Vorsicht Fluorchinolone

Neue Nebenwirkungen von Levofloxacin

Stuttgart - 13.11.2024, 09:15 Uhr

Als Nebenwirkung von Fluorchinolonen werden vor allem Sehnenschäden gefürchtet, weshalb die Antibiotika-Gruppe beispielsweise nicht mit Glucocorticoiden kombiniert werden sollte. (Foto: Schwanen Apotheke, Stuttgart)

Als Nebenwirkung von Fluorchinolonen werden vor allem Sehnenschäden gefürchtet, weshalb die Antibiotika-Gruppe beispielsweise nicht mit Glucocorticoiden kombiniert werden sollte. (Foto: Schwanen Apotheke, Stuttgart)


Infolge eines europäischen, die periodischen Sicherheitsberichte bewertenden Verfahrens mussten vor Kurzem die Produktinformationen von Levofloxacin um neue Nebenwirkungen mit unbekannter Häufigkeit aktualisiert werden. Ein guter Anlass, sich nochmals in Erinnerung zu rufen, warum bei der Verordnung von Fluorchinolonen allgemein erhöhte Aufmerksamkeit geboten ist.

Dass Fluorchinolon-haltige Antibiotika (oral, i.v., inhalativ) nur noch zurückhaltend eingesetzt werden sollten, dürfte unter Apotheker:innen allgemein bekannt sein. Hintergrund sind „schwerwiegende, die Lebensqualität beeinträchtigende und potenziell dauerhafte Nebenwirkungen“, an die unter anderem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuletzt im Juni 2023 erinnerte

Als Nebenwirkung gefürchtet sind vor allem Sehnenschäden, weshalb die Antibiotika-Gruppe beispielsweise nicht mit Glucocorticoiden kombiniert werden sollte. 

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Weil 2023 Studiendaten darauf hindeuteten, dass Fluorchinolone weiterhin außerhalb der empfohlenen Anwendungsgebiete verschrieben werden, wurde damals erneut ein Rote-Hand-Brief versendet, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Daraus gehen insgesamt folgende schwerwiegende Nebenwirkungen hervor:

Tendinitis, Sehnenruptur, Arthralgie, Schmerzen in den Extremitäten, Gangstörungen, Neuropathien mit Parästhesien, Depressionen, Fatigue, Gedächtnisstörungen, Halluzinationen, Psychosen, Schlafstörungen sowie Beeinträchtigungen der Sinne (Hören, Sehen, Schmecken und Riechen)

Bei ersten Anzeichen dieser schwerwiegenden Nebenwirkungen soll sofort ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden.

Außerdem wird in dem Rote-Hand-Brief darauf hingewiesen, dass die Produktinformationen von Fluorchinolonen 2018 und 2020 aktualisiert wurden – dort werden seitdem auch

  • Aortenaneurysmen und -dissektionen sowie
  • Herzklappenregurgitation/-insuffizienz

als Nebenwirkungen gelistet.

Update zu Levofloxacin

Speziell zum Fluorchinolon Levofloxacin gibt es nun ein weiteres Update der Produktinformationen. Infolge eines europäischen, die periodischen Sicherheitsberichte bewertenden Verfahrens muss dort mittlerweile auch auf

  • Knochenmarksversagen,
  • Myoklonie,
  • Manie und
  • Hyperpigmentierung (Photosensibilität)

als mögliche Nebenwirkungen mit unbekannter Häufigkeit hingewiesen werden.

Der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA hält die Möglichkeit für einen Kausalzusammenhang zwischen Levofloxacin und den genannten unerwünschten Wirkungen zumindest für eine plausible Möglichkeit.

Eine Myoklonie erkennen 

Plötzliche unwillkürliche Zuckungen, Muskelzuckungen oder Muskelkontraktionen können Anzeichen einer Myoklonie sein. Levofloxacin sollte dann sofort abgesetzt und eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden. Bei älteren Patient:innen mit eingeschränkter Nierenfunktion sollte die Levofloxacin-Dosis präventiv entsprechend der Kreatinin-Clearance angepasst werden.

Knochenmarkversagen erkennen

Müdigkeit, Hautblässe, Blutergüsse, unkontrollierte Blutungen, Fieber, Halsschmerzen und eine schwerwiegende Verschlechterung des Allgemeinzustands können auf ein Knochenmarkversagen hindeuten, bei dem Leukopenie, Neutropenie, Panzytopenie, hämolytische Anämie, Thrombozytopenie, aplastischer Anämie oder Agranulozytose auftreten können. Dann müssen Ärzt:innen die Behandlung mittels Blutbild überwachen. 

Eine Manie könnte vorliegen, wenn sich Patient:innen sehr aufgeregt, begeistert, aufgewühlt oder überschwänglich fühlen.

Auch im Zusammenhang dieser neuen Levofloxacin-Nebenwirkungen ist es also sinnvoll, sich daran zu erinnern, dass Fluorchinolone systemisch und inhalativ laut dem Rote-Hand-Brief von 2023 nicht verordnet werden sollten: 

  • für Patientinnen und Patienten, die zuvor schwerwiegende Nebenwirkungen mit einem Chinolon- oder Fluorchinolon-Antibiotikum hatten;
  • bei nicht schweren oder selbstlimitierenden Infektionen (z. B. Pharyngitis, Tonsillitis und akuter Bronchitis);
  • bei leichten bis mittelschweren Infektionen (einschließlich unkomplizierter Zystitis, akuter Exazerbation einer chronischen Bronchitis und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), akuter bakterieller Rhinosinusitis und akuter Otitis media), es sei denn, andere Antibiotika, die üblicherweise für diese Infektionen empfohlen werden, werden als ungeeignet erachtet;
  • bei nichtbakteriellen Infektionen, z. B. nichtbakterielle (chronische) Prostatitis;
  • zur Prävention von Reisediarrhoe oder rezidivierenden Infektionen der unteren Harnwege.

Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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5 Kommentare

Neue Nebenwirkungen von Levofloxacin

von Sibylle Dahrendorf am 15.11.2024 um 12:18 Uhr

Vielen Dank, dass Sie über die Vergiftung durch Fluorchinolone berichten, ein verheerendes Krankheitsbild, dass auch als Fluoroquinolone Associated Disability, kurz FQAD bezeichnet wird.

Jedoch sind die Schäden noch viel umfangreicher, als die hier genannten (wichtige Hinweise von Ihnen sind u.a die hämolytische Anämie, hämolytische Anämie, Thrombozytopenie, aplastischer Anämie oder Agranulozytosevia, entsprechende Gentests, wie zum Beispiel G6PD kann dies sogar nachweisen, bzw. vorhersagen, ob man solche toxischen Medikamenten überhaupt übersteht, ich hätte diese Medikamente niemals nehmen dürfen, laut Gentest. Zu spät.)

Vergessen zu erwähnen von Ihnen: Vor allem lösen Fluorchinolone bleibende Mitochondrienschäden aus, invalidisierende Muskelschwäche, schmerzhafte Neuropathien, auch die SmallFiber Neuropathie (Angriff auf die kleinen Nervenfasern), das Mastzellaktivierungssyndrom, verheerende Kollagenschäden u.v.m. Sozusagen Ganzkörper Schäden. Das Leben der Betroffenen ist meist vollständig zerstört. Die Arbeitsfähigkeit verloren. Alltag nicht mehr möglich.

Fluorchinolone sind in den USA mit einer Black Box Warnung versehen, aus gutem Grund. Hierzulande werden sie immer noch verschrieben wie saure Drops. Rote Hand Briefe werden von Ärzten nicht gelesen. Betroffene von Fluorchinolonschäden werden von Ärzten nicht ernst genommen, Hilfe gibt es also keine. Behandlung dagegen auch nicht, weil es keine Forschung über die Schäden gibt. Es gibt im medizinischen Alltag auch keine Überwachung oder Aufklärung bei Einnahme, die nur in Ausnahmefällen erfolgen sollte. Wenn überhaupt.

Bei manchen sind die Schäden so schlimm, dass die Betroffenen den einzigen weg im Suizid sehen. Es ist ein unglaublicher Medikamentenskandal und es gibt zig Tausende, immer noch, die jährlich schwer geschädigt werden. Und niemand tut etwas dagegen. Hier haben die Arzneimittelbehörden vollständig versagt.

Nur vier Tabletten, dann zerbrach ihr Leben:
➜ https://www.zeit.de/gesundheit/2022-11/antibiotika-fluorchinolone-medikament-nebenwirkung

Mit bestem Gruss,
S.D

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Neue Nebenwirkungen bei Levofloxacin

von Uschi Nowotny am 15.11.2024 um 11:31 Uhr

Vielen Dank, dass sie hier von den "neuen" Nebenwirkungen schreiben. Wir Geschädigten sind froh über jeden, der Fluorchinolon Nebenwirkungen öffentlich zum Thema macht. Ich bin seit 8 Jahren schwer krank durch Levofloxacin. Niemand, der es nicht selbst erlebt, kann sich diese Hölle vorstellen. Es klingt so lapidar: Sehnenschäden, Myoklonien, Photosensibilität... Das beschreibt nicht im Geringsten, welchen Zustand wir tatsächlich erleben. Ich kann keinen schmerzfreien Schritt mehr gehen, habe Nervenschmerzen am ganzen Körper, und auch die inneren Organe sind betroffen. Heftige Magen/Darmbeschwerden, das Herz ist außer Rand und Band, so dass man zu Anfang mehrmals in die Notaufnahme fährt, im Glauben einen Herzinfarkt zu erleiden. Man kann nicht mehr richtig schlafen, ist permanent erschöpft, hat Wortfindungsstörungen, bekommt Muskelfaserrisse aus dem Nichts, einfach so z.B. beim Aufstehen aus dem Bett. Ich war eine lebensfrohe Landschaftsgärtnerin, hatte viele Hobbys, machte Sport, hatte einen Freundeskreis. Heute bin ich EM Rentnerin, kann kaum noch die Wohnung verlassen, meine Rücklagen sind für Nahrungsergänzungsmittel und privatärztliche Untersuchungen drauf gegangen. Und da ist niemand, den das interessiert, niemand, der dafür Verantwortung übernimmt. Im Gegenteil, man wird noch verhöhnt, als "Ärztehopper" und Hypochonder abgestempelt, man sagt uns, es sei nur in unseren Köpfen, es könne gar nicht sein, das Medikament sei längst aus dem Körper etc. Hätten wir uns nicht gegenseitig, gäbe es sicher noch mehr Suizide als es sie eh schon gibt. Es gibt ein Leben vor Fluorchinolonen, aber für Einige gibt es keines mehr danach. Es ist ein Aushalten, in der Hoffnung, es vielleicht doch noch zu schaffen...
Sie, als medizinisches Fachpersonal haben eine große Verantwortung. Wenn Ärzte es schon nicht tun, bitte, tun sie es. Weisen sie die Patienten auf die möglicherweise schweren UAW hin. Denn wenn es jemanden trifft, und man weiß nicht wen und warum, dann gibt es kaum ein zurück. Sie sind die letzte Station, die es noch verhindern kann. Bitte, seien sie sich dessen bewusst. Es gibt in den meisten Fällen (in der ambulanten Versorgung) eine Alternative. Es sind in der Regel unkomplizierte HWI oder ein Husten, eine Sinusitis...Infektionen, die der Körper entweder alleine beherrschen kann oder die mit einem weniger gefährlichen Antibiotikum behandelt werden können.
Es dürfen nicht täglich weitere Menschen aus ihrem Leben gerissen werden. Stellen sie sich vor, es wäre ihr Kind, ihre Schwester, ihre Oma...

Herzlichen Dank.

Freundliche Grüße
Uschi Nowotny

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Neue UAW Levofloxacin

von FluorchinoloneTV am 15.11.2024 um 9:40 Uhr

Zunächst möchte ich Ihnen herzlich danken, das Sie überhaupt auf die Problematik aufmerksam machen. Jede Bericht Erstattung zu der Sache hilft.

Aber es gibt 3 wesentliche Punkte, die mir in dem Artikel sehr missfallen und so nicht richtig sind.

1) Wie von meiner Vorschreiberin erwähnt, hat die AOK eine Studie durchführen lassen, in der ermittelt wurde, das pro Jahr mindestens 400000, eher aber 400000 Menschen von UAW betroffen sind. Ich habe einen Stammtisch auf dem tiefsten, nicht dicht besiedelten Land gegründet. Er hat 5 Mitglieder und steht damit repräsentativ für 50000 Menschen. Er hätte mehr Mitglieder, aber die sind zu krank um teilzunehmen. Wir reden hier von einem Umkreis weniger Kilometer. Solange sich also die Mähr von wenigen Erkrankten hält, wird sich nie etwas an dem Verschreibungsverhalten ändern, denn wenn es ja sooo selten ist kann man es ja ruhig riskieren.

2) Sie schreiben, das bei ersten Anzeichen sofort ein Arzt aufgesucht werden soll. Das suggeriert irgendwie, das einem hier wirklich geholfen werden kann. In Deutschland redet man nicht gerne über UAW. Wenn Sie einem Arzt damit gegenübertreten, ist die Wahrscheinlichkeit leider sehr groß, das sie nicht ernst genommen werden und in der Psychoschiene landen, aus der sie nie oder sehr schwer raus kommen. Man rennt anschließ0end von Arzt zu Arzt und wird immer weniger ernst genommen. Wenn Ärzte das Problem wirklich ernst nehmen würden, hätten hunderte Fälle, die ich bisher gesehen habe, nicht alle das gleiche Problem. Gehen Sie mit der Problematik mal zu einem Gutachter...Es ist einfach erschreckend, wie dieses System hier vollkommen versagt! Erst bei den jungen Ärzten scheint es sich immer weiter rumzusprechen und es ist hoffentlich Besserung in Sicht.

3) Sie schreiben, das bei Erkennen einer Nebenwirkung sofort eine Behandlung eingeleitet werden soll. Welche Behandlung?! Es gibt in der Schulmedizin keine Behandlungsmöglichkeit. Einzig in Selbsthifegruppen versucht man sich gegenseitig zu helfen. Es gibt wenig bis gar keine Forschung zu dem Thema. Betroffene klammern sich an jeden Strohhalm und geben, obwohl Sie sehr oft arbeitsunfähig werden, ihr letztes Geld für Nahrungsergänzungsmittel aus, in der Hoffnung das diese Linderung oder Heilung bringen können. Eine Unterstützung der Krankenkassen findet dabei nicht statt.

Danke fürs Lesen.

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AW: Neue UAW Levofloxacin

von Patricia Weber am 15.11.2024 um 11:38 Uhr

Ihr Kommentar spricht die wichtigsten Punkte an, die uns im Apotheken-Alltag begegnen.
Zu erwähnen ist noch die hohe Anzahl der Geschädigten, die Ihre Beschwerden nicht auf die Chinolone zurückzuführen, da manche Beschwerden später auftreten.

Nebenwirkungen Fluorchinolone

von Limo am 15.11.2024 um 8:32 Uhr

Ich finde es immer wieder erstaunlich, daß immer noch von seehehr seltenen Nebenwirkungen gesprochen wird. Allein die AOK geht von 40.000 Fällen pro Jahr aus und die Dunkelziffer ist riesig. Welcher Arzt fragt nach Fluorchinolonen, wenn nach ein paar Wochen/Monaten unklare Beschwerden bei einem Patienten auftauchen? Welcher Psychiater fragt nach Fluorchinolonen, wenn ein neuer Patient mit plötzlich auftretenden Depressionen und Angstzuständen in die Praxis kommt?
Hätten Ärzte mehr Bewusstsein für diese Problematik und würden uns Geschädigte endlich ernst nehmen, wäre uns schon viel geholfen.

Danke fürs Lesen!
Gruß Limo

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