Immunologie

Grundprinzipien des Immunsystems

Wer sich schon einmal über ein schlappes, "grippiges" Gefühl nach einer Impfung geärgert hat, könnte daraus die völlig falsche Konsequenz ziehen, sich nicht mehr impfen zu lassen. Dabei ist gerade ein solches Gefühl ein sicheres Anzeichen dafür, dass das Immunsystem die kontrollierte Exposition mit dem "Fremden" verarbeitet und einen Schutz für den Ernstfall aufbaut. Wie das geschieht, ist Thema des folgenden Artikels. In der nächsten DAZ lesen Sie dann, was geschieht, wenn das Immunsystem aus dem Gleichgewicht gerät und wie es wieder ins Lot gebracht werden kann.

Das Leben ist ein andauernder Kampf ums Überleben: Ständig lauern Viren, Pilze, Bakterien und größere Parasiten darauf, sich in unserem Körper breit zu machen. Besucht man die Internetseite des Robert Koch-Instituts (www.rki.de), so findet man unter dem Stichwort "Infektionskrankheiten" mehr als 100 Einträge – von "A" wie "Affenpocken" bis "Z" wie "Zecken-übertragene Erkrankungen".

Das Erregerspektrum ist mit den Nukleinsäurepaketen der Viren bis hin zu den recht komplex aufgebauten Nematoden breit gefächert und ändert sich immer wieder: Vor den 1980er Jahren war HIV kein Thema und erst seit 2003 ist SARS, das Schwere Akute Respiratorische Syndrom, bekannt. Die dafür verantwortlichen Viren haben sich erst jüngst von tierpathogenen Viren zu Menschenpathogenen entwickelt.

... mit der es sich leben lässt

Trotz dieser allgegenwärtigen Bedrohung lebt es sich als Mensch im Normalfall recht gut, denn mit dem Immunsystem besitzen wir als Gegenmittel ein faszinierendes Netzwerk, das derartige Bedrohungen prinzipiell in Schach hält bzw. eliminiert. Idealerweise kennt das Immunsystem im Ernstfall die Bedrohung bereits und hat dementsprechend ein spezifisches Abwehrrepertoire abgelegt, das dann sehr schnell "scharf gestellt" werden kann.

Kennt das Immunsystem die Bedrohung nicht, muss "auf Zeit gespielt werden", um sich schnell anzupassen und hochspezielle Waffen zu entwickeln. Dabei kommt es darauf an, dass diese Waffen in der Tat sehr spezifisch sind, denn unter allen Umständen muss vermieden werden, dass körpereigene Strukturen attackiert werden. Das ist keinesfalls eine leichte Aufgabe, da es sich bei den verschiedenen Krankheitserregern doch auch um Lebewesen handelt (bei Viren passt dieser Begriff nur eingeschränkt), die ähnlich wie unser Körper aus Nukleinsäuren, Kohlenhydraten, Lipiden und Proteinen bestehen. Erschwerend kommt hinzu, dass wir in Symbiose mit unseren Darmbakterien leben, die – natürlich – nicht im gleichen Maße von unserem Immunsystem bekämpft werden dürfen, wie irgendwelche Krankheitserreger. Und schließlich sind auch die Lebensgewohnheiten der Eindringlinge ganz unterschiedlich: Viren vermehren sich immer in den Wirtszellen und präsentieren sich nur für die Infektion der nächsten Zelle direkt dem Immunsystem, Bakterien kommen meist extrazellulär vor und parasitäre Eukaryonten können sowohl innerhalb als auch außerhalb von Körperzellen Schaden anrichten.

Das heißt also, dass von Seiten der Krankheitserreger einige Herausforderungen an das Immunsystem gestellt werden, die glücklicherweise in den meisten Fällen auch erfolgreich gemeistert werden, durch ein komplexes Zusammenspiel von Zellen und Proteinen, die eine "erste Einsatztruppe" oder aber eine "Spezialeinheit" darstellen.

Die Erstabwehr: das angeborene Immunsystem

Dass viele Infektionen bereits im Keim erstickt werden und viele der uns bedrohenden Pathogene gar nicht erst zum Zuge kommen, verdanken wir unserer Haut und Schleimhaut. Wie effizient und doch unauffällig unsere Körperoberfläche potenzielle Eindringlinge abwehrt, wird überdeutlich, wenn die Haut durch Verbrennungen stark geschädigt ist: Eine Sepsis durch vermehrt eingedrungene Krankheitserreger ist dann eine gefährliche Komplikation.

Aber auch bei intakter Körperoberfläche schaffen es Viren, Bakterien oder eukaryotische Pathogene doch immer wieder, in unseren Körper einzudringen. Dann erwarten sie dort bereits die Komponenten des angeborenen Immunsystems. Auf der zellulären Seite gehören hierzu Makrophagen, dendritische Zellen, Granulozyten und Natürliche Killerzellen. Diese werden durch die humoralen Komponenten des Komplementsystems ergänzt.

Das angeborene Immunsystem ist phylogenetisch älter als das weiter unten erläuterte spezifische Immunsystem. Homologe Systeme finden sich bereits bei wirbellosen Tieren.

Mustererkennung durch spezifische Rezeptoren

Da hier eine erste, recht allgemein wirksame Abwehrreaktion einsetzt, wird dieser Teil auch häufig noch als "unspezifisches" Immunsystem bezeichnet. Mittlerweile weiß man aber, dass das angeborene Immunsystem keineswegs unspezifisch ist. So genannte Mustererkennungs-Rezeptoren (engl.: pattern recognition receptors, PRR) spielen hier eine entscheidende Rolle (Tab.1). Zum Beispiel erkennen das Mannose-bindende Lektin oder die Toll-like-Rezeptoren (TLR) "Muster" bei den Krankheitserregern, die für diese Pathogene charakteristisch sind.

Das Mannose-bindende Lektin (MBL) ist ein Protein, das gelöst im Blut vorkommt. Sobald Bakterien im Blut auftauchen, erkennt MBL die spezielle Anordnung der Zuckerreste auf der mikrobiellen Oberfläche und kann sie exakt von Kohlenhydratketten auf körpereigenen Zellen unterscheiden. Gebundenes MBL kann nun mithilfe von drei Serinproteasen (MASP1-3) den so genannten Lektin-Weg des Komplementsystems aktivieren.

MBL und Komplementsystem - die schnelle Eingreiftruppe

Das Komplementsystem bekam seinen Namen vor mehr als 100 Jahren, als entdeckt wurde, dass eine Kaskade von verschiedenen Enzymen die Antikörperantwort bei einer Infektion ergänzt (komplementiert) und zur Lyse der eingedrungen Bakterien führt. Allerdings weiß man inzwischen, dass der über einen Komplex aus Antikörper und Antigen ausgelöste klassische Aktivierungsweg (siehe unten) nur einer von insgesamt drei Möglichkeiten ist, das Komplementsystem in Gang zu bringen. Mehr als 30 Proteine sind als Aktivatoren und Regulatoren an dem Kaskadensystem beteiligt. Die eigentlichen Komplementfaktoren werden mit C1 bis C9 bezeichnet und sind Zymogene – also inaktive Enzymvorstufen –, die nacheinander proteolytisch gespalten und dadurch aktiviert werden. So kommt es – analog zum ähnlich funktionierenden Blutgerinnungssystem – zu einer Verstärkung der Effekte.

Ein Signal, das dieses delikate System zu aktivieren vermag, ist ein an einem Bakterium gebundener Proteinkomplex (Abb. 1A, Klassischer Weg, Lektin-Weg). Dieser induziert die Spaltung der beiden Komplementfaktoren C4 und C2 in die Fragmente C4a und C4b bzw. C2a und C2b. C4b bindet nun an C2a und bildet mit ihm die so genannte C3-Konvertase, die den wichtigen Komplementfaktor C3 in C3a und C3b spaltet. C3b assoziiert mit der C3-Konvertase und bildet die C5-Konvertase, die ihrerseits C5 in C5a und C5b hydrolysiert. C5b rekrutiert nun die Komplementfaktoren C6 bis C9 an die Bakterienoberfläche, und es bildet sich der so genannte Membran-Angriffskomplex (MAK) aus, wobei C9-Moleküle eine Pore in der Bakterienhülle ausbilden und somit zur Lyse des Bakteriums führen (Abb. 1B).

C3b stellt außerdem ein Opsonin dar, d. h., es bindet direkt an Bakterien (Abb. 1A, Alternativer Weg), kann zusammen mit einem anderen aktivierten Protein (Bb) ebenfalls eine C3-Konvertase bilden und weitere C3-Moleküle spalten, was den Kreislauf verstärkt. Eine mit C3b besetzte Bakterienzelle ist besonders attraktiv für Makrophagen und wird schnell eliminiert. Die kleineren Proteolyseprodukte C3a und C5a wirken als Anaphylatoxine, die weitere Makrophagen anlocken und eine Entzündungsreaktion einleiten.

Das Mannose-bindende Lektin und die Komplementfaktoren patrouillieren ständig in unserem Körper. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass diese "schnelle Einsatztruppe" innerhalb weniger Stunden schon mit der Elimination des Pathogens begonnen hat.

Auf der anderen Seite wäre es absolut fatal, wenn sich das Komplement gegen Wirtszellen richten würde. Verschiedene Proteine, die löslich im Blut oder membrangebunden auf den Wirtszellen vorliegen, schützen die Zellen vor einer Belegung mit dem Opsonin C3b oder vor der Lyse über einen MAK indem die C3- bzw. die C5-Konvertase gehemmt werden (Tab.2).

Makrophagen und die Bedeutung der Toll-like-Rezeptoren

Makrophagen können aber auch selbst pathogene Organismen erkennen. Ebenso wie dendritische Zellen tragen sie Toll-like-Rezeptoren (TLR), die als membranständige Mustererkennungsrezeptoren fungieren. Der erste dieser humanen Rezeptoren wurde 1997 als homolog zum Toll-Protein in der Fruchtfliege Drosophila beschrieben und später als Toll-like-Rezeptor 4 (TLR4) bezeichnet. Inzwischen kennt man im Menschen zehn verschiedene TLRs, wobei man bisher die Liganden allerdings nur von TLR1 bis TLR9 identifizieren konnte (Tab. 3)

Allen diesen Rezeptoren ist gemeinsam, dass sie so genannte Klasse-I-Rezeptoren darstellen, die sich mit einer einzigen α-Helix durch die Membran ziehen. Entsprechend ihrer Ligandenspezifität findet man die TLRs TLR1, TLR2, TLR4, TLR5, TLR6 und TLR10 auf der Zytoplasmamembran. TLR3, TLR7, TLR8 und TLR9 finden sich dagegen intrazellulär in der Membran von Endolysosomen, wo sie die Bestandteile phagozytierter Pathogene erkennen.

Nach Bindung des Liganden dimerisieren die Rezeptoren, wodurch es zu einer Konformationsänderung der zytosolischen Domänen kommt (Abb. 2). Dies wiederum setzt eine Signaltransduktionskaskade in Gang, die über die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB dazu führt, dass Entzündungsmediatoren und andere Zytokine exprimiert werden, wodurch weitere immunkompetente Zellen angelockt werden.

Die Bedeutung des Tumornekrosefaktors-α

Der Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) spielt hierbei eine wichtige Rolle, indem er Makrophagen und Granulozyten stimuliert, mikrobizide Faktoren wie reaktive Sauerstoff-Moleküle (ROS) und NO zu sezernieren. Daneben erhöht TNF-α die Permeabilität der Gefäße, was die für Entzündungen charakteristischen Schwellungen nach sich zieht. Wegen dieser Schlüsselrolle bei Entzündungreaktionen hat sich TNF-α heute als eine der bedeutendsten Zielstrukturen bei der Therapie chronischer Entzündungserkrankungen wie Morbus Crohn oder rheumatoide Arthritis etabliert. Mit Antikörpern wie Infliximab oder Adalimumab oder Fusionsproteinen wie Etanercept lassen sich überschüssig produzierte TNF-α -Moleküle gezielt abfangen und der fatale Entzündungskreislauf unterbrechen.

Agonisten und Antagonisten der Toll-like-Rezeptoren

Neuere Forschungen beschäftigen sich bereits mit den Toll-like-Rezeptoren selbst: Agonisten dieser Moleküle sind in der Lage, das Immunsystem anzukurbeln, während Antagonisten als Therapeutika bei Autoimmunerkrankungen interessant sein könnten.

Da Toll-like-Rezeptoren die Pathogenabwehr letztlich über eine Aktivierung der Proteinexpression (Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB) vermitteln, setzen die Abwehrmechanismen zeitverzögert ein. Dennoch ist die Mobilisierung von Makrophagen und dendritischen Zellen über Mustererkennungsrezeptoren ein extrem wichtiger Beitrag zur nachhaltigeren und spezifischeren Immunreaktion über das adaptive Immunsystem.

Die "Spezialeinheit": das adaptive Immunsystem

Erst wenn auch das adaptive Immunsystem mit in die Pathogenabwehr eingreift, kann der Körper effizient vom Eindringling befreit und nachhaltig vor zukünftigen Infektionen geschützt werden.

Zum adaptiven Immunsystem gehören die B- und T-Zellen sowie die Antikörper als lösliche Komponenten. Der wesentliche Schritt zur Einleitung der adaptiven Immunantwort ist die Präsentation von antigenen Strukturen durch spezielle, professionelle antigenpräsentierende Zellen.

Die Präsentation

Präsentiert werden kurze Peptide mithilfe der Oberflächenproteine MHC-I und MHC-II.

MHC steht für major histocompatibility complex oder Haupthistokompatibilitätskomplex und ist wegen der interindividuellen strukturellen Unterschiede auch verantwortlich für die Gewebeverträglichkeit von Transplantaten. Alternativ bezeichnet man diese Komplexe als menschliche Leukozytenantigene (engl.: human leukocyte antigen oder abgekürzt HLA). Während MHC-II-Moleküle vor allem auf den antigenpräsentierenden Zellen vorkommen, sind MHC-I-Moleküle auf allen kernhaltigen Zellen zu finden. Die Unterschiede in den MHC-Molekülen verschiedener Individuen liegen gerade in den Bereichen, die die antigenen Peptide präsentieren. Man weiß inzwischen, dass MHC-I-Moleküle dem Immunsystem etwa acht bis zehn Aminosäuren lange Oligopeptide "zeigen" (präsentieren) und dass die Peptide in MHC-II-Molekülen stärker in ihrer Länge variieren können.

MHC-I: Peptide aus dem zellulären Mülleimer

MHC-I-Moleküle erhalten ihre Peptide aus dem zellulären "Mülleimer", dem so genannten Proteasom (Abb. 3A). Im Proteasom werden endogene Proteine über spezielle Proteasen zerschnitten, und die gebildeten Bruchstücke werden über spezielle Transportproteine zu den MHC-I-Molekülen in der Membran des Endoplasmatischen Retikulums geschafft. Sobald MHC-I mit einem geeigneten Peptid komplettiert ist, kann es nach einem vesikulären Transport über den Golgi-Apparat in die Zytoplasmamembran eingebaut werden.

Als "Abfall-Proteine", die dem proteasomalen Abbau zugeführt werden, kommen sowohl nicht mehr benötigte Proteine des normalen Zellstoffwechsels in Frage, als auch Produkte eines maligne veränderten Zellstoffwechsels einer Tumorzelle. Eine weitere Quelle endogener "Abfall-Proteine" sind Produkte von Bakterien oder Viren, die sich in der betroffenen Zelle vermehren. Erkannt werden die über MHC-I präsentierten Peptide nur von zytotoxischen T-Zellen. Diese so genannten CD8-positive T-Zellen erkennen über ihren T-Zell-Rezeptor das Peptid und interagieren mit ihrem CD8-Oberflächenprotein gleichzeitig mit dem MHC-I-Molekül, das das Peptid präsentiert. Die Spezifität der Interaktion kommt dadurch zustande, dass die T-Zell-Rezeptoren ähnlich variabel sind wie Antikörper. Ähnlich wie die Antikörper-produzierenden B-Zellen exprimiert jede T-Zelle auch nur einen spezifischen T-Zell-Rezeptor, so dass das Immunsystem ein unglaubliches Repertoire an unterschiedlich spezifischen T-Zellen zur Verfügung stellen muss.

Die Konsequenz der Bindung einer zytotoxischen T-Zelle an einen passenden MHC-I/Antigen-Komplex ist der Tod der präsentierenden Zelle: Die zytotoxische T-Zelle wird aktiviert und exprimiert Effektormoleküle wie Perforine und Granzyme, die auf die gebundene Zelle todbringend wirken. Dieser Mechanismus gewährleistet also, dass infizierte oder entartete Zellen vom Immunsystem abgetötet werden.

Unterscheidung zwischen Eigen und Fremd

Fatal wäre es, wenn eine zytotoxische T-Zelle eine normale Zelle treffen würde, die ein Stück eines abgebauten, zelleigenen Proteins präsentiert. Davor schützt ein wichtiger Prozess während der T-Zellreifung: Im Thymus "lernen" T-Zellen zwischen "Eigen" und "Fremd" zu unterscheiden. Nur solche zytotoxischen T-Zellen dürfen im Körper zirkulieren, die NICHT die körpereigenen Proteine erkennen. Alle anderen T-Zellen, die während der T-Zelldifferenzierung auch in großen Mengen entstehen, werden im Thymus aussortiert und einem kontrollierten Zelltod zugeführt.

Das gleiche Sortierungsprinzip gilt auch für die Helfer-T-Zellen: Auch hier dürfen T-Zellen, deren Rezeptoren an körpereigene Proteinfragmente binden würden, nicht überleben und in den Kreislauf gelangen. Im Unterschied zu den zytotoxischen T-Zellen erkennen allerdings Helfer-T-Zellen Proteinfragmente, die in MHC-II-Komplexe eingebettet sind.

MHC-II auf phagozytierenden Zellen

MHC-II kommt auf allen antigenpräsentierenden Zellen vor, die Immunkomplexe und Pathogene phagozytieren können. Dies sind dendritische Zellen, Makrophagen oder B-Zellen. Diese Zellen nehmen den Immunkomplex bzw. das Pathogen in einem Vesikel auf, das intrazellulär mit einem Lysosom verschmilzt (Abb. 3B). Anschließend werden Bruchstücke der zerschnittenen Proteine in die im Endoplasmatischen Retikulum vorbereiteten MHC-II-Moleküle geschleust und der gesamte Komplex vesikulär zur Zellmembran transportiert. Nun kann eine CD4-positive Helfer-T-Zelle andocken und über den eigenen T-Zell-Rezeptor das präsentierte Peptid erkennen. Die so aktivierte Helfer-T-Zelle sezerniert IL-2, vermehrt sich und kann nun ihrerseits B-Zellen, die mit ihrem B-Zell-Rezeptor das gleiche Antigen erkennen, zur Differenzierung und Antikörperproduktion stimulieren. Man weiß inzwischen, dass Antigene nicht quantitativ präsentiert werden, da einige Epitope sich dem Immunsystem entziehen.

Ein Teil der aktivierten, spezifischen B- und T-Zellen differenziert sich zu Gedächtniszellen aus, die längere Zeit im Körper patrouillieren und bei einem erneuten Kontakt mit dem Antigen schnell mobilisiert werden und dann den Eindringling bekämpfen können.

Impfen – Hightech-Training für unser Immunsystem

Seit der englische Landarzt Edward Jenner Ende des 18. Jh. die Schutzimpfung gegen Pocken entdeckt hat, sind die durch Impfung erzielten Erfolge enorm: 1980 erklärte die WHO die Welt für pockenfrei, so dass heute Kinder nicht mehr gegen Pocken geimpft werden müssen. Auch die Kinderlähmung gilt nahezu als ausgerottet und Diphtherie und Tetanus sind dank des guten Impfschutzes keine Bedrohung mehr.

Das hinter der so genannten aktiven Impfung stehende Prinzip ist einfach und doch genial: Man verabreicht dem Körper Teile eines Erregers oder auch den ganzen Erreger in abgeschwächter bzw. abgetöteter Form und gaukelt dem Immunsystem eine Infektion vor (Abb. 4). Die Reaktion des Körpers ist ganz normal: Sie startet mit der Mobilisierung des angeborenen Teils und endet mit der Etablierung eines "immunologischen Gedächtnisses" gegen die eingebrachten Erregerbestandteile. Sollte es nun zu einer echten Infektion mit dem Pathogen kommen, werden T- und B-Gedächtniszellen schnell wieder aktiviert und können sofort zum Gegenschlag ausholen.

Die Anforderungen an Impfstoffe sind hoch: Einerseits müssen sie sicher sein, denn schließlich werden sie dem gesunden Körper verabreicht und dürfen ihn nicht krank machen. Anderseits müssen sie aber auch eine gute Immunantwort induzieren, um effizient vor einer wirklichen Infektion zu schützen.

Hochimmunogen: Lebend-attenuierte Impfstoffe

Impfstoffe richten sich entweder gegen Viren oder gegen Bakterien. Bei den in der Impfdosis enthaltenen Viren und Bakterien handelt es sich entweder um lebend-attenuierte, also um vermehrungsfähige aber apathogene Organismen, oder um abgetötete (inaktivierte) Organismen bzw. um Teile dieser Organismen (Tab. 4). Üblicherweise sind diese Organismenteile Oberflächenstrukturen oder inaktivierte Toxine. Ganze Organismen sind typischerweise antigener, da sie wegen ihrer Vermehrungsfähigkeit dem Immunsystem länger präsentiert werden. Allerdings reagiert das Immunsystem auch sehr viel stärker auf die verabreichte Dosis, was zum Teil – wenn die Impfreaktionen sehr stark ausgeprägt sind – als sehr unangenehm empfunden wird.

Sicherer: Inaktivierte Impfstoffe

Sicherer sind demgegenüber die inaktivierten Organismen: Auch diese Impfstoffe präsentieren dem Immunsystem das ganze Set an möglichen antigenen Strukturen, allerdings kommt es nicht mehr zu einer weiteren Vermehrung. Ein bekanntes Beispiel dafür, dass aus Sicherheitsgründen ein attenuierter von einem inaktivierten viralen Impfstoff abgelöst wurde, ist die Polio-Vakzine. Viele erinnern sich vielleicht noch an den Sabin-Impfstoff, der über den Slogan "Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist bitter" beworben wurde. Hier kam es in seltenen Fällen zu einer Rückmutation des attenuierten Virus, was die Gefahr einer Kinderlähmung nach sich zog. Seit Januar 1998 wird inaktivierter Polio-Impfstoff gespritzt.

Noch sicherer: Subunit-Vakzine

Noch sicherer, aber auch weniger antigen, sind die so genannten Subunit-Vakzine, die nur noch bestimmte Oberflächenantigene des Virus oder Bakteriums enthalten. Bekannte derartige Impfstoffe sind die Influenza-Impfstoffe, deren Hämagglutinin- und Neuraminidase-Moleküle aus Saatviren aufgereinigt werden, oder die HBV-Impfstoffe, die inzwischen rekombinant hergestellt werden, um auch die Impfstoff-Herstellung optimal sicher zu machen. Da diese Antigene für eine effiziente Antwort des adaptiven Immunsystems den T-Zellen über MHC-Moleküle präsentiert werden müssen (siehe oben) und dies nicht immer vorhersagbar effizient passiert, ist der individuelle Immunschutz nicht immer gewährleistet. Aus diesem Grund und wegen der Schwere der Infektionskrankheit wird jedem Patienten, der sich gegen HBV hat impfen lassen, empfohlen, den Anti-HBV-Antikörpertiter nach 4 bis 6 Wochen bestimmen zu lassen.

Adjuvanzien als Co-Stimulatoren

Die Sicherheit, die man mit dem Wechsel von lebend-attenuierten oder abgetöteten Pathogenen hin zu klar definierten Oberflächenstrukturen erreicht hat, geht also leider oft einher mit einer geringeren Antigenität und mit einer geringeren Stimulation des Immunsystems. Dies lässt sich dadurch kompensieren, dass man dem Impfstoff so genannte Adjuvanzien zusetzt, die als Co-Stimulatoren für das Immunsystem wirken. Hier erweisen sich Agonisten der Toll-like-Rezeptoren als äußerst hilfreich. So wirkt Monophosphoryl-Lipid A (MPL) als Agonist am TLR4, ist Bestandteil des Hepatitis-B (HBV)-Impfstoffes Fendrix® und wird derzeit im Zusammenhang mit weiteren prophylaktischen und therapeutischen Vakzinen getestet. CpG 7909 ist ein Agonist für TLR9 und konnte bereits in Verbindung mit dem HBV-Impfstoff Engerix-B® bzw. dem Influenza-Vakzin Fluarix® die Immunantwort steigern, ohne die Toxizität zu erhöhen.

Konjugat-Impfstoffe zur Erhöhung der Antigenität

Ein anderer, sicherer und zugleich praktischer Weg, die Antigenität einzelner Impfstoffe zu erhöhen, liegt in der Kombination verschiedener Vakzine in einer Dosis, beziehungsweise in der Herstellung von Konjugat-Impfstoffen. Dass Kleinkinder für einen umfassenden Impfschutz nur jeweils einmal gestochen werden müssen, ist sicher für alle Beteiligten angenehmer. Zusätzlich – und letztlich wichtiger – unterstützen sich die verabreichten Impfstoffe in der Induktion der Immunantwort gegenseitig. Konjugat-Impfstoffe sind auch aus der Not entstanden, dass Polysaccharide aus den Kapseln der Pneumokokken oder Meningokokken keine Gedächtniszellen im Immunsystem induzieren. Werden dagegen die Zuckerstrukturen kovalent beispielsweise an ein Toxoidprotein eines anderen Pathogens gekoppelt, wird das Immunsystem ausreichend stimuliert und bietet einen lang anhaltenden Schutz gegen beide Strukturen.

Simultan oder mit Mindestabstand impfen

Generell kann man Impfungen simultan verabreichen, auch die mit lebend-attenuierten Organismen. Lebend-attenuierte Vakzine dürfen nicht an immunsupprimierten Patienten und sollten nicht während der Schwangerschaft verabreicht werden.

Werden Lebendimpfstoffe nicht gleichzeitig appliziert, sollte ein Mindestabstand von 4 Wochen zwischen den Impfungen eingehalten werden, vorausgesetzt die Impfreaktionen sind dann komplett abgeklungen. Hierdurch will man vermeiden, dass ein bereits aktiviertes und noch voll arbeitendes Immunsystem durch einen weiteren Stimulus "überreagiert". Aus dem gleichen Grund sollten auch nur absolut gesunde, nicht durch eine Infektion vorgeschädigte Personen geimpft werden.

Literatur bei den Verfassern

Anschrift der Verfasser:

Dr. Ilse Zündorf, Prof. Dr. Theo Dingermann, Institut für Pharmazeutische Biologie, Biozentrum, Marie-Curie-Str. 9, 60439 Frankfurt/Main

Prof. Dr. Angelika Vollmar, Pharmazeutisches Institut, Ludwig-Maximilians-Universität München, Butenandtstr. 5, 81377 München
Abb. 1: Das Komplementsystem

A) Je nachdem, über welchen Proteinkomplex das Komplementsystem aktiviert wird, unterscheidet man zwischen dem klassischen Weg, dem Lektin-Weg und dem alternativen Weg. Beim klassischen Weg muss ein Antigen/Antikörper-Komplex vorliegen, der dann vom C1-Komplex erkannt wird. C1 besteht aus C1q und zwei Molekülen C1r und C1s. Die Bindung an den Antikörper führt zu einer Autoaktivierung der Protease C1r, die C1s aktiviert, was in der Folge C4- und C2-Serumfaktoren spaltet. Die entstandenen C4b- und C2a-Fragmente bilden die so genannte C3-Konvertase, die C3-Fragmente spaltet. C3b-Fragmente sind essentiell für die Eliminierung des Antigen/Antikörper-Komplexes durch Phagozytose. C3a-Fragmente werden freigesetzt und dienen als Signalmoleküle. Der Lektin-Weg wird durch einen Komplex aus Mannose-bindendem Lektin (MBL), den drei Serinproteasen MASP1-3 und einem MBL-bindenden Protein (sMAP) initiiert. MASP-2 ist verantwortlich für die Spaltung von C4 und C2, was zur gleichen C3-Konvertase (C4bC2a) führt, wie im klassischen Weg. MASP-1 kann C3 aber auch direkt spalten. Beim alternativen Weg bindet aktivierter Faktor B (Bb) an hydrolysiertes C3 im Serum und aktiviert darüber C3. Das dabei entstandene C3b bindet Faktor B, der durch Faktor D in das Fragment Bb gespalten wird. Der Komplex aus C3b und Bb stellt die C3-Konvertase (C3bBb) des alternativen Wegs dar.

B) Das Schlüsselereignis der Komplementaktivierung ist die Bildung der C3-Konvertase. Dabei entsteht das große Fragment C3b, das an Pathogenoberflächen und Immunkomplexen bindet und essentiell für die Opsonisierung von Pathogenen und für die Entfernung von Immunkomplexen ist. Außerdem bindet es an die C3-Konvertase, so dass die C5-Konvertase entsteht, die die späten Ereignisse der Komplementaktivierung in Gang setzt. Dabei wird C5b und das kleine C5a-Fragment freigesetzt. Die kleinen Fragmente C5a und C3a stellen Entzündungsmediatoren dar, die insbesondere Phagozyten anlocken und somit C3b-Effekte verstärken.

Freies C5b induziert Polymerisierungsreaktionen, bei denen die terminalen Komplementbestandteile (C5b, C6-C9) einen membranangreifenden Komplex (MAK) bilden, der eine Pore (bestehend aus C9-Molekülen) in der Zellmembran bestimmter Krankheitserreger erzeugt und damit zur Lyse des Pathogens führt.
Grafik: Rickl
Abb. 2: Signaltransduktionswege der Toll-like-Rezeptoren Die Bindung des Liganden (LPS/LBP/CD14; MD-2) an TLR führt zur Assoziation von Adapter-Molekülen, wie MyD88, Toll interacting Protein (TOLLIP), der Protein-Kinase IRAK, und TRAF6 (TNF-receptor associated factor 6). TRAF6 aktiviert über die Kinase TAK1 (TGF-β activated kinase) die IκB-Kinasen 1 und 2 (IKK-1/2). Diese Kinasen phosphorylieren IκB, was zur Degradation des inhibitorischen Proteins führt und NF-κB als Dimer freisetzt. NF-κB wandert in den Zellkern und induziert eine transkriptionelle Aktivierung proinflammatorischer und immunmodulatorischer Gene.
Grafik: Rickl

Abb. 3: Präsentieren von Protein-Antigenen

A) Über MHC-I werden Antigene aus dem Cytoplasma präsentiert, die endogen z.B. von Mikroben wie Viren oder cytosolischen Bakterien synthetisiert wurden. Diese Proteine sind ungefaltet und werden damit zunächst ubiquitinyliert und anschließend im Proteasom abgebaut. Die Peptidfragmente, die dabei entstehen, werden durch den Transporter TAP ins Endoplasmatische Reticulum (ER) transportiert, wo MHC-I-Moleküle neu synthetisiert werden. MHC-I kann diese Peptide binden und der entstehende Komplex wird dann an die Zelloberfläche transportiert und von CD8-positiven T-Zellen erkannt.

B) Antigenpräsentierende Zellen (APC) phagozytieren Pathogene und transportieren sie über Endosomen ins Cytoplasma, wo sie dann mit Lysosomen verschmelzen. Dort werden die Proteine in Peptidfragmente abgebaut. MHC-II werden nach ihrer Synthese im ER in Vesikeln transportiert und tragen zunächst das Peptid CLIP (class-II invariant chain peptide) in der Antigenpeptidbindungsstelle. Fusionieren nun MHC-II-Vesikel mit den Endolysosomen, wird CLIP durch das Protein DM aus der Peptidbindungsstelle des MHC-II freigesetzt und MHC-II kann nun Antigenfragmente binden. Diese MHC-II/Peptid-Komplexe werden dann an die Zellmembran transportiert und können von CD4-positiven T-Zellen erkannt werden.
Grafiken: Rickl

Abb. 4: Ablauf einer Infektion und entsprechende Abwehrmechanismen des Immunsystems

Die häufigste Eintrittspforte eines Krankheitserregers ist das Epithel. Beim Impfen wird das Eindringen des Pathogens durch die i.m.-Applikation simuliert. Zunächst kommt es zur Etablierung der Infektion, wobei das angeborene Immunsystem die reale oder simulierte Infektion unter Kontrolle hält. Lokal entsteht eine Entzündung. Erreger bzw. Antigene breiten sich durch antigenpräsentierende Zellen (APC) in das lymphatische Gewebe aus und induzieren eine adaptive Immunantwort. In der Folge laufen zelluläre und humorale Effektormechanismen am Ort der Infektion ab und der Erreger bzw. das applizierte Antigen wird beseitigt. Sobald die Pathogenmenge eine bestimmte Schwelle unterschritten hat, hört die erworbene Immunantwort auf. Allerdings schützen nun Gedächtniszellen vor einer (echten) Infektion mit dem entsprechenden Erreger.
Grafik: Rickl

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