Knochen aus der Retorte
Die Entnahme und Verwendung von Stammzellen in vitro soll es in naher Zukunft erlauben, Gewebe und Organe herzustellen und dann in den Spenderorganismus zurück zu transplantieren. Solche Verfahren befinden sich in allen Bereichen der Medizin in Entwicklung, von der Herzklappe bis hin zu Insulin-produzierenden Zellen für Diabetiker.
Neue Therapien regenerieren Gewebe
Gerade in der Osteologie herrscht an regenerativen Therapien ein immenser Bedarf. Denn Osteoporose und Arthrose, Bandscheibenleiden und Bänderschädigung werden durch die Zunahme degenerativer Erkrankungen in einer überalternden Gesellschaft zu Volkskrankheiten. Explizite Ziele sind, dem Knochenverlust bei Osteoporose zu begegnen und Gewebe für den Ersatz von Knochen, Knorpel, Bandscheiben und Bändern herzustellen. Gezieltes medikamentöses Ansprechen von Stammzellen kann zur Regeneration dieser Gewebe führen.
Knochen machen:
erste Erfolge Dass dies nicht nur Zukunftsmusik ist, zeigt das rekombinante Parathormon-Fragment Teriparatid, das zur postmenopausalen Osteoporosetherapie zugelassen ist. Das Peptid stimuliert die Proliferation früher Osteoblastenvorläufer und führt zur Knochenneubildung. Auch zur Stimulation der Knochenheilung ist schon ein rekombinant hergestelltes Protein aus der Familie der Bone Morphogenetic Proteins (BMP7) auf dem Markt. Es stimuliert Stammzellen und wird zur Einleitung der Knochenheilung bei schlecht heilenden Frakturen oder für die Schließung von Knochendefekten nach Tumorerkrankungen verwendet.
Tissue Engineering: Gewebe aus der Retorte
Die Herstellung von Knorpel, Bändern und Bandscheiben aus körpereigenen Stammzellen wird derzeit in Bioreaktoren entwickelt und in präklinischen Untersuchungen erprobt. Ein besonders heiß ersehntes Therapieziel ist der Ersatz arthrotisch abgenutzter oder durch Traumatisierung defekter Knorpelbeschichtung in Gelenken. Aufgrund der geringen Regenerationsfähigkeit des Gelenkknorpels besteht hier eine Therapielücke. So könnte es künftig möglich sein, Knorpeldefekte mittels Stammzellen, die in entsprechenden Trägermaterialien (Scaffolds) wie z. B. Kollagen-Gelen eingelagert sind, wieder zu schließen. Diese quasi "kausale" Therapie erzielt eine bessere Qualität des Ersatzknorpels, als die derzeitigen Verfahren der Knorpelzelltransplantation. Solche regenerativen, stammzellbasierten Therapieverfahren werden in der Osteologie sowohl für operative als auch für konservative Behandlungen entwickelt. Bis sie für die Praxis zur Verfügung stehen, wird man sich noch fünf bis zehn Jahre gedulden müssen.
Ralf Schlenger, München
Prof. Dr. Franz Jakob, Würzburg; Dr. Joa- chim Teichmann, Ludwigshafen; Prof. Dr. Gert E. Hein, Jena: Pressekonferenz „ Se- kundäre Osteopathie und spezielle Erkran- kungen des Knochens“, Basel, 3. März 2005, im Rahmen der Osteologietagung 2005
Blick ins Stammzell- Labor
Im Unterschied zu fetalen oder embryonalen Stammzellen ent- steht aus adulten Stammzellen kein eigenständiger Organismus mehr. Die adulten Stammzellen stellen die Basis der Gewebere- generation des erwachsenen Or- ganismus dar. Aus mesenchyma- len Stammzellen entstehen z. B. Knochen, Knorpel, Bänder, Mus- keln und Fettgewebe. Diese Zel- len residieren in geringer Zahl in so genannten Stammzellnischen. Ihre Teilungsrate liegt sehr nied- rig, bis sie sich auf einen Rege- nerationsreiz hin vermehren. Die dann entstehenden Vorläuferzel- len können sich zu unterschiedli- chen Populationen reifer Zellen differenzieren. So entstehen Knochen-, Knorpel-, Fett- und Muskelzellen, außerdem ver- schiedene Bindegewebszellen zur Bildung von Sehnen, Bändern und Narbengewebe.
Man hat mesenchymale Stamm- zellen u. a. aus Knochenmark, Fettgewebe und Muskelgewebe isolieren können. Sie lassen sich z. B. aus Knochenmark einfach in Kultur nehmen und im Rea- genzglas binnen weniger Wo- chen vermehren. Stammzellen können sowohl Werkzeuge für die Therapie als auch therapeuti- sches Ziel darstellen.