Papier versus PDF

Sind digitale Weiterbildungsskripte ein Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Pharmazie?

22.11.2024, 12:15 Uhr

Sind digitale oder gedruckte Fortbildungsinhalte ökologisch betrachtet vorteilhafter sind? (Foto: luckybusiness / AdobeStock)

Sind digitale oder gedruckte Fortbildungsinhalte ökologisch betrachtet vorteilhafter sind? (Foto: luckybusiness / AdobeStock)


Im Rahmen des Deutschen Apothekertages im September 2022 waren die Themen „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit in der Pharmazie“ ein eigener und sehr gewich­tiger Tagesordnungspunkt in der Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker. Viele Kammern und Verbände machen sich also Gedanken, was sie für den Umweltschutz tun können.

Während der Antragsberatungen gab es intensive Diskussionen unter anderem zur „Reduktion des Ver­packungsmülls“, zur „Förderung klimaneutraler Apotheken“, zu „Klimaneutralen Geschäftsstellen“ bis hin zur generellen Begrenzung von Ressourcenverschwendung. Infolgedessen wurde sogar ein spezielles Curriculum der Bundesapothekerkammer für eine modulare Fort- und Weiterbildung „Klima, Umwelt und Gesundheit“ erarbeitet. 

In der Hauptversammlung wurde am Beispiel der durchaus gewichtigen 274-seitigen Antragsmappe darüber diskutiert, inwiefern Dokumente in Papierform noch zeitgemäß seien. Diese Fragestellung steht beispielhaft für einen interessanten Teilaspekt des Engagements für die Umwelt, nämlich der Frage, ob es ökologischer ist, Kursteilnehmern Papierskripte oder Skripte in PDF-Form zur Verfügung zu stellen. Die Antragsmappe in Papierform wurde zum Deutschen Apothekertag 2023 dann auch „abgeschafft“. Fortbildungsskripte auf Papier wurden in der Zwischenzeit fast überall ebenso eliminiert und auch in der Weiterbildung sind die meisten Apothekerkammern inzwischen zur PDF-Version übergegangen.

Mehr Verpackung als Folge der Digitalisierung?

Ob die Zeitung frühmorgens zum Kaffee, das in einem Karton verpackte Paket vom Postboten, oder die Pappteller am Kindergeburtstag: Papier ist in jeglichen Formen und Farben unser täg­licher Begleiter. Auch wenn die Digi­talisierung zunehmend fortschreitet, steigt die globale Papierproduktion genauso an. Dies liegt darin begründet, dass einige Plastikprodukte wie Strohhalme oder Plastiktüten nun durch das Pendant aus Papier ersetzt werden. Genauso wächst aber im Zuge der Digitalisierung auch der Online-Versandhandel, wodurch mehr Verpackungsmaterial benötigt wird. Mittlerweile haben sich einige Firmen darauf spezialisiert, das vielseitige Material auf eine besondere Art und Weise zu nutzen: so können inzwischen Möbel oder sogar ganze Häuser aus Wellpappe gebaut werden. Ein großer Vorteil des Rohstoffs Papier ist seine Recyclingfähigkeit. Da jedoch auch dieser Prozess eine Menge Energie und Wasser verbraucht, ist ein sparsamer Umgang mit Papier unabdingbar. Allein der Verzicht auf ständiges Ausdrucken aller Unterlagen oder der Einkauf im Unverpackt-Laden haben einen positiven Einfluss auf den Pro-Kopf-Verbrauch [1].

Was ist ökologischer – digitale Inhalte oder Printmedien?

Ganz eindeutig lässt sich die Frage nach der Beurteilung von digitalen bzw. gedruckten Inhalte oder Print­medien aus ökologischer Sicht nicht klären, da mehrere Aspekte Einfluss darauf nehmen. Die Digitalisierung vereinfacht den Zugang zu verschiedenen Inhalten und spart Print-Material. Es kann allerdings zum sogenannten Rebound-Effekt kommen: Die Vorteile der digitalen Geräte lassen die Nachfrage so sehr steigen, dass die für die Produktion, Lieferung und Entsorgung entstandenen Treibhausgase die ökologischen Vorteile verblassen lassen. Forschende der Universität Zürich haben herausgefunden, dass das Nutzungsverhalten der Bevölkerung eine entscheidende Rolle spielt. In der Debatte, ob nun die Print-Ausgabe oder die Online-Version einer Zeitung ökologischer ist, gibt es mehrere Einflussfaktoren. Ökologisch von Vorteil ist es, die digitalen Geräte so lange wie möglich, bestenfalls mehrere Jahre, zu nutzen. Liest jemand lange und viel Zeitung, ist die Nutzung der Print-Version sinnvoller, da die Datenübertragung und der Akku beim Lesen der Online-Ausgabe Strom verbrauchen. Bestenfalls wird die ausgedruckte Zeitung dann auch mit mehreren Personen geteilt [2].

Leseratte vs. Lesecafé?

Die internationale Umweltorganisation Greenpeace hat zu diesem Thema eigene Recherchen angestellt. Auch hier wird allerdings deutlich, dass es keine klare Antwort zu dieser Fragestellung gibt. Die Gesamtumweltbelastung ist bei einem E-Book-Reader in der Regel geringer als bei einem gedruckten Zeitungsexemplar. Letzteres kann aber, wenn es einmal gedruckt wurde, emissionsfrei beliebig lange und oft gelesen werden. Sobald das gedruckte Zeitungsexemplar von über drei Personen oder länger als eine halbe Stunde gelesen wird, ist es ökologischer als die digitale Version. Als lohnend erweist sich allerdings ein E-Book-Reader bei Leseratten: je mehr Bücher man liest, desto sinnvoller ist die Anschaffung des digitalen Gerätes. Auch Detailfragen wie die Nutzung einer Lampe zum Lesen der Print-Versionen können die ökologische Nachhaltigkeit beeinflussen [3].

Meinungsbild

Das Wissenschaftliche Institut für Prävention im Gesundheitswesen (WIPIG) hat exemplarisch die Teilnehmer der Weiterbildung im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung, Kompaktkurs 2024, veranstaltet von der Bayerischen Landesapothekerkammer zweimal zum Thema Skripte in Weiterbildungsveranstaltungen befragt. Einmal vorab, ohne die zusätzlichen Informationen aus dem vorliegenden Artikel: 63% der Teilnehmer votierten für Papierskripte und 37% für den Erhalt von PDF-Dateien. Nach Zusendung weiterer Informationen zum Thema Nachhaltigkeit stimmten 79% der Weiterzubildenden für Papierskripte und nur noch 21% für die PDF-Version.

Hier einige „Stimmen“ der Teilnehmer im Detail:

  • „PDF-Dateien wären aus meiner persönlichen Sicht als Skripte zu bevorzugen. Hierfür sprechen eine Reihe an objektiven Gesichtspunkten: PDF-Dateien lassen sich am Laptop oder Tablet mit einem entsprechenden Programm (Adobe Acrobat Reader, PDF24 etc.) ebenfalls mit Notizen (ggf. sogar mit einem e-Pen) versehen. Es gibt in PDF-Dateien eine Suchfunktion, wodurch das Lernen erleichtert wird. Zudem sparen elektronische Dateien Papier, Wasser und Ressourcen. Aufgrund der Fachapothekerweiterbildung sind mir auch die Vorgehensweise anderer Kammern bei der Skriptausgabe bekannt. Diese reichen von Downloadserver (mit Passwort), über direkt-Versand per Mail oder Papierform.“
  • „Ich finde zwar ihre Skripte sehr gut designt/gebunden, denke aber – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – man sollte alles auf PDF umstellen. Einfach um mit der Zeit zu gehen... Wenn es nicht mehr physisch verfügbar ist, dann muss man es zur Not halt einfach lernen digital zu arbeiten. Man wird in der Zukunft sowieso nicht daran vorbeikommen.“
  • „Mir war nicht bewusst, dass PDF-Skripte nicht immer automatisch ökologisch nachhaltiger sind als Papier-Skripte. Deshalb entscheide ich mich für die mir persönlich angenehmeren Papier-Skripte.“
  • „Zur Frage, ob Papier oder PDF: ist mir egal, ich drucke PDF-Skripte immer aus, weil ich auf diesem Gebiet immer noch analog ticke. Lernen hat bei mir viel mit Haptik und Schreiben zu tun.“
  • „Da ich gern persönliche Anmerkungen im Script mache und zum Wiederholen gern eine Art Buch in der Hand halte, ist mir das ausgedruckte Skript lieber. Für unser Klima, das mir sehr am Herzen liegt, verhalte ich mich dafür an anderen Stellen noch energie- und ressourcenschonender als Ausgleich.“
  • „Da ich gerne Notizen ins Skript mache, freue ich mich weiter über ausgedruckte Skripten. Für mich ist das Papier in der Hand immer noch am leichtesten lesbar.“
  • „Ich bin immer noch pro Papier, gerne auch Recycling-Papier. Auf Papier kann ich genau an der richtigen Stelle meine Notizen hinzufügen und es ist auch mein Eindruck, dass ich diese Notizen ganz gut erinnere und sie im Bedarfsfall schnell finde. Für mich gilt Schreiben = Lernen. Sollten Sie auf PDF umstellen, würde ich die Skripte trotzdem ausdrucken, um sie nach­arbeiten zu können.“

Blick auf den Rohstoffverbrauch

Betrachtet man nun explizit die Rohstoffe selbst sowie den Wasser- und CO2-Verbrauch, fallen auch einige Unterschiede im Vergleich Papier vs. Digital auf. Der nachwachsende Rohstoff Holz steht den Edelmetallen und seltenen Erden gegenüber, aus denen unter anderem die elektronischen Geräte hergestellt werden. Der Wasserverbrauch lässt sich in dieser Gegenüberstellung nur schätzen, da dieser stark vom Nutzungsverhalten abhängt. Es muss bedacht werden, dass in der Regel digitale Geräte längerfristig genutzt werden und Papierversionen oftmals nur einmalig verwendet werden. Auch hinsichtlich des Energieverbrauchs ist festzustellen, dass das Nutzungsverhalten der Menschen den entscheidenden Effekt hat: die Energiebilanz verbessert sich bei Print-Medien, je häufiger und länger sie genutzt werden. Bei digitalen Medien verhält sich die Energiebilanz genau gegensätzlich [4].

Literaturtipp

Esther Luhmann (Hg., )
Die nachhaltige Apotheke – Klimawandel, Umweltschutz und Gesundheit
Unter Mitarbeit von Florian Giermann, Gabriele Renner, Björn Schittenhelm
1. Auflage 2022, 214 Seiten, 35 farb. Abb., 5 s/w Tab., 17 × 24 cm, 36 Euro, ISBN: 978-3-7692-7809-5
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Auch das Lesen selbst hat sich im Laufe der Jahre verändert. Es fällt den Menschen zunehmend schwerer, langsam und konzentriert einen Text zu lesen. Ganz im Gegenteil, in Zeiten der Informationsüberflutung werden Inhalte nach den wichtigsten Eckdaten mit dem Auge abgescannt. Sachtexte werden oftmals in gedruckter Form besser aufgenommen, da sich der Mensch bei den digitalen Medien schnell ablenken lassen kann [4].

Forschende der Universität Tokio haben herausgefunden, dass handschriftliche Informationen durch die physische Beständigkeit für die schreibende Person sehr einprägsam sind. Die Texte sind auch im Nachgang besser im Gedächtnis abrufbar. Digital verfasste Worte, sei es per Handy oder per Tablet mit Stift, verlieren durch das Scrollen den festen Seitenaufbau und sind dadurch weniger einprägsam. Das legt nahe, dass zu lernende Informationen auf einem Papierskript besser aufgenommen werden können. Innerhalb der Studie wurde deutlich, dass die Hirnaktivität bei der Erinnerung an handschriftlich verfasste Notizen deutlich höher war als bei den digitalen Alternativen. Die Aussagekraft dieser Studie ist durch die geringe Teilnehmerzahl (knapp 50 Teilnehmer) zwar begrenzt, sie kann jedoch als Ansatzpunkt für weitere Untersuchungen genutzt werden [5]. Zusammenfassend lässt sich nach wie vor keine klare Aussage darüber treffen, ob nun das Papier oder die digitalen Medien vorzuziehen sind. Es kommt ganz auf den Zweck, das Nutzungsverhalten und das Schriftstück selbst an. In jedem Fall gilt jedoch: Ein nachhaltiger, nicht verschwenderischer Umgang mit dem Medium, egal ob Print oder Digital, ist in der heutigen Zeit zwingend erforderlich. Und wird, wie Greenpeace feststellt, eine Papierzeitung (oder in unserem Fall ein Weiterbildungsskript) mehr als eine halbe Stunde lang gelesen, kann das – je nach Nutzungsverhalten – ökologischer sein, als die elektronische Version.

Literatur

[1] NN. Eine Welt ohne Papier? Warum der Werkstoff Papier unverzichtbar ist. Informationen der BR Berlin Recycling GmbH, Abruf: 3. Januar 2024, www.berlin-recycling.de/blog/impulse/807-eine-welt-ohne-papier-warum-der-werkstoff-papier-unverzichtbar-ist

[2] Bürgi R. Papier oder Tablet – was ist umweltfreundlicher? Informationen der „Energie-Experten“ vom 15. Februar 2023, www.energie-experten.ch/de/wissen/detail/papier-oder-tablet-was-ist-umweltfreundlicher.html

[3] Plüss M. Online vs. Papier – Zahlen und Fakten. Greenpeace Schweiz vom 13. November 2015, www.greenpeace.ch/de/hintergrund/44410/online-vs-papier-zahlen-und-fakten

[4] Bigler I. Papier vs. Digital Teil 1: Umwelt und Verständnis. Informationen der Steinbeis Papier GmbH 2021, https://blog.stp.de/papier-vs-digital

[5] Winkler S. Warum du besser auf Papier statt in dein Handy schreiben solltest. Welt vom 6. April 2021, www.welt.de/kmpkt/article228925101/Warum-du-besser-auf-Papier-statt-ins-Handy-schreiben-solltest.html


Dr. Helmut Schlager, Apotheker, Geschäftsführer WIPIG


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