Gastkommentar

Ein Plädoyer für den Deutschen Apothekertag

Die Beschlüsse des Deutschen Apothekertags (DAT) sind ab dem kommenden Jahr von den ABDA-Gremien aller Voraussicht nach nicht mehr verpflichtend umzusetzen, sondern nur noch sachgerecht zu berücksichtigen. Robin Brünn und Otto Quintus Russe, Delegierte der Landesapothekerkammer Hessen und Mitantragsteller des Adhoc-Antrags beim DAT in München, die zugrundeliegende Satzungsänderung zurückzunehmen, halten das nach wie vor für einen Fehler. Ein Gastkommentar. 

Ein Plädoyer für den Deutschen Apothekertag

Wie unser gesamter Berufsstand steht auch der Deutsche Apothekertag an einem Scheideweg: Ab Januar verliert er durch eine Satzungsänderung nicht nur seinen Status als ABDA-Organ, auch die bisher bindende Wirkung seiner Beschlüsse wird aufgehoben. Diese grundlegende Veränderung charakterisiert nicht nur die Rolle des Apothekertags neu, sie stellt auch die Mitbestimmung auf den Prüfstand und schwächt den einzigen Bottom-up-Ansatz innerhalb der ABDA-Gremien.

Die Streichung des Deutschen Apothekertages als ABDA-Organ wird seiner tatsächlichen Bedeutung nicht gerecht. Wenn 300 von den Mitgliedsorganisationen benannte und entsandte Delegierte drei Tage über die Anliegen unseres Berufsstands beraten und intensiv diskutieren, muss dies auch von unserer Spitzenorganisation mit dem nötigen Respekt wertgeschätzt werden. Besonders das aktuell gern vorgebrachte Argument der fehlenden demokratischen Legitimation möchten wir zurückweisen, denn die DAT-Delegierten sind von den Mitgliedsorganisationen entsandt. Sofern dies nicht ausreicht, sollte man Regeln für die Entsendung aufstellen, statt den Deutschen Apothekertag zu degradieren.

Am kritischsten bewerten wir die geplante Aufhebung der Bindungswirkung von Apothekertags-Beschlüssen. Nach bisheriger Regelung mussten diese Beschlüsse von den ABDA-Gremien verbindlich umgesetzt werden. Nur die ABDA-Mitgliederversammlung konnte entscheiden, einen Antrag nicht weiterzuverfolgen. Künftig sollen die Beschlüsse nur noch „sachgerecht berücksichtigt“ werden – eine fundamentale Umkehr der bisherigen Praxis. Dies wirft eine zentrale Frage auf: Soll die Umsetzung der Beschlüsse weiterhin der ABDA-Mitgliederversammlung anvertraut bleiben, in der zumindest alle Kammern und Verbände vertreten sind, oder überlassen wir solche Entscheidungen in Zukunft dem Ermessen einzelner Weniger in ABDA-Spitzenämtern?

Unser Kernanliegen lautet: Wie können wir unsere nationalen berufspolitischen Strukturen so gestalten, dass sie transparent, vertrauensvoll und zukunftsfähig sind? Die Annahme des Ad-hoc-Antrags zeigt, dass dies den Delegierten des diesjährigen Apothekertags 2024 ein Anliegen war.

Weit mehr als eine formale Änderung

Die Reduzierung der Bindungswirkung von Apothekertags-Beschlüssen ist weit mehr als eine formale Änderung – sie gefährdet das ohnehin schwache standespolitische Engagement in unserem Berufsstand. Schon heute beteiligen sich nur 20 bis 40 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen an den Wahlen der Kammern und Verbände. Statt einer weiteren Zentralisierung von Entscheidungsstrukturen brauchen wir moderne Formate für eine breite inhaltliche Beteiligung. Nur so kann es uns gelingen, Nachwuchs zu motivieren, und das offensichtlich verloren gegangene Vertrauen unserer Kolleginnen und Kollegen „da draußen“ in eine funktionierende Standesvertretung wiederherzustellen.

Der Deutsche Apothekertag muss als Ort des Austauschs, der Diskussion und der verbindlichen Entscheidungsfindung gestärkt werden. Eine Schwächung seiner Position wäre der falsche Weg. Stattdessen brauchen wir eine umfassende Modernisierung: Die Antragsphase sollte durch digitale Formate organisationsübergreifend vernetzt, die Arbeit der Antragskommission neu definiert und die Beratungsprozesse auf dem DAT optimiert werden. Dies würde zu qualitativ besseren Beschlüssen führen, die dann auch verbindlich umgesetzt werden müssten, anstatt durch eine Satzungsänderung Beschlüsse nur dann zu verfolgen, wenn es einem sinnvoll erscheint. Denn dann wäre das auch „Hauptversammlung“ genannte alljährliche Zusammentreffen nichts anderes als teure Makulatur.

Die Entscheidung liegt nun bei der ABDA-Mitgliederversammlung. Wir hoffen auf einen konstruktiven Dialog und mutige Entscheidungen. Die Richtungswahl am Scheideweg kann uns nur dann zu einer zukunftsfähigen Pharmazie führen, wenn sie nicht über die Köpfe derer hinweg entschieden wird, die den Weg am Ende gehen müssen.

In eigener Sache: Wir haben diesen Gastkommentar bewusst am Tag der Stimmenauszählung zur Wahl der hessischen Apothekerkammer publiziert, um nicht in den Verdacht zu geraten, Wahlkampf auf dem Rücken dieses uns so wichtigen Themas zu betreiben.

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