Mini-Bakterium kommt zurück

Lungenentzündungen durch Mykoplasmen – was Apothekerinnen wissen sollten

30.09.2024, 13:45 Uhr

Durch Auskultation lässt sich ein Infektion mit Mycoplasma pneumoniae nur schwer erkennen, im Röntgenbild jedoch gut. (Symbolfoto: fotoduets / AdobeStock)

Durch Auskultation lässt sich ein Infektion mit Mycoplasma pneumoniae nur schwer erkennen, im Röntgenbild jedoch gut. (Symbolfoto: fotoduets / AdobeStock)


Die Erkältungszeit hat begonnen, doch nicht alle Infektionen werden durch die „üblichen Verdächtigen“ wie Rhino-, Influenza- oder Coronaviren hervorgerufen. Derzeit gibt es Berichte über zahlreiche Fälle von Lungenentzündungen bei Kindern und Jugendlichen, die durch Mykoplasmen ausgelöst wurden.

Bereits Ende 2023 war einer Arbeitsgruppe der Europäischen infektiologischen Fachgesellschaft ESCMID (European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases) in Europa und Asien eine erhöhte Inzidenz von Mykoplasmosen der Lunge aufgefallen. Die häufigsten Nachweise kamen aus Dänemark, Schweden sowie der Schweiz und in Asien aus Singapur. Für Deutschland sind keine genauen Zahlen verfügbar, da die Erkrankung, außer in Sachsen, nicht meldepflichtig ist. In diesem Jahr wurden laut dem Sozialministerium Sachsen bis Anfang September bereits 10.806 Mykoplasmen-Infektionen gemeldet.

Die kleinsten unter den Bakterien

Mykoplasmen sind mit einer Größe zwischen 150 und 350 nm die kleinsten Bakterien, die sich selbständig vermehren können. Sie sind gramnegativ, besitzen keine Kapsel, bilden keine Sporen und leben fakultativ anaerob. Beim Menschen besiedeln Mykoplasmen die Oberfläche von Epithelzellen und zählen zur Normalflora der oralen und urogenitalen Schleimhäute. 

Die Art Mycoplasma pneumoniae verursacht Atemwegserkrankungen wie beispielsweise atypische Pneumonien. Atypisch bedeutet in diesem Fall nicht nur, dass der Erreger ungewöhnlich für die Erkrankung ist, sondern auch, dass einige Antibiotikaklassen wie Penicilline und Cephalosporine wegen der fehlenden Zellwand unwirksam sind.

Geeignete Antibiotika

Mycoplasma pneumoniae wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Die typischen Symptome sind grippeähnlich (Fieber, Reizhusten, Kopf- und Halsschmerzen) und treten nach einer Inkubationszeit zwischen einer und drei Wochen auf. Durch Auskultation lässt sich die Erkrankung nur schwer erkennen, im Röntgenbild jedoch gut. Auch ein nasopharyngealer Abstrich mit anschließender PCR-Testung ist zur Mykoplasmen-Diagnostik geeignet. 

Die Behandlung erfolgt mit Makroliden (Azithromycin, Clarithromycin) oder Fluorchinolonen (Levofloxacin, Moxifloxacin). Kinder ab acht Jahren können auch das Tetracyclin Doxycyclin erhalten. 

Bei milder Erkrankung kann – unter regelmäßiger klinischer Kontrolle – mit der antibiotischen Therapie abgewartet werden, da diese Pneumonieform oft selbstlimitierend ist.

Erhöhte Wachsamkeit gefragt

Zu den vielen atypischen Eigenschaften von M. pneumoniae scheint nun also eine neue gekommen zu sein: Es ist nach Ansicht von Wissenschaftlern der einzige Erreger von Atemwegserkrankungen, der erst mehr als drei Jahre nach Einführung der COVID-19-Schutzmaßnahmen in relevanter Anzahl wieder aufgetaucht ist. Ein Grund dafür könnte ein Nachlassen der Herdenimmunität sein, in Kombination mit der Beobachtung, dass Mykoplasmen-Pneumonien ohnehin nur alle drei bis sieben Jahre verstärkt auftreten. 

Wissenschaftler plädieren dafür zu beobachten, ob die Fallzahlen epidemische Ausmaße annehmen oder ob es zumindest eine außergewöhnlich große Infektionswelle wie beim Wiederauftreten anderer Erreger nach dem Wegfall der Corona-Schutzmaßnahmen geben wird.

Wenn eine einfache Erkältung einen komplizierten Verlauf nimmt

Meistens banal, manchmal tückisch

Literatur

Management der ambulant erworbenen Pneumonie bei Kindern und Jugendlichen (pCAP). S2k-Leitlinie, Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie, Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, Stand: 31. Januar 2024, gültig bis 30. Januar 2029, AWMF-Register Nr. 048/013,  register.awmf.org/de/leitlinien/detail/048-013

Meyer Sauteur PM, Beeton ML. Mycoplasma pneumoniae: delayed re-emergence after COVID-19 pandemic restrictions. Lancet Microbe 2024;5:e100-101, www.thelancet.com/journals/lanmic/article/PIIS2666-5247(23)00344-0/fulltext

Mykoplasmen. DocCheck Flexikon, Abruf am 28. September 2024, flexikon.doccheck.com/de/Mykoplasmen?utm_source=www.doccheck.com&utm_medium=DC%252520Search&utm_campaign=DC%252520Search%252520content_type%25253Aall&utm_content=DC%252520Search%252520Mykoplasmen


Dr. Claudia Bruhn, Apothekerin / Autorin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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