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Nicht apothekenpflichtige Präparate zur Überbrückung?
Kein Bicanorm und Nephrotrans: Patienten werden sauer
Schon seit Monaten bangen nierenkranke Patienten um ihre Versorgung mit Natriumhydrogencarbonat. Eine zu lang dauernde Medikamentenpause könnte zu einer Übersäuerung, in schweren, unbehandelten Fällen zu Herzproblemen und Koma führen. Kritisch wird es aber meist erst nach einigen Wochen.
Den Lieferengpass von Bicanorm® datiert das BfArM auf Anfang März, das Ende auf Mitte November 2024. Hersteller Fresenius Medical Care GmbH gibt eine erhöhte Nachfrage als Grund an. Mittlerweile schmolzen auch die Reserven des Präparats Nephrotrans® dahin, wenn auch hier und da mal einige Packungen vom Großhandel an die Apotheken verteilt werden. Ein Aut-simile-Austausch ist nicht erlaubt.
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Ein ausgeglichener Säure-Base-Haushalt ist Voraussetzung für störungsfreie Stoffwechselprozesse. Enzyme, Hormone, Muskel- und Nervenzellen benötigen für ihre Funktion einen optimalen pH-Wert, dessen Bereich oft in engen Grenzen liegt. Der pH-Wert des Blutes liegt zwischen 7,35 und 7,45 und wird im Wesentlichen von vier Puffersubstanzen aufrechterhalten: Phosphat (HPO42-) und Hämoglobin intrazellulär, Bicarbonat (HCO3-) und Plasmaproteine extrazellulär. Hinzu kommen die Ausscheidung von Wasserstoff-Ionen und Bicarbonat über die Nieren und die Abatmung von Kohlenstoffdioxid über die Lunge. Eine Verschiebung zu niedrigeren pH-Werten kann die Folge einer unzureichenden Atmung (respiratorische Azidose) oder stoffwechselbedingt (metabolische Azidose) sein, beispielsweise durch Ketoazidose, Laktatazidose, Aufnahme von Toxinen (z. B. Salicylate, Methanol) oder einer Nierenkrankheit. Während die respiratorische Azidose in der Regel kein Eingreifen in den Säure-Basen-Haushalt erfordert, wird bei der metabolischen Azidose heute oft interveniert.
Nieren als Hauptursache
Im Rahmen einer Medikationsanalyse ist bei regelmäßiger Anwendung von Natriumhydrogencarbonat davon auszugehen, dass die Nierenleistung der Patienten deutlich eingeschränkt ist. Bei der Nierenkrankheit ist die Ausscheidung von Säuren und die HCO3--Reabsorption vermindert. Im Alter nimmt die Nierenleistung ab. Insbesondere bei älteren Patienten muss auch die Ernährung als Ursache in Betracht gezogen werden, so können die Nieren die erhöhte hepatische Säureproduktion bei einer diätetischen Eiweißzufuhr nur noch unzureichend kompensieren.
Eine metabolische Azidose kann das Voranschreiten der Nierenkrankheit beschleunigen und zu einer Demineralisation der Knochen führen. Die Diagnose erfordert eine Blutgasanalyse und wird gestellt, wenn die Bicarbonat-Konzentration im Blut unter 22 bis 26 mmol/l und der pH-Wert unter 7,35 bis 7,45 liegt. Mitunter zeigt die Labordiagnostik eine Hyperkaliämie, da Kalium-Ionen im Austausch für H+-Ionen aus dem Intrazellularraum freigesetzt werden und überschüssige Säureäquivalente abpuffern.
Magensaftresistenz bevorzugt
Die Behandlung des Grundleidens steht bei der metabolischen Azidose im Vordergrund. Bei chronischer Übersäuerung kann die Substitution von Bicarbonat sinnvoll sein. Im ambulanten Bereich kommen dafür Zubereitungen zur oralen Anwendung infrage. Magensaftresistente Formulierungen werden bevorzugt, da das verabreichte Bicarbonat erst im Dünndarm resorbiert wird und damit vollständig zum Ausgleich der metabolischen Azidose zur Verfügung steht. Leider sind die Präparate Bicanorm® und Nephrotrans® derzeit nicht zuverlässig verfügbar.
Nicht-magensaftresistente Formulierungen wie die traditionell bei Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden angewendeten Arzneimittel Bullrich Salz® Magentabletten oder Alkala® T werden mancherorts als Alternative vorgeschlagen, haben allerdings den Nachteil, dass das HCO3- mit der Magensäure zu CO2 und H2O reagiert. Dadurch kommt es nicht nur zum Wirkstoffverlust, sondern auch zur Reizung der Magenschleimhaut, sehr selten bis hin zur Magenruptur. Völlegefühl und Aufstoßen sind häufige Nebenwirkungen. Zudem muss wegen des stark alkalischen pH-Wertes eine Reihe von Interaktionen beachtet werden, darunter beispielsweise mit Sympathomimetika, Anticholinergika, tricyclischen Antidepressiva, Barbituraten, H2 -Rezeptorenblockern, Glucocorticoiden und Diuretika. Zudem können sie nicht zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Für Prof. Julia Weinmann-Menke, Leiterin der Klinik für Nephrologie an der Universität Mainz, stellen diese traditionell angewendeten Arzneimittel keine Alternative zu Bicanorm® und Nephrotrans® dar (siehe Interview).
Interview zum Lieferengpass von Bicanorm und Nephrotrans
„Kein lebensnotwendiges Medikament“
Literatur
Veröffentlichte Lieferengpass-Meldungen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), https://anwendungen.pharmnet-bund.de/lieferengpassmeldungen/faces/public/meldungen.xhtml;jsessionid=EC5F8B650C51363DA7BECF9F70BE01C5?jfwid=AFDFC5346B828143C26601F7778D9680%3A0, abgerufen am 26.07.2024
Stradtmann H. Bicarbonat-haltige Präparate bei metabolischer Azidose. DAZ 2006, Nr. 44, S. 99
Schaefer RM, Kosch, M. Störungen des Säure-Basen-Haushalts: Rationale Diagnostik und ökonomische Therapie. Dtsch Arztebl 2005; 102(26): A-1896 / B-1603 / C-1509
Lewis JL. Metabolische Azidose. MSD Manual, Stand Juli 2023, verfügbar unter https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/endokrine-und-metabolische-krankheiten/s%C3%A4ure-basen-regulation-und-st%C3%B6rungen/metabolische-azidose (abgerufen am 26.07.2024)
Wie kann die metabolische Azidose rechtzeitig erkannt und behandelt werden? klinikarzt 2011; 40 (10): 472
Gebrauchsinformation Original Bullrich Salz Magentabletten 850 mg/Tablette, Stand: August 2023
2 Kommentare
bicanorm
von Büttner am 13.09.2024 um 15:39 Uhr
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Bicarbonat -Alternative
von Martin am 28.08.2024 um 15:13 Uhr
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