Rezeptur

Augentropfen und Nasensprays – Insulin auf neuen Wegen

14.08.2024, 17:50 Uhr

Kennen Sie Insulin-haltige Nasalia aus der Apothekenrezeptur? (Foto: New Africa / AdobeStock) 

Kennen Sie Insulin-haltige Nasalia aus der Apothekenrezeptur? (Foto: New Africa / AdobeStock) 


Auf den jüngst vom DAC/NRF veröffentlichten Rezepturhinweis zu Insulin, in dem unter anderem die Herstellung von Insulin-haltigen Augentropfen und Nasensprays beschrieben werden, hat sicher manch Pharmazeut verwundert reagiert, sind das doch ungewohnte Applikationsarten für Insulin. Es wird in diesen Darreichungsformen nicht gegen Diabetes, sondern bei anderen Indikationen eingesetzt.

Insulin ist nicht nur das zentrale Hormon des Glucosestoffwechsels, sondern kann auch die Proliferation und Differenzierung von Zellen beeinflussen. Bei zahlreichen Indikationen wird es vor diesem Hintergrund versuchsweise angewendet, beispiels­weise lokal auf der Haut bei schlecht heilenden Wunden.

Kinder mit Monosomie 22q13 (Phelan-McDermid-Syndrom), einem seltenen Gendefekt, leiden an kognitiven Entwicklungsstörungen und neuromuskulären Symptomen wie einer ausgeprägten Muskelhypotonie. Erste Studien zeigen, dass intranasal verabreichtes Insulin über das Riechepithel die Blut-Hirn-Schranke überschreiten und positive Effekte auf Kognition, Motorik und Verhalten haben kann. Den Blutzuckerspiegel beeinflusst Insulin bei nasaler Gabe dagegen nicht [1, 2].

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Zahlreiche Veröffentlichungen der letzten Jahre haben sich mit der Anwendung von Insulin in Form von Augentropfen bei verschiedenen Formen von Hornhautschäden beschäftigt. Einsatz findet es beispielsweise bei neurotropher Keratopathie, die durch eine Schädigung des Nervus ophthalmicus, einem Teil des Trigeminus-Nervs, ausgelöst wird. Ursachen können zum Beispiel eine Infektion mit Herpes-Viren, ein operativer Eingriff oder Diabetes mellitus sein. Die neurotrophe Keratopathie beginnt mit geröteten Augen, in der Folge kann es zu Ulzerationen der Hornhaut, Abnahme der Sehschärfe bis zum völligen Verlust des Sehvermögens kommen. Auch bei therapieresistenten Epitheldefekten der Hornhaut [3], zur Unterstützung der Heilung nach einer Glaskörperentfernung bei Diabetikern [4] und weiteren ophthalmologischen Indikationen werden Insulin-Augentropfen eingesetzt [5].

Entsprechende Fertigarzneimittel stehen nicht zur Verfügung. Möchte ein Arzt Insulin außerhalb klinischer Studien off label einsetzen, muss also eine Rezeptur angefertigt werden. Da Insulin-Rezepturen nun vom DAC/NRF (Deutscher Arzneimittel-Codex/Neues Rezeptur-Formularium) in einem neuen Rezepturhinweis vorgestellt werden, scheint der Bedarf in der Praxis zu bestehen [6].

Injektionslösungen verdünnen

Insulin steht nicht als Rezeptursubstanz zur Verfügung, daher werden die als Fertigarzneimittel zugelassenen Injektionslösungen verarbeitet. Der Rezepturhinweis führt hier Actrapid® 100 Injektionslösung und Huminsulin® Normal auf. Die Lösungen, die in der Regel 100 IE Insulin/ml enthalten, werden dabei verdünnt.

Augentropfen werden in Endkonzentrationen von 1 bis 25 IE/ml Insulin hergestellt. Dabei ist auf ein Beibehalten der Isotonie und der Sterilität der Lösung zu achten. Als einfachste Variante geben die Autoren des NRF-Rezepturhinweises die Verdünnung mit 0,9%iger Natriumchlorid-Lösung an, Alternativen sind Vollelektrolytlösungen oder künstliche Tränenflüssigkeit. Aufgrund der thermischen Instabilität des Insulins können die fertigen Augentropfen nicht dampfsterilisiert werden, sondern müssen durch einen hydro­philen Membranfilter mit maximal 0,22 µm Porenweite sterilfiltriert werden. Laut NRF ist für keines der üblicherweise am Auge eingesetzten Konservierungsmittel bekannt, ob es mit Insulin kompatibel ist, genauso wenig, ob das in den Fertigarzneimitteln enthaltene Metacresol in der Verdünnung noch ausreichend konservierend wirkt. Die Augentropfen müssen daher als unkonserviert und mikrobiell anfällig eingestuft werden. Sie sollten in jedem Fall in Einzeldosisbehältnisse abgefüllt werden, im besten Fall in Behältnisse aus Glas, da Insulin von verschiedenen Primärpackmitteln aus Kunststoffen adsorbiert wird. Die Verwendbarkeit der sterilen Einzeldosen kann bei Lagerung im Kühlschrank auf eine Woche festgesetzt werden, die Aufbrauchfrist nach Anbruch beträgt einen Tag.

Nasalia: Konzentration der Lösung ans Hubvolumen anpassen

Für die nasale Anwendung werden in Studien Dosen von 2 und 10 IE Insulin pro Sprühstoß eingesetzt, Richtwert für die Tageshöchstdosis bei Erwachsenen ist 160 IE/Tag. Für Kinder werden vom NRF Tagesgesamtdosen von 0,5 bis 1,5 IE/kg Körpergewicht (KG) und 0,6 bis 2,0 IE/kg KG angegeben. Auch bei Nasensprays ist auf Isotonie zu achten, die Fertigarzneimittel müssen also mit isotonischen Lösungen verdünnt werden. Da die im Handel befindlichen Zerstäuber-Aufsätze für Nasensprays unterschiedliche Hubvolumina haben, muss die Konzentration der Lösung so angepasst werden, dass ein Sprühstoß die vom Arzt verordnete Insulin-Dosis enthält.

Auch für Insulin-haltige Nasalia steht kein geeignetes Konservierungsmittel zur Verfügung. Die Verwendbarkeit unkonservierter Zubereitungen zur Anwendung an der Nase, bei der grundsätzlich von einem hohen Kont­aminationsrisiko auszugehen ist, ist begrenzt. Laut NRF I.4.2.1 (Festlegung der Aufbrauchsfrist nach pharmazeutischer Qualität) wird für Nasensprays eine Verwendbarkeitsfrist von einer Woche festgelegt. Nasentropfen im Mehrdosenbehältnis wären nur 24 Stunden haltbar – hier wären sterilfiltrierte Einmal­dosen eine sinnvolle Alternative.

Literatur

[1] Zwanenburg RJ, Bocca G, Ruiter SA, Dillingh JH, Flapper BC, van den Heuvel ER, van Ravenswaaij-Arts CM. Is there an effect of intranasal insulin on development and behaviour in Phelan-McDermid syndrome? A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Eur J Hum Genet 2016;24(12):1696-1701, doi: 10.1038/ejhg.2016.109. Epub 31. August 2016

[2] Off-label Therapie mit intranasalem Insulin. Informationen der Phelan-McDermid-Gesellschaft e. V., www.22q13.info/lexicon/insulintherapie/

[3] Abdi P, Ghaffari R, Azad N, Alshaheeb A, Latifi G, Soltani Shahgoli S, Fakhredin H. Topical insulin for refractory persistent corneal epithelial defects. Sci Rep 2024;14(1):12459, doi: 10.1038/s41598-024-63091-y

[4] Eleiwa TK, Khater AA, Elhusseiny AM. Topical insulin in neurotrophic keratopathy after diabetic vitrectomy. Sci Rep 2024;14(1):10986, doi: 10.1038/s41598-024-60699-y

[5] Krolo I, Behaegel J, Termote K, de Bruyn B, De Schepper M, Oellerich S, Ní Dhubhghaill S. The role of topical insulin in ocular surface restoration: A review. Surv Ophthalmol 2024;10:S0039-6257(24)00031-6, doi: 10.1016/j.survophthal.2024.04.003. Epub ahead of print

[6] Rezepturhinweis „Insulin“. DAC/NRF. 10. Juni 2024, dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturhinweise/apo/einzelansicht/1388


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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