Mückenschutz auch nach der Reise sinnvoll

Ungewollte Souvenirs

13.08.2024, 09:15 Uhr

Europäischen und US-amerikanischen Studien zufolge erkranken 43 bis 79% der Reiserückkehrer während oder nach einem Aufenthalt in Entwicklungs- und Schwellenländern. (Symbolfoto: Odua Images / AdobeStock)

Europäischen und US-amerikanischen Studien zufolge erkranken 43 bis 79% der Reiserückkehrer während oder nach einem Aufenthalt in Entwicklungs- und Schwellenländern. (Symbolfoto: Odua Images / AdobeStock)


Sommerzeit bedeutet Reisezeit. Um den Urlaub uneingeschränkt genießen zu können und nicht schwer zu erkranken, schützen sich Reisende durch die für das jeweilige Land empfohlenen Impfungen. Aber durch Reisende können sich auch Erreger von einem Land zum anderen verbreiten. Wie schnell eine solche Verbreitung möglich ist, hat nicht zuletzt die SARS-CoV-2-Pandemie gezeigt. Welche Maßnahmen können dazu beitragen, nicht nur die Reisenden, sondern auch die Zuhausegebliebenen zu schützen? Und was ist zu tun, wenn nach der Reise Symptome auftreten?

In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl internationaler Reisender, vor allem Touristen, deutlich gestiegen. Die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) hat berichtet, dass im Jahr 2018 19% der Weltbe­völkerung (1,4 Milliarden Menschen) über internationale Grenzen gereist sind, für das Jahr 2030 wird sogar mit ca. 2 Milliarden Reisenden pro Jahr gerechnet. Historisch gesehen haben Globalisierung und menschliche Migration maßgeblich zur Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten beigetragen. 

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So wurden beispielsweise Ausbrüche von Cholera und Meningokokken-Meningitis mit internationalen Reisenden in Verbindung gebracht, die aus betroffenen (Endemie-)Gebieten zurückkehrten [1]. Welche Maßnahmen sind nun sinnvoll, um eine Einschleppung von Keimen zu vermeiden?

Reiseimpfungen schützen nicht nur Geimpfte

Die ständige Impfkommission (STIKO) und die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V. (DTG) empfehlen Reiseimpfungen nicht nur „zum individuellen Schutz Reisender mit einem Expositionsrisiko gegenüber bestimmten impfpräventablen Erkrankungen“, sondern auch explizit „um den Import von Infektionser­regern in das bereiste Land oder bei Rückreise nach Deutschland zu verhindern“ [2].

Die Entwicklung verschiedener internationaler Vorschriften und Gesundheitsprotokolle, vor allem im Bereich von Impfungen und Chemoprophylaxe hat die Belastung durch importierte Infektionskrankheiten verringert. Gleichzeitig ist dadurch aber auch das Risiko gestiegen, dass Reisende mit einer Kolonisierung oder Infektion durch resistente Keime (AMR) zurückkehren, wobei das Ausmaß dieses Risikos je nach Herkunfts- und Zielort der Reise variiert [1].

Eine vom Uniklinikum Leipzig veröffentlichte Studie zeigte, dass fast jeder dritte Reisende nach Rückkehr aus einem Land mit einer hohen Dichte von multiresistenten Erregern, diese nach Deutschland einschleppte. Auffällig waren dabei vor allem Reisende aus Indien und Südostasien. Nach sechs Monaten hingegen war die Anzahl an betroffenen Personen um über 90% gesunken. Um die Verbreitung resistenter Keime zu vermeiden, empfehlen die Studienautoren deshalb bei einer Aufnahme in medizinische Einrichtungen eine aktive Überwachung sowie Vorsichtsmaßnahmen zur Kontaktisolierung, insbesondere für Patienten, die in den letzten sechs Monaten nach Indien und Südostasien gereist waren [3].

Auch nach Rückkehr einen Mückenschutz verwenden 

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldet für die ersten Monate des Jahres 2024 eine auffallend hohe Anzahl reise­assoziierter Fälle von Dengue-Fieber. Dies ist in den Tropen und Teilen der Subtropen weit verbreitet und äußert sich mit Fieber, Ausschlag und Schmerzen (vgl. Fischer S. „Gefürchtetes ‚Knochenbrecher‘-Fieber: Durch Stechmücken übertragene Dengue-Virus­erkrankung tritt immer häufiger auf“ DAZ 2020, Nr. 24, S. 56). Um autoch­thone Übertragungen zu verhindern, empfiehlt das RKI, dass sich Reisende in Dengue-Virus-Endemiegebiete nicht nur vor Ort ganztags vor Mückenstichen schützen, sondern im Sommer und Frühherbst auch nach Rückkehr für 14 Tage einen Mückenschutz verwenden – sogar bei Symptomfreiheit [4].

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Treten nach einer Erkrankung Sym­ptome auf, erleichtert eine gründliche Anamnese der Reise des Patienten die Diagnosestellung. Dazu gehören neben der Reiseroute auch die Art der Reise, die Dauer, der Grund der Reise, Aktivitäten, Kontakt zu Tieren, erkrankten Personen und Gesundheitseinrichtungen, Unterkünfte, Verpflegung sowie die Frage nach erkrankten Mitreisenden und Präventionsmaßnahmen (unter anderem Reiseimpfungen und Malaria-Chemoprophylaxe).

Übersicht zur infektionsassoziierten Risikoexposition auf Reisen

Europäischen und US-amerikanischen Studien zufolge erkranken 43 bis 79% der Reiserückkehrer während oder nach einem Aufenthalt in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dabei kommt es am häufigsten zu Durchfallerkrankungen, viralen Syndromen und Malaria. Die Tabelle gibt eine Übersicht zur infektionsassoziierten Risikoexposition auf Reisen. Während Reiserückkehrer aus Subsahara-Afrika häufig mit Malaria zurückkommen, tritt bei Asien-Reisenden eher Dengue-Fieber und Typhus abdominalis auf. 

Tab.: Übersicht infektionsassoziierter Risiken auf Reisen (nach [5])
Exposition/Risikofaktorzu berücksichtigende Infektionen bzw. Erreger
Insektenstiche/-bisse
  • Mücken
Malaria, Arbocirosen (zum Beispiel Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber), Filariosen, Leishmaniose
  • Fliegen
afrikanische Trypanosomiasis (Tsetse-Fliege, schmerzhaft)
  • Bremsen (Zentral-/Westafrika)
Loiasis (schmerzhafte Stiche der Gattung Chrysops)
  • Zecken
Rickettsiosen, Zecken-Rückfallfieber, Krim-Kongo hämorrhagisches Fieber, Tularämie, Q-Fieber, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Babesiose, Lyme-Borreliose
  • Milben (Süd-/Südostasien, Pazifik)
Tsutsugamushi-Fieber (Orientsia tsutsugamushi)
  • Flöhe
murines Fleckfieber (Rickettsia typhi), Flohfleckfieber (Rickettsia felis),Pest (Yersinia pestis)
  • Raubwanzen (Süd-/Mittelamerika)
amerikanische Trypanosomiasis (Chagas-Krankheit)
  • Läuse
Fleckfieber (R. prowazekii), Läuse-Rückfallfieber (Borrelia recurrentis), Wolhynisches Fieber (Bartonella quintana)
Hautkontakt mit Erdboden/Sandkutane Larva migrans, Ankylostomiasis (Hakenwürmer), Strongyloidiasis (Strongyloides stercoralis), Melioidose (Burkholderia pseudomallei)
Tätowierungen, intravenöser Drogenabusus, TransfusionenHIV-Infektion, Hepatitis B/C, Cytomegalovirus-Infektion, West-Nil-Virus-Infektion, Malaria, Babesiose, Leishmaniose
ungeschützter GeschlechtsverkehrHI-, Herpes-simplex-, Epstein-Barr-, Cytomegalo-Virus-Erstinfektion, Zika-Fieber, Hepatitis Virus (A, B, C), Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydien, Lymphogranuloma venereum
Süßwasserkontakt (zum Beispiel Rafting, Schwimmen)Schistosomiasis, Leptospirose, Infektionen mit Aeromonas spp., Melioidose, atypische Mykobakteriosen, Legionellose (Inhalation), Amöben-Infektionen
SalzwasserkontaktInfektionen mit Vibrio vulnificus, Aeromonas spp., Mycobacterium marinum (Schwimmbadgranulom), Erysipelothrix rhusiopathiae (Erysipeloid)
TierbisseTollwut, Katzenkratzkrankheit, Rattenbissfieber, Sporotrichose
enger TierkontaktQ-Fieber, Anthrax (Milzbrand), Psittakose, Tularämie, Vogelgrippe, MERS, Lassa-Fieber, Nipah-Virus-Enzephalitis, Echinokokkose, Brucellose, virale hämorrhagische Fieber
Freundes- und FamilienbesuchMalaria, Typhus abdominalis, Tuberkulose, Hepatitis A, Meningokokken-Meningitis, Ebola hämorrhagisches Fieber
Höhlenbesuche (vor allem in Amerika)Histoplasmose, Tollwut (Fledermausbiss/-kratzer)
Safari in Ost-/Südafrikaafrikanisches Zeckenbissfieber, afrikanische Trypanosomiasis (Schlafkrankheit)
Konsum von
  • unsauberem Wasser
Lambliasis/Giardiasis, Kryptosporidiose, Amöbiasis, Hepatitis A - E, Typhus abdominalis
  • Rohkost (ungewaschen)
Helminthosen (Ascaris, Trichuris, Echinococcus, Fasciola), Typhus (Paratyphus, Hepatitis A/E
  • Rohmilch/rohen Milchprodukten
Listeriose, Brucellose, Rindertuberkulose, Yersiniose, Salmonellose
  • rohem Fleisch
Salmonellose, Campylobacteriose, Yersiniose, Infektionen mit Clostridium perfringens, hämolytisch-urämisches Syndrom (durch EHEC), Hepatitis A - E, Sarkozystose, Toxoplasmose, Trichinellose, Taeniasis 
  • rohem Fisch/Meeresfrüchten
Gnathostomiasis, Infektionen mit Vibrio vulnificus, Aeromonas spp. und Shewanella spp., Hepatitis a/E, Norovirus-Enteritis, Opisthorchiasis/Clonorchiasis (Leberegel), Intoxikation (z. B. Ciguatera)
  • Schnecken/Krabben (Südostasien, Pazifik)
eosinophile Meningitis (Angiostrongylus cantonensis), Paragonimiasis

Bei Reisenden nach Lateinamerika dominieren Dengue-Fieber und Lepto­spirose, eine Infektionskrankheit, die durch Bakterien der Gattung Leptospira verursacht wird und unter anderem die Leber, die Niere und die Hirnhaut betrifft. Die Abbildung zeigt die Häufigkeit von Tropenkrankheiten bei Reiserückkehrern in Abhängigkeit von der Reiseregion [5].

Abb.: Häufigkeit des Auftretens von Tropenkrankheiten bei fiebernden Rückkehrern in Abhängigkeit von der bereisten Region [5]

Zu beachten ist, dass Infektionen nicht immer sofort ausbrechen. Unter Umständen kommt es erst nach Wochen oder Monaten zu Beschwerden, wenn das Immunsystem durch Stress und Schlafmangel geschwächt wird. Nicht nur Fieber und Durchfall, auch un­spezifische Krankheitszeichen wie Abgeschlagenheit oder ein allgemeines Krankheitsgefühl können Anzeichen einer Reiseinfektion sein. In jedem Fall ist deshalb ein Arztbesuch angeraten. Unter Umständen kann auch dann noch eine Impfung sinnvoll sein. So sind in vielen Ländern noch Krankheiten wie Masern, Windpocken oder Mumps verbreitet. Haben sich Familienmitglieder im Urlaub damit angesteckt, sollten ungeschützte Erwach­sene so schnell wie möglich geimpft werden, um einer potenziellen Infek­tion vorzubeugen. Auch bei einer Hepatitis-A-Diagnose ist die Impfung von Kontaktpersonen sinnvoll, um eine Ausbreitung der Erkrankung zu verhindern [6].

Literaturtipp

Souveräne Reise- und Impfberatung

Ob Impfpass-Check oder reisemedizinische Beratung – mit dem Handbuch Impfen und Reisen haben Sie im Berufsalltag einen sicheren Begleiter an Ihrer Seite. Der übersichtlich gestaltete Impfstoff-Teil macht es möglich:

  • auf einem Blick alle wichtigen Informationen zu einem Impfstoff zur Hand zu haben,
  • bei Lieferengpässen zügig eine geeignete Alternative zu finden,
  • für besondere Patientengruppen eine Abschätzung über die Impfstoff-Eignung zu treffen.

Zusätzlich stellt das Werk für mehr als 240 Länder auf Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Tropen­medizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG) basierende, reise­medizinische Hinweise bereit.

Abgerundet wird das Nachschlagewerk mit weiteren Informationen u. a. zur Malaria-Prophylaxe, dem Insektenschutz und der Zusammenstellung einer Reiseapotheke.

Christian Schönfeld
Handbuch Impfen und Reisen 2023/24
kartoniert, XVII, 406 Seiten, 15 farbige Tabellen, 17,0 × 24,0 cm, 55,00 Euro, 
ISBN: 978-3-7692-8226-9
Deutscher Apotheker Verlag 2023

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Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart
Tel. 0711 2582-341, Fax: 0711 2582-290
E-Mail: service@deutscher-apotheker-verlag.de
oder unter www.deutscher-apotheker-verlag.de

Literatur

[1] Bokhary H et al. Travel-Related Antimicrobial Resistance: A Systematic Review. Trop Med Infect Dis 2021;6(1):11, doi: 10.3390/tropicalmed6010011. PMID: 33467065; PMCID: PMC7838817.

[2] Reiseimpfungen. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Reiseimpfung/reiseimpfung_node.html

[3] Lübbert C et al. Colonization with extended-spectrum beta-lactamase-producing and carbapenemase-producing Enterobacteriaceae in international travelers returning to Germany. Int J Med Microbiol 2015;305(1):148-156, doi: 10.1016/j.ijmm.2014.12.001. Epub 9. Dezember 2014, PMID: 25547265.

[4] Lachmann R, Frank C. Starker Anstieg der Denguefieber-Meldefallzahlen in den ersten Monaten 2024. Robert Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 2024;20/21:3-8

[5] Paquet D et al. Fieber bei Reiserückkehrern. Dtsch Arztebl Int 2022;119:400-407; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0182

[6] Bei Unwohlsein und Fieber nach dem Urlaub Arzt aufsuchen! Berufsverband deutscher Internistinnen und Internisten, 25. Juli 2011, www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/bei-unwohlsein-und-fieber-nach-dem-urlaub-arzt-aufsuchen.html


Dr. Sabine Fischer, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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