Hygiene-Hypothese hinterfragt

Senken Haustiere das Risiko für Morbus Crohn?

Stuttgart - 27.09.2024, 09:15 Uhr

Zwischen dem 5. und dem 15. Lebensjahr mit einem Hund zusammenzuwohnen senkte in einer Studie das Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken. (Foto: nuzza11 / AdobeStock)

Zwischen dem 5. und dem 15. Lebensjahr mit einem Hund zusammenzuwohnen senkte in einer Studie das Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken. (Foto: nuzza11 / AdobeStock)


Lieber Hund oder Vogel? In einer kanadischen Studie wurden Verwandte von an Morbus Crohn Erkrankten auf ihre Darmgesundheit untersucht: Hunde als Haustier senkten das Risiko, die chronisch-entzündliche Darmkrankheit zu entwickeln. Vögel hingegen könnten die Erkrankungswahrscheinlichkeit erhöhen.

Die „Hygiene-Hypothese“ postuliert, dass Kinder, die mit Tieren aufwachsen, seltener Autoimmunkrankheiten und Allergien entwickeln, da ihr Immunsystem gut darin „trainiert“ ist, fremde von körpereigenen Strukturen zu unterscheiden. Kinder hingegen, die in einer „sauberen“ Umwelt aufwachsen, würden häufiger erkranken. An dieser Hypothese gibt es immer wieder Kritik, da die „Trainings-Annahme“ aufgrund des multifaktoriellen Geschehens, das einer Autoimmunkrankheit zugrunde liegt, zu einfach erscheint. Studien, die die Hygiene-Hypothese untersuchen, sind oft retrospektiv. 

Mitbewohner und Hunde schützen den Darm

Nun wurden in einer Studie prospektive Daten ausgewertet: 4.289 asymptomatische Geschwister, Eltern und Kinder von Patienten mit der Autoimmunkrankheit Morbus Crohn wurden sowohl auf externe Faktoren als auch gesundheitliche Parameter untersucht. Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung, die durch Entzündungsherde im gesamten Gastrointestinaltrakt gekennzeichnet ist. Bei den gesunden erstgradigen Verwandten von Erkrankten wurden die Unversehrtheit der Darmbarriere, das Mikrobiom und intestinale Entzündungsmarker gemessen. Nach ungefähr fünf Jahren waren 86 der Teilnehmenden an Morbus Crohn erkrankt. Im ersten Lebensjahr in einem Haushalt mit mindestens drei Personen zu leben, ging mit einem um 57 Prozent reduzierten Risiko, die Autoimmunkrankheit zu entwickeln, einher. Zwischen dem fünften und dem fünfzehnten Lebensjahr mit einem Hund zusammenzuwohnen senkte das Risiko um 39 Prozent. 

Die Hygiene-­Hypothese

Diese Theorie postuliert, dass eine zu geringe Exposition gegenüber infektiösen Erregern und Parasiten im Kindesalter das Risiko für Autoimmunerkrankungen und Allergien erhöht. Eine Umwelt, die das Immunsystem nicht herausfordert, soll im späteren Lebensalter also anfälliger für Fehlfunktionen des Immunsystems machen. Der genaue immunologische Hintergrund ist noch unbekannt. Neben immunmodulatorischen Effekten des Darm- und Hautmikrobioms wird der Einfluss von TH1- und TH2-Helferzellen diskutiert.

Risiko durch Vögel? Nicht überbewerten, so die Autoren

Einen Vogel als Haustier zu haben, erhöhte hingegen die Erkrankungswahrscheinlichkeit um circa das Dreifache. 

Die Studienautoren warnen vor einer Überbewertung dieser Ergebnisse. Wenige Studienteilnehmer hatten einen Vogel als Haustier, was die statistische Aussagekraft schmälert. Auch die gesundheitlichen Parameter, wie die Barrierefunktion des Darms oder Entzündungswerte wurden durch die Haustiere entsprechend beeinflusst, jedoch nicht signifikant

Literatur 
Xue M et al. Environmental Factors Associated With Risk of Crohn‘s Disease Development in the Crohn‘s and Colitis Canada - Genetic, Environmental, Microbial Project. Clin Gastroenterol Hepatol 2024;22(9):1889-1897.e12, doi: 10.1016/j.cgh.2024.03.049 


Juliane Russ, M.Sc., DAZ-Redakteurin
jruss@dav-medien.de


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