Medikation unter der Lupe Fall 22

„Kann ich die Hälfte weglassen?“

Stuttgart - 30.10.2024, 15:15 Uhr

Im 22. Fall der Medikation unter der Lupe geht es um eine 93 Jahre alte Patientin, die sich freuen würde, wenn sie die Hälfte ihrer Arzneimittel weglassen könnte. (Foto: MaG8 – unsplash.com)

Im 22. Fall der Medikation unter der Lupe geht es um eine 93 Jahre alte Patientin, die sich freuen würde, wenn sie die Hälfte ihrer Arzneimittel weglassen könnte. (Foto: MaG8 – unsplash.com)


Erweiterte Medikationsberatung ist eine der pharmazeutischen Dienstleistungen, die Apotheken ihren Patientinnen und Patienten mit Polymedikation anbieten können. Herzstück ist eine Medikations­analyse. Sie ist die Basis für das Erkennen und Lösen von arznei­mittelbezogenen Problemen. Neben einem strukturierten Vorgehen ist detektivischer Spürsinn gefragt. Mit unserer crossmedialen Serie „Medikation unter der Lupe“ fordern wir diesen Spürsinn heraus.

Einmal im Monat stellen wir in der DAZ und auf DAZ.online einen Fall vor und geben Anregungen für Lösungen. Dann sind Sie gefragt. Wie würden Sie vorgehen, um die Probleme in den Griff zu bekommen? Ihren Lösungs­ansatz können Sie dann in einem Webi­nar mit unseren Autorinnen und Autoren diskutieren, die ihrerseits einen Vorschlag präsentieren werden. Das Webinar zu unserem 22. Fall, den Apothekerin Dr. Dorothee Dartsch vorstellt, startet am 30. Oktober 2024 um 20.00 Uhr.

Der Fall

Die Patientin: 
Frau T. Hühne ist 93 Jahre alt (162 cm, 57 kg) und lebt mit ihrem Partner in einer betreuten Wohnanlage. Haupt­anliegen für die Medikationsberatung ist für sie, dass ihre Arzneimittel einmal geprüft werden. Sie würde sich auch freuen, wenn man „die Hälfte weglassen“ könnte.

Subjektive Parameter:
Frau Hühne beklagt gelegentliche Krämpfe in Händen, Füßen und Waden, ferner Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Dies liege an Magenbeschwerden, die sie seit circa zwei bis drei Wochen hat. Nach Absetzen von Flohsamenschalen vor zwei Tagen hätten sie sich etwas gebessert. Stuhlgang habe sie einmal pro Tag. Außerdem sei ihr seit zwei bis drei Wochen öfters schwindelig. Die Frage nach Stürzen oder Schlafstörungen verneint sie. Blutungen (z. B. Nase, Zahnfleisch, Verletzungen) oder Hämatome habe sie bis auf gelegentliches Zahnfleisch­bluten auch nicht.

Objektive Parameter:
Diagnostiziert sind laut Patientin Hypertonie, Polycythaemia vera, Gicht (zwei Anfälle bislang, zuletzt vor zwei bis drei Jahren) und Grauer Star (Zustand nach Katarakt-OP). Vor vielen Jahren hatte sie Brustkrebs und ein Talgdrüsenkarzinom an der Augenbraue, außerdem im Lauf der Zeit mehrere Hirninfarkte, die keine spürbare Beeinträch­tigung hinterlassen haben. Der Blutdruck in der parallel durch­geführten pDL „Blutdruckmessung“ beträgt 135/56 mmHg, der Puls 56 Schläge/Minute.

Frau Hühne hat keinen Einnahmeplan, wirkt aber sehr sicher beim Bericht, wie viel sie wann einnimmt. Lediglich zum Allopurinol sagt sie: „Ein Medikament lasse ich gerade weg, ich glaube, das ist Allopurinol.“ Das Etoricoxib nehme sie, weil ihr das rechte Bein weh tue. Sie stelle sich die Medikamente in einer Wochenbox selbst zusammen und habe mit der Handhabung kein Problem, allerdings dauere das Stellen rund eine Stunde. Die Einnahme vergesse sie so gut wie nie. Frau Hühne rauche nicht und trinke, außer in seltenen Fällen ein Glas Wein, keinen Alkohol. Sie kocht selbst, die Ernährung ist normal gemischt. Einmal pro Woche geht sie in eine Fitness-Gruppe und macht täglich gymnastische Übungen.

Tab.: Zurzeit nimmt die Patientin folgende Medikamente ein:

WirkstoffHandelsnameStärkeFormmorgensmittagsabendsBesondere Hinweise
AllopurinolAllopurinol AL300 mgTablette1   
ASSASS Ratiopharm100 mgTablette1   
CandesartanCandesartan 1A Pharma16 mgTablette1 1 
ColecalciferolDekristol20.000 IEWeichkapsel1 jeden Dienstag 
DoxazosinDoxazosin 2 COR 1A Pharma2 mgTablette1 1 
EtoricoxibEtoricoxib Mylan90 mgTablette1  neu
HydroxycarbamidHydrea500 mgHartkapsel1  + eine zusätz­liche Tablette Dienstagabend
LercanidipinLercanidipin Omniapharm10 mgFilmtablette1   
MetoprololMetohexal-Succ47,5 mgRetard­tablette0,5 0,5 
TorasemidTorasemid 1A Pharma5 mgTablette1  neu
Selbstmedikation
B-VitamineVitamin B Komplex KapselJeden zweiten Tag 
GinkgoGingium120 mgFilmtablette1   
MagnesiumMagnesium Verla N400 mgTablette, magen­saft­resistent  1 
BisacodylDulcolax10 mgSuppositorienbei Bedarf 

Die Medikation sollte auf folgende ABP überprüft werden:

  • falsche Dosierung (Über-/Unterdosierungen, Dosierungsintervall)
  • ungeeignete Darreichungsform
  • Einnahmezeitpunkte
  • Doppelmedikation, Pseudodoppelmedikation
  • Kontraindikationen (Alter/Geschlecht/Nierenfunktion …)
  • Interaktionen
  • fehlendes Arzneimittel trotz Indikation
  • fehlende Indikation für verordnetes Arzneimittel
  • Handhabungsprobleme
  • Probleme mit Therapie- und Einnahmetreue
  • Bericht von empfundener Nebenwirkung
  • Aufbewahrung der Medikation

Lösungswege

Dr. Dorothee Dartsch, Apo­thekerin und Fach­toxikologin, Campus Pharmazie GmbH Hamburg, wird am 30. Oktober 2024 um 20.00 Uhr mit Ihnen in einem Webinar Lösungswege diskutieren.

Das Webinar ist buchbar unter: https://akademie.dav-medien.de/medikation-unter-der-lupe-fall-22/

Das Webinar ist kostenfrei für Abonnentinnen und Abonnenten der DAZ und Scholz online sowie für DPhG-Mitglieder. Alle anderen zahlen 35,00 Euro für die Teilnahme.


Dr. Dorothee C. Dartsch


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