüßten Lebensmitteln. Sie sollten sich bewusst sein, dass sie unter Umständen nur den Risikofaktor Zucker gegen den Risikofaktor Xylitol austauschen.

Literatur

Witkowski M et al. Xylitol is prothrombotic and associated with cardiovascular risk. Eur Heart J 2024:ehae244


Ulrich Schreiber, MSc Toxikologie, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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