ABDA-Präsidentin Overwiening zur Lage

„Mehr Apotheke wagen!“

09.10.2024, 17:30 Uhr

ABDA-Präsidentin Overwiening will für eine weitere Amtszeit antreten. (Foto: DAZ/Schelbert)

ABDA-Präsidentin Overwiening will für eine weitere Amtszeit antreten. (Foto: DAZ/Schelbert)


Pessimismus liegt ihr nicht: ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening baut auf den Zusammenhalt in der Apothekerschaft, dieser Weg werde zum Erfolg führen. Denn wer Politik gegen die Apotheke macht, macht Politik gegen die Menschen. Statt Apotheken ohne Apotheker zuzulassen, wie Lauterbach es plant, sollte die Regierung mehr Apotheke wagen. Pläne dafür gibt es. Und sie will diese auch in Zukunft begleiten: Für eine weitere Amtszeit als ABDA-Präsidentin ist sie bereit.

Die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening fasste die aktuelle Lage beim Deutschen Apothekertag (DAT) am Mittwoch in ihrem Lagebericht zusammen: Seit letztem Jahr hat die Bundesregierung nichts unternommen, um die Arzneimittelversorgung zu stabilisieren. Lieferengpässe belasten die Versorgungslage, Apotheken sind chronisch unterfinanziert, die Kosten steigen, seit Jahren gibt es Honorarstillstand, einen Fachkräftemangel. Und das Skonto-Urteil setzt den Apotheken zu. 

Im Gegensatz zum politischen Stillstand habe die Apothekerschaft die letzten zwölf Monate genutzt für Proteste und Infokampagnen, um auf die Politik zuzugehen und Signale zu senden: Die Apothekerinnen und Apotheken kämpfen mit- und füreinander. Overwiening: „Ich bin überzeugt, dass uns genau dieser Weg zum Erfolg führen wird.“

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Lauterbachs „schräge Vorstellung“

Auch Overwiening widmete den Kern ihres Berichts dem geplanten Gesetz zur Apothekenreform: Sie ist überzeugt, dass Lauterbachs Vorhaben Apotheke ohne Apotheker zuzulassen, „eine schräge Vorstellung des Ministers“ ist. Denn die Menschen brauchen die echten Apotheken, sie wollen keine Scheinapotheke. Overwiening: „Wer Gesundheitspolitik gegen die Apotheken vor Ort macht, macht Politik gegen die Menschen.“ Denn Gesundheit brauche eigentlich mehr Apotheke, mehr Apothekerinnen und Apotheker.

Wie die Debatten um die Apothekenreform ausgehen, kann auch sie nicht nicht prophezeien. „Aber“, so ihre Überzeugung, „wir sind stark, wenn wir geschlossen handeln, wir sind stark, engagiert und unersetzlich, eine soziale Instanz.“ Sie dankte allen, die bisher mitgekämpft haben. Und daher stehe das Reformvorhaben so stark in der Kritik, Lauterbach spüre dies. Er finde bis heute keine geschlossene Unterstützung für seine Reform. Sie sei daher gespannt, so Overwiening, ob und welche Änderungen kommen.

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Die Apothekenreform – ein Angriff auf die Apotheke vor Ort

Die ABDA-Präsidentin sieht in dem Reformvorhaben „einen systematisch angelegten Angriff auf die Apotheken vor Ort und auf das Herzstück unseres Berufs“. Für sie wäre es dagegen eine echte Reform, wenn das Ministerium endlich mehr Apotheke wagen würde statt weniger.

Aber auch vor dem Hintergrund, dass die Apotheken der Politik in der Pandemie aus der Patsche geholfen haben, dass sie Lieferengpässe managen mit 5 Millionen Stunden zusätzlicher Arbeit, ist der Reformentwurf ein Alptraum, konstatierte Overwiening und fügte hinzu: „Wir werden nicht zulassen, dass das Apothekenreformgesetz unsere Existenz und unsere Rolle in den Kommunen zerstört, wir kämpfen für die Menschen, die uns brauchen.“

Die ABDA habe außerdem auch viele Unterstützer für die Apotheken im Gesundheitswesen gesucht und gefunden: Ärzte, Weltapothekerverband, Pharmaindustrie, Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft, Deutsche Diabetes Gesellschaft und viele mehr, die auf der Seite der Apotheke vor Ort stehen. 

Die Kröte schlucken?

Die wirtschaftliche Schieflage der Apotheken werde durch die derzeitige Gesundheitspolitik weiter verschärft. Könnte man daher überlegen, die Reform als Chance sehen? Sollten wir die Kröte mit den apothekerlosen Apotheken schlucken, um schneller beim Apothekenhonorar voranzukommen, fragte Overwiening. Wohl nicht, sie ist überzeugt, dass dies zu faulen Kompromissen führt. Denn Apotheke ohne Apotheker sei ein Frontalangriff auf unseren Berufsstand, Apotheke ohne Apotheker sei nicht kompromisstauglich. Solche Kompromisse dürfe es hier nicht geben angesichts eines existenziellen Bruchs mit unserem sicheren Versorgungssystem.

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Alltagsarbeit und wenig Potenzial für Debatten

Nein zur Telepharmazie à la Lauterbach

Inzwischen droht der Bundesgesundheitsminister bereits offen damit, dass der Versandhandel große Teile der Versorgung übernimmt, wenn die Apothekerschaft bei seiner Reform nicht mitgehe. Seine Reform sei doch die Gelegenheit, den wirtschaftlichen Ruin weiterer Apotheken abzuwenden. Overwiening dazu wörtlich: „Der Minister argumentiert, dass er uns mit seiner Idee von Telepharmazie vor der Amazonisierung schützen wolle.“ Allerdings seien es doch gerade die Versender, die Lauterbachs Gesetz begrüßen. Das müsste doch alarmieren. Overwiening warnte, sich durch solche Täuschungsversuche blenden zu lassen. Hinter der Telepharmazie à la Lauterbach stecke keine Innovation, sondern nur eine Schwächung des Apothekerberufs samt Versorgungsrisiko. Denn eine PTA müsste entscheiden, ob sie einen Apotheker per Video hinzuzieht. Fraglich auch, ob es realistisch sei, dass Apothekerinnen und Apotheker in Video-Call-Bereitschaft sitzen, um die PTA-Fragen zu beantworten. Echte Telepharmazie dagegen gibt es bereits in Apotheken vor Ort schon lange. Overwiening: „Wenn der Minister also im öffentlichen Raum für seine Art der Telepharmazie wirbt, spricht er im Grunde über die Abschaffung des Apothekerberufs.“

BMG sät Misstrauen

Ein Narrativ des Bundesgesundheitsministeriums: Die ABDA sei nicht zukunftsorientiert und nicht kompromissbereit. Overwiening widerspricht: Trotz Nachfragen der ABDA reagiere das Ministerium nicht. Auch an den Vorschlägen der Apothekerschaft bestehe kein Interesse. Warum sollte die Apothekerschaft, die ABDA keine Vorschläge für die Apotheken-Zukunft entwickeln, fragte sie und erinnerte daran, dass die ABDA einen 10-Punkte-Plan vorgetragen hat mit dem wesentlichen Element einer Honoraranpassung. Die Antwort aus dem Ministerium war die Strukturdiskussion, ohne die Idee einer besseren Honorierung der Apotheken anzupacken. „Unsere Forderungen wurden ignoriert, so Overwiening. Das Ministerium versuche nicht, einen ernsthaften Dialog mit der ABDA zu führen. Stattdessen werde einem niederländischen Versandkonzern ein exklusiver Marktzugang über das CardLink-Verfahren ermöglicht. 

Darüber hinaus versucht das BMG Misstrauen zu säen. Die ABDA soll als Verband diffamiert werden, argwöhnt Overwiening. Sie ruft dazu auf, sich von dieser Strategie des Auseinanderdividierens nicht einfangen zu lassen. Sie hoffe, dass die Apothekerschaft der ABDA ihr Vertrauen schenkt. „Zwischen uns Apothekerinnen und Apotheker, liebe Kolleginnen und Kollegen, passt kein Blatt!“

Wille zur Veränderung ist vorhanden

Die Präsidentin fasste zusammen: Das Grundprinzip „Der Apotheker, die Apothekerin in der Apotheke“ ist der Garant für die sichere Arzneimitteversorgung.“ Daher müsse der Staat auch seiner Pflicht nachkommen und das staatlich regulierte Vergütungssystem der Apotheken so justieren, dass die Betriebe wirtschaftlich rentabel sind und Luft zum Atmen haben.“ Aber das BMG will die Apothekervergütung insgesamt nicht verbessern.

Overwiening  dazu: „Es wäre schon ein Erfolg, wenn wir nicht jedes Jahr 500 bis 600 Apotheken verlieren. Und dazu braucht es mehr Geld.“ Und die Vergütung müsse angepasst werden an die Kosten und wirtschaftliche Entwicklungen.

Auch das Argument, es sei kein Geld im System, lässt Overwiening nicht gelten: Die GKV gibt für die eigene Verwaltung mehr als 4,5 % der Gesamtkosten aus, für die Apotheken aber nur 1,9%.

Allerdings, so machte Overwiening es deutlich, könne es nicht sein, nur mehr Geld und den Erhalt der Struktur einzufordern – die Apothekerschaft sei durchaus veränderungswillig ist: Man wolle durchaus mehr Expertise einbringen, um das System zu stabilisieren und zu entlasten. Die ABDA sei außerdem dabei, zukunftsweisende Versorgungsideen zu entwerfen und verwies auf das Update des Perspektivpapiers 2030. Außerdem habe eine Arbeitsgruppe getagt, die sich intensiv mit der Konkretisierung der „Apotheke der Zukunft“ befasst habe – die Ergebnisse sollen bald präsentiert werden. Nur vorab, was hier angedacht wird: Apothekerliche Kompetenzen sollen stärker in die Versorgung eingebracht werden, man hoffe auf mehr Entscheidungskompetenzen und weniger Bürokratie. Außerdem wolle man mehr Versorgungsleistungen einbringen, bei denen die Arzneimitteltherapiesicherheit durch mehr Adhärenz im Vordergrund steht. Und die Apotheken sollen bei der digitalen Transformation des Gesundheitswesen eine entscheidende Rolle spielen, auch um die Bevölkerung bei den Umstellungen nicht zu verlieren. So müssen z. B. die Apotheken bei der elektronischen Patientenakte mit eingebunden werden. Overwiening zeigte sich zuversichtlich: „Inmitten von Schwierigkeiten liegen auch die Chancen“ – zitierte sie Albert Einstein.

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Overwiening macht weiter

Und zum Schluss ihrer Rede kündigte sie an, dass sie persönlich weiterkämpfen und „bei diesem Marathon“ im Rennen bleiben möchte: Sie werde erneut für das Amt der ABDA-Präsidentin kandidieren. Wenn sie wieder gewählt wird, sieht sie schon ihre nächsten Herausforderungen: die große Umstrukturierung der ABDA, mit der auch die Gremienarbeit effizienter und schlanker werden soll. Außerdem werden die Diskussionen um das Apothekenreformgesetz die ABDA auch im nächsten Jahr begleiten. Overwiening zeigte sich optimistisch und zitierte Mandela: „Es erscheint immer unmöglich, bis es vollbracht ist.“


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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